Bundesrat stimmt UrhWissG zu: Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft

Der Bundesrat stimmt dem Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft weitgehend zu (vgl. Beschlussdrucksache BR 312/17(B), PDF). An einigen Stellen, besonders bezüglich der Veröffentlichung von Abbildungen musealer Objekte, fordert der Bundesrat eine weitergehende Offenheit:

Bislang dürfen Museen ihre kulturellen Schätze, die noch dem urheberrechtlichen Schutz unterliegen, nur sehr eingeschränkt im Internet zeigen. Erlaubt ist dies nach Unionsrecht – und ihm folgend nach § 58 Absatz 1 UrhG – bislang nur, soweit und solange dies der Förderung aktueller Ausstellungen dient.
§ 60f Absatz 1 in Verbindung mit § 60e Absatz 1 UrhG-E enthält die grundsätzliche Erlaubnis für Museen, Werke aus ihrem Bestand oder ihrer Ausstellung für Zwecke der Zugänglichmachung zu vervielfältigen. Die anschließende öffentliche Zugänglichmachung kann nach § 60f Absatz 1 in Verbindung mit § 60e Absatz 4 UrhG-E indes weiterhin nur museumsintern erfolgen oder – ent-sprechend dem fortgeltenden § 58 Absatz 1 UrhG – ausschließlich zur Förde-rung aktueller Ausstellungen.

§ 60f Absatz 1 in Verbindung mit § 60e Absatz 3 UrhG-E sieht für die Museen vor, dass diese lediglich körperliche Vervielfältigungsstücke in Zusammenhang mit öffentlichen Ausstellungen oder zur Dokumentation ihrer Bestände verbreiten können. Zu begrüßen ist zwar durchaus, dass ein zeitlicher Zusammenhang mit der Ausstellung anders als in § 58 Absatz 2 UrhG nicht mehr zwingend erforderlich ist.

Diese gesetzliche Erlaubnis muss aber auf die öffentliche Zugänglichmachung der elektronischen Vervielfältigungen der geschützten musealen Ausstellungs-und Bestandswerke ausgeweitet werden, damit insbesondere Museen ihren kulturellen Auftrag in zeitgemäßer Weise erfüllen können:
Museen sollten zum einen auch beendete Ausstellungen weiterhin im Rahmen ihres Online-Angebots dokumentieren können. Zum anderen sollten auch Bestände, die nicht Gegenstand einer Ausstellung waren, auf Grundlage einer gesetzlichen Erlaubnis im Internet gezeigt werden dürfen. Eine gesetzliche Erlaubnis würde es gerade auch kleinen Museen erlauben, ohne bürokratischen Aufwand zur Verbreitung kulturellen Wissens beizutragen.

In diesem Zusammenhang müssen die Interessen und Rechte der Künstlerinnen und Künstler entsprechend berücksichtigt werden.

Der letzte Satz birgt Sprengstoff, denn was eine “entsprechende Berücksichtigung” bedeutet, ist interpretationsfähig.

Eine eingehende Exegese durch Irights, Netzpolitik, Wisspub, das Aktionsbündnis Urheberrecht und andere übliche Verdächtige steht vermutlich bevor.

 

§ 52a UrhG endlich entfristet

Siehe Mitteilung des Bundesrats, eine kurze Erläuterung zum Inhalt des Gesetzes gibt es auch (PDF). Das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft hat vor einiger Zeit eine Bewertung der Entfristung durch Rainer Kuhlen (PDF) veröffentlicht.

Bundesregierung will 52a retten und Open Access fördern

Plötzlich und für niemanden vorhersehbar läuft §52a des UrhG aus, der die Öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung regelt. Nun versucht die stets um den Wissenschaftsstandort besorgte schwarz-gelbe Regierung, den Paragraphen in letzter Minute zu retten. Thomas Hartmann beschreibt auf IUWIS, wie das vor sich gehen soll.

Er weist auch auf die heutige Beratung der Internet-Enquete hin, in der es auch um Open Access ging. Dazu auf Heise.de:

Die Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” des Bundestags hat ihre Empfehlungen zu “Open Access” im Wissenschaftsbereich vorgestellt, mit denen der freie Zugang zu Forschungsergebnissen im Internet verbessert werden soll. Sie rät unter anderem dazu, ein “unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht für wissenschaftliche Beiträge zu schaffen, die überwiegend mit öffentlichen Mitteln entstanden sind”. Dies erklärte das Kommissionsmitglied Reinhard Brandl am Mittwoch im Bildungsausschuss des Parlaments.

Paragraph 52a UrhG läuft aus

Bildungsklick.de berichtet über den auslaufenden Paragraph 52a UrhG:

Die letzten Wochen des Jahres rinnen den deutschen Bibliothekaren wie Sand durch die Finger. Zum 31. Dezember 2012 läuft eine Regelung des Urheberrechts aus, die nicht nur die Lern- und Lehrbedingungen an Hochschulen mitbestimmt. Sie regelt auch das Angebot der Bibliotheken. Sollte der Paragraph 52a UrhG bis dahin nicht verlängert werden, dann wird wissenschaftliches Arbeiten in wesentlichen Bereichen zum juristischen Problemfall – und das ist längst nicht die einzige Stelle, in der das Gesetz lückenhaft ist.

Auch in Inetbib (und anderswo) wurde die Angelegenheit schon thematisiert.

Zitate zum Urteil gegen die Fernuni Hagen

Links und ein paar Zitate zum Urteil des Landgerichts Stuttgart gegen die Fernuniversität Hagen vom 27. September 2011 (Aktenzeichen: 17 O 671/10, PDF).

Armin Talke fasst in Iuwis das Urteil zusammen:

Die Universität darf den für ein Studienmodul angemeldeten Studierendenbis zu 48 Seiten (ca. 10 %) des Werkes „Meilensteine der Psychologie“ ohne Zustimmung des Verlags über die Lernplattform zugänglich machen. Bis zu diesem Umfang darf die Universität den Studierenden auch die Möglichkeit des Ausdruckes gewähren.

Die Universität hat aber zu gewährleisten, dass die Studierendennur max. 3 Seiten des Werkes downloaden und abspeichern.

Thomas Stadler kommentiert:

Diese Urteilsbegründung ist m.E. falsch und auch gänzlich praxisfern, weil sie weder vom Wortlaut noch von der ratio der Vorschrift gedeckt ist. Man stellt sich hier unweigerlich auch die Frage, welche Form der Nutzung denn der analogen Nutzung entsprechen würde. Die PDF-Datei ist eine derjenigen Umsetzungen, die einer analogen Kopie noch am ehesten entsprechen. Dass man Dateien grundsätzlich speichern kann, liegt in der Natur der Sache. Die Fernuni Hagen hat mittlerweile offenbar von PDF-Dateien auf Flash-Lösungen umgestellt.

Rainer Kuhlen stellt das Urteil unter Satireverdacht:

Das Gericht anerkennt durchaus, dass die Studierenden an sich, und zwar nach § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UrhG, das Recht haben, die zur Verfügung gestellten kleinen Teile des Werkes zu vervielfältigen, also bei sich zu speichern, auszudrucken bzw. Kopien davon zum eigenen Gebrauch zu machen.

Aber aus diesem Recht der Studierenden dürfe die Universität nicht ableiten, dass sie das auch möglich machen dürfe oder gar müsse: “Für die Rechte der Beklagten aus § 52a UrhG ist aber grundsätzlich nicht maßgeblich, ob von den Nutzern der elektronischen Lernplattform angefertigte Vervielfältigungen gemäß § 53 Abs. 2 S1 Nr. 1 UrhG gestattet sind, sondern es ist zu prüfen, ob die Beklagte eine solche Anschlussnutzung überhaupt schaffen durfte” (s. 14).

Aus welcher Haltung das Urteil entstanden ist, kommentiert Kuhlen folgendermaßen:

Das ist jetzt der Punkt, der die Netzwelt auf die Barrikaden gehen lassen sollte. Wir sollen uns auch im Jahr 2011 beim Umgang mit Wissen und Information so verhalten, wie es ganz offensichtlich die Juristen aus ihrer Ausbildung gewohnt waren. Ich erinnere mich gut an die Antwort auf meine Frage an Frau Zypries, damals zuständig für das Justizministerium und damit entscheidend verantwortlich für Paragraphen wie 52b, ob es denn zeitgemäß sei, sich am Bildschirm handschriftliche Notizen machen zu müssen: „Was wollen Sie denn, ich habe mein ganzes Studium in der Bibliothek gesessen und fleißig exzerpiert. Und Sie sehen ja, was aus mir geworden ist.“

Links zum Urteil werden auch in Archivalia gesammelt (s. hier oder hier).

Was folgt für Bibliotheken? Wir stehen da und wundern uns. Und hoffen darauf, dass im Justizministerium in absehbarer Zeit Lobbyisten gegen Sachverstand ausgetauscht werden. Bis dahin bleibt nur das Wundern. Und die Hoffnung auf erfolgreichen Widerspruch gegen das Urteil.

Umfrage zum Urheberrecht im Bibliothekskontext

Monika Duppelfeld bittet um Beteiligung bei Ihrer Umfrage zum “Urheberrecht der Bibliotheken im Informationszeitalter nach einer Anwendung der Leseplatzschranke gemäß § 52b Urhebergesetz”.

In einem ersten Teil meiner Arbeit möchte ich die Interessen/Rolle der Bibliothek im Informationszeitalter analysieren und die daraus abzuleitenden Tendenzen für eine juristische Analyse fruchtbar machen. Da ich selbst nicht vom „bibliothekarischen Fach“ bin, fällt es mir nicht leicht, Bibliotheken betreffende Aussagen und Anforderungen, die in Fachbüchern/Aufsätzen zu finden sind, einzuschätzen.

Wer ihr bei der Einschätzung helfen möchte: Zur Umfrage geht’s hier.

OLG Frankfurt zu Ulmer vs. ULB Darmstadt

Heise: OLG Frankfurt schränkt Nutzerrechte in Bibliotheken ein. Nun sollen nicht einmal mehr Ausdrucke von eingescannten Werken möglich sein.

Worin genau unterscheidet sich ein Ausdruck eines eingescannten Werkes von einer Kopie? Auch bei modernen Kopierern wird das Original zuerst eingescannt und dann ausgedruckt. Im Heise-Forum schreibt mukenukem:

Oh, da weiß ich was. Man platziert neben dem Leseplatz einen Fotokopierer, auf den man dann den Monitor drauflegt.

Die Idee ist nicht neu.

Mehr dazu unter anderem bei Archivalia oder Netethics. Die digitale, ausdruckbare Kopie der Urteilsbegründung (PDF) findet sich beim Börsenverein. Sie wurde eingescannt und steht auch außerhalb speziell vorgesehener Leseplätze in Bibliotheken zur Verfügung.

Update: Nun gibt es auch einen Kommentar von Eric Steinhauer zum Urteil.

Ulmer vs. Darmstadt: was folgt daraus?

BC Kaemper: Die Entscheidung des LG Frankfurts in Sachen Ulmer vs. ULB Darmstadt (Elektronische Leseplätze) liegt vor

BCK interpretiert das Urteil und kommt zu folgenden Schlüssen (Auszug) bezüglich der Rechte der Bibliotheken:

* Sie dürfen veröffentlichte Werke aus ihrem Bestand selbst digitalisieren oder digitalisieren lassen. (Annexkompetenz aus § 52b)
* Sie dürfen diese Werke an elektronischen Leseplätzen in den Räumen der Bibliothek zugänglich machen, wobei die Zahl der (gleichzeitig) zugänglich gemachten Exemplare an den eingerichteten Leseplätzen […] die Stückzahl im Bestand nicht übersteigen darf.
* Sie müssen dabei keine Rücksicht auf etwa bestehende Verlagsangebote nehmen, solange sie keine vertraglichen Regelungen mit dem Verlag eingegangen sind. Es besteht insofern Vertragsfreiheit, kein Kontraktionszwang. […]
* Es ist ausreichend, wenn die Bibliothek in ihrem Internetauftritt und an den Leseplätzen ausdrücklich auf den gesetzlich limitierten Verwendungszweck hinweist und klarstellt, dass das Angebot lediglich zur Forschung bzw. für private Studien zugänglich gemacht wird.
[…]
* Die Bibliotheken dürfen die Möglichkeit schaffen, Ausdrucke aus den an den elektronischen Leseplätzen bereitgestellten Werken anzufertigen und diese auch aus der Bibliothek mitzunehmen. Das Gesetz rechtfertigt in jedem Fall keine vollständige Kopie des Werkes, sondern nur eine auszugsweise. Ein entsprechender Hinweis an den Leseplätzen dürfte auch hier genügen.
* Es ist den Bibliotheken aber verwehrt, die Speicherung und Mitnahme der Digitalisate selbst zuzulassen.

Eric Steinhauer äußerte sich ebenfalls zum Thema:

Nicht überzeugend ist freilich die Ansicht des Gerichts, eine elektronische Kopie durch den Nutzer auszuschließen. Es ist nicht erkennbar, dass § 52b UrhG, der nur eine Schranke für die öffentliche Zugänglichmachung darstellt, § 53 UrhG als Schranke für Vervielfältigungen ausschließt. Danach sind jedenfalls für den eigenen wissenschaftlichen Gebrauch elektronische Kopien zulässig. Ein solche “Schrankenkette” vertritt im Ergebnis Dustmann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, 10. Aufl., 2009, § 52b, Rn. 13.

Hier geht’s zum Volltext (PDF) des Urteils.

Herunterladen != Open Access

Die taz berichtet schreibt über die Causa Darmstadt:

“Wir haben nichts gegen Open Access und wollen es auch den Studenten nicht unnötig schwer machen, aber wir müssen auch schauen, dass wir unsere Bücher verkaufen können”, sagte der Verleger Matthias Ulmer der taz.

Lieber Herr Ulmer, liebe taz: Bitte vermengen Sie doch nicht schon wieder Open Access mit allem möglichen, was irgendwie mit Internet und Texten zu tun hat. Es nervt!

Der taz-Artikels ist übrigens folgendermaßen überschrieben: Erfolg für Verleger im Urheberrecht
Die FR war da anderer Meinung: Verlag scheitert gegen Uni Darmstadt

Aber Open-Access-Befürworter sind laut taz sowieso schlimmer als somalische Piraten.