Wir wurden erforscht, und zwar gleich mehrfach. Schon auf der Inetbib-Tagung haben Irene Barbers, Heike Gennermann, und Sabine Hack “IT-bezogene Trendthemen in der Diskussionsliste InetBib und deren Reflexion auf der InetBib-Tagung 2010” untersucht. Verglichen wurden Aktualität und Inhalt von Inetbib-Liste, -Tagung und Fachblogs am Beispiel von Netbib und Infobib.
Und Petra Marker hat in ihrer Diplomarbeit “die Rezeption bibliothekarischer Fachblogs in Deutschland” analysiert. Fazit: Es gibt immer noch sehr viele Bibliothekswesen, die Fachblogs nicht nutzen. Nutzung ist in diesem Sinne natürlich ein weiter Begriff, aber schon das Lesen von Blogs wird hier offensichtlich so verstanden. Als häufigste Gründe für die Nichtnutzung wurden angegeben: [1] S. 57
- die veröffentlichten Informationen sind für mich uninteressant/
irrelevant- die veröffentlichten Informationen sind nicht qualitätsgesichert
- ich kenne zu wenige fachlich relevante Blogs
- die Art der Informationsaufmachung der Fachblogs spricht mich
nicht an- ich bin unsicher in der technischen Handhabung der Fachblogs
- ich bevorzuge Mailinglisten, Fachzeitschriften, etc. als Informationsquelle
Dazu:
- Legitimer Einwand. Aber: Wem das Angebot nicht gefällt, kann gerne ein weiteres, besseres, passenderes Blog einrichten.
- Ein sehr lustiger Einwand. Wo bekommt man denn
qualitätsgesicherte
Informationen? Im Bibliotheksdienst? In BIT Online? Oder den anderen, einem knallhartem Double-Blind-Peer-Review unterworfenen Cutting-Edge-Zeitschriften im deutschsprachigen Raum? - Siehe Punkt 1.
- S. Planet Biblioblog
- Ich bin unsicher bei der Beantwortung dieser Frage. Meine erste Antwort wäre: Anklicken, lesen, kommentieren. Vermutlich haben schon einige Weblogs genutzt, ohne es zu wissen.
- Zu diesem Punkt ein Ergebnis aus dem Inetbib-Vortrag:
Blogs greifen Innovationsthemen zuerst auf.
Beispiel: Wer sich über Open-Source-Bibliothekssysteme informieren wollte, konnte dies in Blogs schon ca. 2001 machen. In den ausgewerteten Fachzeitschriften (ABITechnik und BIT-online) wurden gar keine Artikel zu diesem Thema gefunden.
Bei der Bibcamp-Session über bibliothekarische Fachkommunikation wurde übrigens stets betont, wie wichtig es ist, Scheitern zuzulassen, einzugestehen und darüber zu berichten. Mehr dazu in einem weiteren Blogposting, da das Thema zu wichtig ist, um nur nebenbei abgehandelt zu werden. Aber dies ist definitiv auch etwas, das eher in Blogs und Mailinglisten als in Fachzeitschriften stattfinden würde.
Egal, wie kommuniziert wird, es sollte diskutiert und nicht nur verkündet werden. Festzustellen ist dazu, dass zu wenig und fast ausschließlich ritualisiert kommuniziert wird. Projektberichte sind (frei nach ? auf dem Bibcamp) meist offene Briefe an die Projektgeber ohne größeren Mehrwert für die Fachöffentlichkeit. Die Bibliothekswesen haben immer noch keinen Blog auf offene Kommunikation.
Sehe ich zu schwarz? Immerhin haben die weitaus meisten Umfrageteilnehmer Unkenntnis relevanter Fachblogs als Gründe für die Nichtnutzung angegeben. Zitat: Die weiteren vorgegebenen Gründe scheinen nicht vorrangig ausschlaggebend für die Nichtnutzung zu sein.
[2] S. 58 Da auch festgestellt wurde, das kaum jemand seine Kenntnis von Fachblogs über Plakate erlangte, sollten man vielleicht in Erwägung ziehen, Infobib-Plakate oder einen Flyer zu Archivalia zum Download anzubieten. Oder Netbib zu verfilmen. Jakoblog, das Musical. Medinfo als Hörbuch. Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt.
Beim Bibcamp gab es übrigens auch eine Session speziell zur bibliothekarischen Fachkommunikation.
[via Netbib]
Das Drama aus Sicht der meisten BibliothekarInnen: Kaum ein Nicht-Bibliothekar erkennt, wie informationskompetent wir sind, und wie viel man von uns lernen könnte! Das Drama aus unserer Sicht: Kaum ein Bibliothekar ist kompetent genug, um die Informationswelt vieler Nicht-Bibliothekare zu benutzen und zu verstehen…
Schöner Blogbeitrag, Christian, aber mir fällt nicht mehr viel dazu ein. Kann man bibliothekarische Fachzeitschriften dazu benutzen, Bibliothekswesen zur Verwendung des Webs zu erziehen? Kann man das Wissen aus dem Web bröckchenweise mühselig in jene Zeitschriften hineintragen? Ich weiß es wirklich nicht, ich weiß noch nicht mal ob’s sich lohnt, das herauszufinden.
@Lambert: Man machts den Nicht-Bibliothekaren ja auch nicht leicht, die (selbst unterstellte) Informationskompetenz in Bibliotheken zu erkennen: Würdest du dir wirklich von einer Bibliothek etwas über das Web (2.0), Recherche oder Literaturverwaltung erzählen lassen wollen, nachdem du ihr Webangebot gesehen hast…? (auch so ein Vorurteil von mir, zu dem wir bei der Session “Warum wollen Bibliotheken eigentlich nicht ins Web?” gar nicht mehr gekommen sind…).
Ja, und das mit dem Unverstehen der digitalen Bibliothek (= Netz) außerhalb der Bibliothekswelt hat auch noch einen Bezug zur Session “Nutzerklassifikation” (sorry, @daskey, der Begriff ist in der Welt, auch wenn er in der Session dann gar nicht mehr fiel :-): Julia plädierte da ja sehr dafür, dass man (egal mit welchen Untersuchungsmethoden) vor allem die Nicht-Benutzer von Bibliotheken fragen sollte, wer sie sind und was sie wollen. Da kann ich nur hinzufügen: Webangebote von Bibs sollten sich an Web-Benutzer richten, nicht an Bibliotheks-Benutzer (wobei es da beliebig große Schnittmengen geben kann). An denen sollte man sich also orientieren…
Vielleicht werden wir dann auch endlich dieses bemutternde/vaternde “wir erklären euch mal, wie richtige[tm] Information funktioniert” los. Denn wie du andeutest: Wir verstehen vielleicht gar nicht (mehr?), wie Information funktioniert… Damit wären wir bei der Fachkommunikation und ihren Strukturen und dem, was Christian oben schreibt.
Dreht sich irgendwie alles im Kreis. Wie kommen wir da raus?
@Lambert: “Kann man bibliothekarische Fachzeitschriften dazu benutzen, Bibliothekswesen zur Verwendung des Webs zu erziehen? Kann man das Wissen aus dem Web bröckchenweise mühselig in jene Zeitschriften hineintragen?”
Yes, we can! oder Die Zeit ist reif! … möchte ich hier übertiteln.
Prolog: Für das BuB-Heft 7/8, Schwerpunktheft “Fortbildung”, wird es ein paar Beiträge von mir geben, zum Beispiel “The next Generation: Präsenzveranstaltung” versus “Virtuelles Lernen” und “Finanzierung und Förderung von Fortbildung”.
Nun, ich habe hierbei dreimal aus dem FobiKom-Weblog zitiert und mir tatsächlich ernsthaft überlegt, ob das als Informationsquelle bei unseren kritischen Bibliotheks-Wesen “durchgehen” wird. Okay, ich habe auch zweimal aus Dissertationen berichtet, das wird es, so hoffe ich, für Zweifler wieder aufwiegen.
Warum ich mich dann doch bewusst für einen Hinweis auf den FobiKom-Weblog entschieden habe? Ich bin zur Ansicht gereift, die Zeit ist tatsächlich reif, selbstbewusster im Umgang mit inzwischen gereiften Weblogs umzugehen. Da ich als Autorin des zitierten Blogs hohe Recherchegenauigkeit an den Tag lege – und das tut auch Jürgen Plieninger, mein Autorenkollege mit Sicherheit – bin ich, was den FobiKom-Weblog betrifft, ganz bestimmt auf der sicheren Seite.
“Erziehen”, um die Kann-Frage von Lambert aufzugreifen, will ich indes niemanden, höchstens von der Relevanz und vor allem von der Aktualität der Nachrichtendienste (jawohl, das ist der bessere Ausdruck) überzeugen. Die vielen Stunden, die wir Webjogger unsere Freizeit opfern, sind zwar nicht unbedingt ein Beweis, sprechen jedoch ihre eigene Sprache. Schön wäre es, wenn dies ein bisschen mehr Früchte tragen und nicht mit kollegialer Missachtung gestraft werden würde. (Wobei ich da gar nicht sagen darf, immerhin stand unser FobiKom-Weblog ebenfalls in der Liste der bekanntesten “Informationshotlines”).
Antwort also: Ja, meines Erachtens kann eine Fachzeitschrift dabei helfen, Weblogs bekannt und anerkannt werden zu lassen. So wir uns ihrer selbst und bewusst bedienen.
Ilona, ich sehe dem BuB-Heft mit Neugier und positiver Erwartung entgegen! Das Engagement von dir (und auch von Jürgen) ist Gold wert!
BuB ist natürlich eine Möglichkeit. Ich bin dennoch pessimistisch, ob durch solch einen Artikel ein nachhaltiger Erfolg erzielt werden kann. Wer liest sie denn, die populärwissenschaftlichen Bibliothekspostillen? Meistens überfliegt man doch nur das Inhaltsverzeichnis, sucht dort nach Reizworten aus dem eigenen, meist sehr spezifischen fachlichen Umfeld oder nach Namen aus dem eigenen Matrikel/von anderen Bekannten. Doch selbst wenn er gelesen wird: Kann er eine nachhaltige Verhaltensänderung bewirken?
Mir kam gerade die Idee, in Inetbib jede Woche ein Bibliotheksblog vorzustellen. Damit würde man mehr Kollegen erreichen und die jeweiligen Blogs wären nur einen Klick entfernt. Ich gehe nur langsam aber sicher davon aus, dass alle, die in unserem beruflichen Umfeld noch immer keine regelmäßigen BlogleserInnen oder sogar -schreiberInnen sind, inzwischen kaum noch zu begeistern sind.
Ein Knackpunkt bleibt auch das Geschäftsmodell von BuB et al. Solange aus sowas wie der BuB kein Open-Access-Journal wird, gibt es z.B. auch nicht sowas, daß Links aus der Blog- oder Twittersphäre direkt bei dem einzelnen Artikel angezeigt werden. Und ohne diese Art loser Kopplung zwischen den “traditionellen” Publikationen und den Web-Konversationen bleibt es auch dabei, daß die Leute mit der traditionellen Leser-Haltung, die vom Web erstmal nicht wissen wollen, auch kaum Gelegenheit dazu haben, mal über einen interessanten Weblog-Artikel zu stolpern. Na klar, man kann solche Artikel bröckchenweise zu ihnen hintragen, und ich finde es ja wirklich verdienstvoll, wenn z.B. Ilona das tut. Aber um mal ein Buzz-Word zu verwenden: Das skaliert nicht. Das wird immer als punktuelle Bemühungen junger Menschen, die dieses komische neue Medium gut finden, verbucht. Was hingegen wirklich ein Game-Changer wäre, das wäre eine dauerhafte, strukturelle Vermischung der traditionellen mit den neuen Fachmedien. Da sind aber unter anderem die Open-Access-feindlichen Geschäftsmodelle davor.
@Lambert
Diese Geschäftsmodelle sind im LIS-Bereich doch wirtschaftlich kaum relevant. 1-2 Verlage machen damit ein kleines Nebengeschäft, die herausgebenden Verbände verdienen damit sicherlich wenig bis nichts. Es geht doch den meisten Print-Herausgebern eher darum, etwas für das Regal, bzw. den Wohnzimmertisch produziert zu haben. Bzw. etwas, das man den Sponsoren/Werbekunden zeigen kann.
Solange dies der Fall ist, habe ich keine große Hoffnung auf Besserung.
Mit Deinem Einwand bzgl. der Skalierbarkeit hast Du natürlich Recht. Punktuelle Hinweise funktionieren, wenn man eine überschaubare Gemeinde überzeugen möchte. Wenn die komplette Fachkommunikation ins 21. Jahrhundert gehievt werden soll, müsste etwas Drastischeres passieren. Nur was? Offene Briefe der Onliner an die Offliner? Boykott der Print-Only-Medien? Oder muss man es einfach in Kauf nehmen, das die LIS-Gemeinde sich spaltet in einen Online- und einen Offline-Teil?
Ich sehe bibliothekarische Blogs nicht als vollständige Alternative zu Fachzeitschriften. Schlechte (aber leider richtige) Argumente wurden schon genannt: Fachzeitschriften werden zum Bauchpinseln von Autoren und Verbänden sowie für Werbung und Schleichwerbung (unkritische Produktberichte) benötigt. Mindestens die Hälfte der deutschsprachigen Bibliotheks-“Fach”-Zeitschriften sind völlig überflüssig.
Gute Argumente sind aber auch die physische Präsenz, die vor allem (aber nicht nur!) weniger Internet-affine Leser zur Kenntnisnahme nötigt und die langsamere Update-Frequenz im Vergleich zu Blogs. Die physische Präsenz lässt sich bislang nur mit Papier bewerkstelligen bis E-Reader wie das iPad zum Schleuderpreis zu haben sind, so dass sie zu Dutzenden in Büros und Bibliotheken herumliegen können. Mit der langsameren Update-Frequenz meine ich die Lücke zwischen Buch und Blogbeitrag. Ein Buch kann gerne auch mal mehr ein Jahr herumliegen, bis es gelesen wird, während viele Blogbeiträge nach einigen Wochen wahrscheinlich schon veraltet sind. Vom Umfang her ist der Open-Access-Fachartikel die Publikationsform zwischen Buch und Blogbeitrag aber wo kann ich als Leser schön aufbereitet die interessanten Fachartikel der letzten 2-3 Monate finden?
Mein Fazit: Nur gedruckt oder closed access ist einfach schade um die toten Bäume, mehr nicht. Je früher eine der gedruckten deutschsprachigen Fachzeitschriften eingestellt wird, desto besser. Dass Bibliotheken auf veraltete Geschäftsmodelle beharren, die ihnen selber schaden, ist einfach nur peinlich. Solange das Problem der billigen Lesegeräte aber nicht gelöst ist, wäre es gut wenn ein bis drei der gedruckten Zeitschriften (neben der gleichzeitigen Open Access Veröffentlichung) erhalten bleiben. Dabei sollten in jeder Ausgabe Verweise auf interessante Blogartikel der letzten Monate enthalten sein, ähnlich wie einige Blogs regelmäßig kurze kommentierte Linksammlungen veröffentlichen. Umgekehrt sollte in Blogs häufiger auf Fachartikel verwiesen werden.
Letzteres setzt aber voraus, dass die Fachartikel der Zeitschriften verlinkbar sind, was sich durch Archivierung in einem Repository leicht bewerkstelligen ließe. Fachzeitschriften, die ihre Artikel nicht online in einem Repository hinterlegen handeln genauso fahrlässig wie Bibliotheken, die ihre Zeitschriften in Holzregalen lagern – sie spielen mit dem Feuer.
@Christian
Mit “Geschäftsmodell” meinte ich nicht, daß da irgendjemand nennenswert Geld verdient, geschweige denn daß das Geldverdienen die treibende Kraft ist, die Zeitschriften bei Toll Access zu halten. Ich meine nur die Kalkulation: So und so werden die Kosten (angeblich) nur gedeckt, wenn die Artikel nicht auch gleichzeitig offen im Web erscheinen.
@Jakob
Zunächst mal hast du damit recht, daß ein paar Zeitschriften (und übrigens auch 1-2 Berufsverbände, aber das ist ein anderes Thema….) weniger es auch täten, und es wohl auch eher eine Frage der Zeit ist, bis das so eintritt. Ohne daß man deshalb mittelfristig auf Druckwerke wird verzichten müssen. Deine Frage “wo kann ich als Leser schön aufbereitet die interessanten Fachartikel der letzten 2-3 Monate finden?” finde ich sehr gut gestellt. Wenn man das so sieht könnte man sich fragen, ob es nicht ein locker organisiertes Overlay-Journal braucht, in dem relevante Beiträge aus “beiden Welten” (ich meine Blogpost und Aufsätze, seien es eigenständige Papers oder Zeitschriftenartikel) gebündelt werden. Man müßte das so aufziehen, daß sowohl die kontinuierliche Diskussion der Beiträge zentral sichtbar wird, als auch den Lesegewohnheiten eines breiteren Publikums Rechnung getragen wird. Auf das Konzept des Overlay-Journals hat mich übrigens, ebenfalls im Kontext der Diskussion über die Zukunft der bibliothekarischen Fachkommunikation. Heinz Pampel aufmerksam gemacht.
Um auf Grundlage von objektiven Fakten diskutieren zu können, habe ich jetzt eine Bestandsaufnahme von deutschsprachigen Bibliothekszeitschriften und deren Online-Verfügbarkeit angefangen. Unter
http://spreadsheets.google.com/ccc?key=0Aro_DAmC_PbndFItMmpFUjVYUnljTk5FZHYzQW5yOWc&hl=en
kann jeder die Tabelle bearbeiten. Mein erster Eindruck ist, dass es auch positive Beispiele gibt. Die Artikel des Selbstdarstellungsmagazin der SLUB Dresden (BIS) erscheinen Open Access auf dem Institutionellen Repository. Neben der ZfBB (Closed Acess) leider eine der Ausnahmen. Die meisten Zeitschriften gibt es gar nicht online oder nur als eine PDF-Datei auf irgendeinem Server. Meine Wunschliste für alle Zeitschriften:
1. Open Access (d.h. gedruckte Artikel zeitgleich Online verfügbar), 2. einzelne Artikel direkt verlinkbar, möglichst 3. als archivierte Version in einem Repository 4. RSS-Feed über die einzelnen Artikel und Ausgaben und 5. Kommentarfunktion (bei Bedarf moderiert)
6. Möglichst (auch) als HTML veröffentlicht.
Mir war das Konzept der Overlay-Journals bislang nicht bekannt, es klingt aber gut. Wenn man denn auch auf alle Inhalte zugreifen könnte. Sonst ist es eine Art Perlentaucher. Toll, wenn man sich einen Überblick über Diskurse etc. verschaffen möchte. Nach den Printartikeln sucht man wohl nur, wenn das Thema sehr interessiert.
Ein spannendes Konzept. Ich wüsste leider nicht, wo das angesiedelt sein könnte.
@Jakob In die Übersicht gehören auch noch E-LIS, der OPUS-Server von BIB und ggf. weitere Fach-Repositories mit deutschsprachigen Veröffentlichungen, oder?
@Christian Das Overlay-Journal müßte soviel Marktmacht entfalten, daß es die Spielregeln unserer Fachöffentlichkeit hier in D ein wenig verändert. Halte ich für kein zu hoch gegriffenes Ziel. Zur Frage nach Ort und Wer: So dezentral und autonom wie möglich. Wie das genau aussehen könnte weiß ich allerdings auch noch nicht.
Stimmt, den Punkt “HTML” habe ich vergessen. In der Spalte “Open Access” der Tabelle steht, ob Ausgaben und/oder Artikel als PDF und/oder HTML verfügbar sind. Bitte nehmt euch mal 2-3 der Zeitschriften vor und ergänzt die Tabelle um fehlende Angaben, dann bekommen wir einen vollständigen Überblick. Die meisten der Zeitschriften sind auch in DABI indexiert, allerdings erst mit einiger Verzögerung, was den Nutzert stark einschränkt. Ich ergänze also 7. Unterstützung von Ping-Diensten und bibliopgrafischen Metadaten als Microformat, COinS, BibTeX, CSL-Record o.Ä. damit die Daten automatisch von DABI u.A. eingesammelt werden können.
Habe ein paar Sachen in der Tabelle ergänzt. Bitte meldet euch mal bei http://www.sciencefeed.com/journal an, dort haben Heinz und ich für eine Diskussionsrunde vor einigen Monaten noch ein paar möglichweise relevante Ressourcen gesammelt. (Soll keine Aufforderung sein, unsere Diskussion hier da drüben fortzuführen!)
Ich hatte meine eher pragmatischen Gedanken dazu, wie man Internetausdrucker beim Rezipieren von Online-Kommunikation unterstützen könnte, letzte Woche schonmal als Kommentar im Bibcamp-Wiki geäußert: http://bibcamp.pbworks.com/Session-zur-bibliothekarischen-Fachkommunikation
Offenbar hatte ich da auch das Modell Overlay-Journal im Kopf ohne den Begriff bisher zu kennen… Oder eher das Gegenteil davon: Eine Druckausgabe des Webs gegen echtes Geld…
Prinzipiell gibts wohl 2 Möglichkeiten, wenn man von einer sich gegenseitig kaum beeinflussenden Parallelexistenz von Offline- und Online-Welt ausgeht: Man führt die Offline-Welt an die Online-Welt heran, indem man ihr irgendwie klar macht, dass zumindest in manchen Bereichen relevantes nur noch im Netz stattfindet und dort halt andere Publikationsformen als der Fachartikel mit strenger Formgebung vorherrschen. Oder man trägt die Online-Welt irgendwie in die Offline-Welt (primär wahrscheinlich, indem man sie für Google-Verweigerer leicht zugänglich und irgendwie auch “zitierfähig” macht)…
Thematisch sehe ich persönlich Handlungsbedarf vor allem bei “Büchereielektrik”. Mein Gefühl ist, dass in der Fachöffentlichkeit zu wenig wahrgenommen wird,
a) was außerhalb des Bibliothekswesens relevantes für Bibliotheks-IT passiert
b) was außerhalb des deutschsprachigen Bereichs relevantes in Bibliotheks-IT passiert
c) was überhaupt relevantes in Bibliotheks-IT (das sind eben die Dinge, die im Netz stattfinden) passiert.
Ein buntes Wald-Wiesen-Overlay zum gesamten Bibliothekswesen halte ich für wenig sinnvoll. Der Komplexitätsgrad nimmt durch die Themenvielfalt nur zu. Und warum sollten die “gesammelten, bunten Notizen aus dem Web 2.0” spannender sein als irgendeine andere bunte Verbandspostille? Ich denke, thematische Fokussierung kann nur hilfreich sein.
Aus ganz persönlicher Betroffenheit sehe ich halt vor allem im Technikbereich Handlungsbedarf. Und da steht tatsächlich fast alles im Netz, allerdings überwiegend nicht in klassischer Artikelform (die ist aber vielleicht auch am sterben, zumindest in eher praktisch orientieren Bereichen?)… Fachliche Diskussionen finden heute halt nicht mehr in Artikelform statt, sondern z.B. bei Google Groups (z.B. ILS-DI). Bekommt man das in ein Overlay-Journal? Falls ja, wer machts/macht mit? Außer Webspace und ggf. einem Drucker braucht man ja vor allem personelle Ressourcen (Community :-)…
Zusammenfassung des ausschweifenden Geschreibsels oben: Ich sehe verschiedene Problembereiche, die man angehen müsste:
– Transfer Online nach Offline oder Offline nach Online?
– stärkere thematische Fokussierung?
– Umgang mit “traditionell” unterschiedlichen Kommunikationsgewohnheiten offline/online (offline: formalere Form (Fachartikel), online: diskussionsorientiert, vernetzter, hypermedial, weniger formal)
@Lambert: Ich sehe E-LIS und andere Repositories eher als Speicherorte denn als Publikationsorte, aber das lässt sich diskutieren. Dazu gehören in jedem Fall Proceedings wie sie u.A. auf dem OPUS-Server liegen.
@alle: Die Idee eines Overlay-Journals ist sicher richtig wobei wahrscheinlich jeder etwas anderes darunter versteht.Man kann ja klein mit “Meine/Unsere 5 subjektiv interessantesten Artikel in deutschsprachigen Bibliothekszeitschriften des letzten Vierteljahr” anfangen solange etwas konsistenz erkennbar ist (z.B. Fokussierung auf ein Thema). Das andere Ende des Aufwands ist ein gemeinsamer Overlay-Peer-Review-Prozess wo von mehreren Fachleuten und der Community Artikel aus unterschiedlichen Quellen (Fachzeitschriften, Blogs, Abschlussarbeiten etc.) ausgewählt werden. Es sollte wie Till bemerkte nur nicht zu beliebig werden, sowohl vom Thema als auch von den begutachteten Quellen als auch beim Kreis der Begutachter.
@till: Ich denke zu nicht rein digitaler Biblioteks-IT (z.B. Verbuchungsautomaten) findet sich eher was in ABI Technik als in der Blogosphäre. Das Problem ist nur, dass sich die ABI Technik nicht leisten kann, auch mal kritisch zu berichten und vornehmlich über das berichtet wird, wo Hersteller ein Interesse an der (positiven) Berichterstattung haben. Ich denke da nicht nur an die Berichterstattung über Produkte wie Primo, die in Blogs doch schon ziemlich anders aussieht als in Fachzeitschriften 😉
Wo jetzt schon die Sitten & Bräuche des Publizierens angeschnitten worden sind, auch dazu noch ein Gedanke von mir.
Unheimlich viel Kreativität geht dadurch verloren, daß Leute ihre Abschlußarbeiten quasi als geschlossenen Brief an ihren Gutachter betrachten, und danach nie wieder aktiv an der Fachöffentlichkeit partizipieren. Eine große Aufgabe sehe ich darin, die vielen AbsolventInnen mit coolen Ideen und Beobachtungen dazu zu bringen, das Thema ihrer Abschlußarbeit (oder natürlich auch andere Themen, klar) auf ein Aufsatz-Format runterzubrechen und es Open-Access zu veröffentlichen. Das kann die fachliche Autoren-Community sowohl quantitativ als auch qualitativ nur voranbringen. (Qualitativ deshalb, weil mehr AutorInnen z.B. auch zu mehr Spezialthemen und mehr gegenseitiger Kritik führen könnten.) Und dieses Ermutigen und Vernetzen fände ich übrigens auch wichtiger als ein Selektions- oder Peer-Review-Prozess für bereits Veröffentlichtes.
Schön zu sehen, dass das Thema viele Köpfe beschäftigt.
Lambert und ich diskutieren das Thema “Gründung/Migration/Weiterentwicklung eines informationswissenschaftlichen Open-Access-Journal” seit längerem. (Lambert, wir sollten unsere bisherigen Überlegungen jetzt mal schriftlich festhalten.)
Unsere Ideen haben wir bisher mit mehreren Personen diskutiert. Das größte Interesse fand bisher die Idee des Overlay-Journals.
Aus meiner Sicht sollte ein solches Journal-Projekt insbesondere drei Punkte berücksichtigen:
– Form: Weg vom Papier.
– Zugang: Quellenmaterial („Forschungsdaten“) zugänglich machen.
– Transparenz (und Qualität): Auswahlverfahren und andere Prozesse durchschaubar machen.
@Jakob: Zum Thema Auswahl. mal provokativ: Den Prozess der Auswahl an Beiträgen könnte man doch crowdsourcen. Als ein Faktor vielleicht einfach die 10 am meisten retweeteten Blogartikel? Oder die am meisten verlinkten? Oder… Oder halt explizit abstimmen?
Wenn man die klassischen Papierzeitschriften vorwirft, auch so klassisch zu sein, weil ihre Auswahlprozesse klassisch geprägt/besetzt sind, warum sollte das bei was Neuem anders sein? Wenn man das Bibcamp zur fachlichen Auswahl beruft, ist auch klar, was herauskommt, oder? Ist nicht vielleicht auch eines dieser Kommunikationsprobleme, über die wir hier diskutieren, die unterschiedliche Auffassung davon, wer die Fachleute sind?
Bei Fachtagungen ist das ja auch zu beobachten (s. auch die Kritik am Programm des letzten Leipziger Kongresses für Information und Bibliothek).
Bei der code4lib Konferenz bestimmen die Teilnehmer im Vorfeld das Programm, entsprechend gut wird es angenommen. Aber eben von jenen, die das eh für eine gute Veranstaltung halten… Ob man das so “bottom up” bei einem diversifizierteren Publikum (und um diesen Brückenbau scheints hier ja die ganze Zeit zu gehen) hinbekommt, wäre ein Experiment.
@Heinz Du hast recht – diese Diskussion sollte uns Anlass sein, die fällige Zwischenbilanz zur Diskussion im März zu liefern.
@All Gibt es Interesse an einem Arbeitsfrühstück zum Thema Overlay-Journal-Gründungsprojekt an einem Samstag oder Sonntag in Hannover? Das liegt ja bekanntlich in der goldenen Mitte zwischen Hamburg, Göttingen, Berlin und anderen bibliothekarisch relevanten Städen der Republik! 🙂
Prima Diskussion und Ideen bisher 🙂
Ich möchte auf einen weiteren Punkt hinweisen: die Sprache. Wir habe nicht nur das Problem der Übersetzung von online zu offline und vice versa. Viele aktuelle Entwicklungen und Gedanken werden im Web auf Englisch beschrieben und diskutiert. Für die Jüngeren ist das zumeist kein Thema (weil Schul-/Studiumsenglisch noch sehr präsent), aber für die älteren KollegInnen kann das durchaus eine Hürde sein.
@heinz sowas in der art gabs ja schonmal. Die review of information science vom hochschulverband informationswissenschaft, wesentlich gepusht von kuhlen. Kläglich gescheitert… War vielleicht 15 jahre zu früh…
@till: Kannte ich nicht. Danke für den Hinweis!
@lambert: Frühstück: Gerne.
Apropos RIS: Die Originalseiten der Zeitschrift gabs noch lange nach dem Einstellen des Erscheinens, leider sind sie mittlerweile verschwunden. Aber das Internet Archive hilft und hat den letzten Zustand aus 2008 (eigentlich müsste es sowas ja in einer Bibliothek geben, gell?): http://web.archive.org/web/20080511064101/http://www.inf-wiss.uni-konstanz.de/RIS/
Die ZDB scheint diesen frühen Versuch einer Fachzeitschrift im Web auch nicht zu kennen (obwohl die RIS sogar eine ISSN hatte).
Und damals gab die RIS (bzw. das, was davon übrig blieb) auch noch Stoff für eine Diss. her: http://gso.gbv.de/DB=2.1/PPNSET?PPN=254309070 bzw. http://www.dwv-net.de/neu1.htm (leider wohl nicht per Web zugänglich). Könnte sein, dass da manches drinsteht, was auch in diesem Thread schon geäußert wurde. Letztendlich liest sich manches um die RIS wie manche Argumente hier…
Nach meinem Eindruck als kleiner Student damals, scheiterte die RIS auch an ihrem Anspruch. Sie sollte eine hochwertige, aktuelle, forschungsorientierte informations*wissenschaftliche* Zeitschrift sein, und vor allem nicht mehr auf dem altmodischen Papier erscheinen wie die anderen Käseblätter. Wir haben verstanden, und so… Autoren suchte man zunächst vor allem innerhalb des Hochschulverbandes Informationswissenschaft, klar, das war die Community. Nun hat diese Community aber noch nie wirklich viel publiziert, die war immer mit Lehre gut ausgelastet, für tolle Forschung blieb wenig Zeit und publiziert hat man die in den eingefahrenen Wegen (zumal die Leute ja oft aus anderen Gebieten kamen, in denen es andere eingefahrene Publikationsmöglichkeiten gab, z.B. im Information Retrieval). Und es herrschte damals auch in der Informationswissenschaft eine gewisse Skepsis gegenüber dem Web (wie Markus Trapp es neulich formulierte: “Das geht ja wieder weg…”), bzw. wenn nicht, dann gegenüber der Sinnhaftigkeit des Vorhabens, eine klassische Publikationsform wie die Fachzeitschrift dahin in dieser Form zu retten (denen war die RIS zu wenig revolutionär)… Schlicht, es wollte wohl keiner was für das neue Blättchen schreiben, zumindest nichts, was den Anforderungen genügt hätte…
Ob das 15 Jahre später anders wäre? Vielleicht kann man was lernen aus der kurzen Geschichte der RIS? Vielleicht war es aber auch schlicht zu früh?
Ehrenrettung der ZDB: Die RIS ist dort doch verzeichnet: http://dispatch.opac.d-nb.de/DB=1.1/PPNSET?PPN=018454402
Hochinteressante Diskussion hier. Meine 2 Ct: Die Frage ist, wie man offline-Menschen vom Wert des Online überzeugt. Die Antwort sollte sein, dass man Ihnen die Informationen auf einem Silbertablett serviert, zusammen gefasst etwa in einer Zeitschrift, die es auch online gibt.
Meine Erfahrung mit neuen Kommunikationskanälen ist, dass es grundsätzlich Anfangshürden gibt. Ich besorge mir irgendwo einen Account oder installiere einen Feedreader. Nun ist das erstmal sehr leer. Ein, zwei Tipps habe ich bekommen und subscribiere die entsprechenden Feeds bzw folge irgendwelchen Leuten. Wenn das dann nicht dazu führt, dass ich mich überwinde, regelmäßig reinzuschauen, obwohl mangels Masse erstmal kaum was dabei rum kommt; und wenn das dann nicht dazu führt, dass ich meinen virtuellen Kreis in diesem Kommunikationskanal langsam erweitere, ist aus die Maus. Dann wird der Feedreader nicht mehr gestartet, weil man auf die 1000 spon-Artikel auch keinen Bock mehr hat, wenn es quasi die einzigen sind.
In diesem Moment stellt sich für mich heraus, ob so etwas funktioniert. Google Wave funktioniert bei mir nicht, da hat es nicht geklappt. Twitter funktioniert, Facebook so eben auch, Feeds sowieso schon lange. Ich habe das Gefühl alles wesentliche mitzubekommen, anders formuliert “Wichtige Information erreicht mich” (Zitat Hätscher, inetbib-Tagung). Aber wie kann ich jemandem, der für die Anfangshürde “keine Zeit” hat, erklären, dass der Mehrwert erst hinter dem Hügel aka Anfangshürde erscheint? Ist eine Zeitschrift mit dem Best-of-online eine Methode?
Ich meine Ja, weil sie Interesse wecken kann. Ich meine Nein, weil es eine unglaubliche Arbeit ist, die im Endeffekt die Offliner dauerhaft davon abhält, sich selber über den Hügel zu bemühen. Und Nein, weil die kleine Menge an interessanter Information sehr subjektiv ist und große Kanäle wie inetbib und netbib inzwischen vielen viel zu beliebig geworden sind.
Nach diesem negativen Fazit müsste eigentlich ein eigener Vorschlag kommen, wie man es besser machen könnte. Enttäuschung: Habe keinen.
Die Idee eines Overlay-Journals finde ich gut, möchte aber da auch auf ein Argument hinweisen, das Edlef Stabenau während des Bibcamps nannte und welches auch meinen Erfahrungen entspricht: Viele Bibliothekare sind immer noch papierzentriert, d.h. wenn überhaupt Fortbildung in lesender Form betrieben wird, geschieht dies häufig mit gedruckten Medien. In denen wird auf Online-Angebote nur “sporadisch” wenn überhaupt hingewiesen. Ein weiteres reines Online-Journal würde wieder nur jene erreichen, die sowieso webaffine arbeiten. Daher halte ich es für sinnvoll, on demand eine gedruckte Ausgabe anzubieten oder entsprechende Angebote zusätzlich in bereits gedruckten Zeitschriften zu verankern.
Meine 2 Cents:
Ich werde dem BIB nicht beitreten, solange BuB (das ich im Übrigen mag, eben weil es ein bisschen “postilliger” ist) nicht Open Access ist. Hier ist der Berufsverband gefragt, Zähne zu zeigen. Ich kann mir aber vorstellen, dass der Berufsverband sich aber zum Beispiel hinsichtlich einer Einführung der sozialen Funktionen beim eigenen Repository nicht widersetzen wird. Dann könnte man ja mal ausprobieren, ob und wie das genutzt wird.
Was das Overlay-Journal angeht: Ich glaube nicht, dass man damit die Leute erreicht, die auf der anderen Spalte des Digital Divide stehen (also die, die hier nicht mitlesen). Das würde dann eher eine Publikation für die Bibliothek 2.0-Community.
@Silvia: Ich glaube, dass auch Jüngere nicht unbedingt gern englische Fachliteratur lesen. Statt Overlay-Journal lieber so eine Art “Reader’s Digest” mit Übersetzungen der besten Blogbeiträge etc. machen?
Was ich aber grundsätzlich glaube: Die Glaubwürdigkeit von Overlay-Journal oder Reader’s Digest wären wirklich schlecht, weil ich denke, dass die KollegInnen die Bedeutung bzw. Übertragbarkeit von Erkenntnissen jenseits der eigenen Fachwelt bzw. aus dem Ausland per se anzweifeln. Oder sich zumindest hinter den Zweifeln verstecken. Über einen ganz wichtigen Hemmschuh für die Akzeptanz der Berichterstattung (egal ob closed oder open access) haben wir in Hannover gesprochen: Die fehlende Ehrlichkeit in vielen Praxisberichten, die Konzentration auf Erfolgsmeldungen, die Scheu davor, auch mal über gescheiterte Ideen zu sprechen. In einer Zeit, wo innovative Bibliotheksdienste in der Regel aus (Drittmittel-)Projekten stammen, über die dann naturgemäß schönfärberisch geredet werden muss, ist es glaube ich für das Gros der KollegInnen schwer, die in der Sache selbst als abgehoben wahrgenommenen Ideen auf ihre eigene Berufswirklichkeit zu übertragen.
In den letzten Beiträgen der Debatte hier ging es ja vor allem um diesen digitalen Graben – eine wichtige Frage. Ich finde zwar, das für so eine Overlay-Journal noch andere Gründe sprächen, aber wenn man über den Graben hinauskäme ware das natürlich besonders toll. Aber wie sieht dieser Graben genau aus, bzw. wo verläuft er? Die vorherrschende Meinung scheint hier zu sein, daß wir es mit einem einzigen großen Graben zwischen Offlinern und Onlinern zu tun haben. Okay: KollegInnen, die wirklich strikte Offliner sind und sich E-Mails notfalls von Kollegen ausdrucken lassen – die mag es auch (noch) geben, aber ich vermute daß der entscheidende Unterschied heute woanders liegt. Peter Kruse hat auf der letzten re:publica die Unterscheidung zwischen Netzbewohnern und Netzbesuchern verwendet. Da liegt für mich der Hase begraben. Optimisc hat es ja in seinem obigen Beitrag erwähnt: Sowas wie Feedreader, also daß man Web-Tools verwendet, um mittelbar ganz gezielt andere Webmedien filtern und besser konsumieren zu können – das ist eine typische Stelle, an der “Netzbesucher” aussteigen bzw. gar nicht erst einsteigen. Ein Hinweis darauf ist die große Gemeinde der Inetbib-Abonnenten – ein Vielfaches der Auflage mancher gedruckter Fachzeitschrift. (Vgl. die Google-Tabelle von Jakob Voß weiter oben.) Ein weiterer Hinweis sind die hohen Abonnentenzahlen des netbib-E-Mail-Newsletters. (Edlef, korrigier mich, wenn ich da falsch liege.) Noch ein Hinweis ist, daß ausweislich der letzten Google-Analytics-Daten von netbib, die ich kenne (ist mittlerweile auch schon ca. zwei Jahre her) mehrere tausend (!) Leute mehrmals im Monat gezielt netbib aufsuchen. Also, wohlgemerkt – von denen benutzt nur eine verschwindende Minderheit Feedreader, und Facebook, Twitter etc. haben vor zwei Jahren auch noch keine Rolle gespielt. Nein: Das sind tausende Leute, die sich offenbar alle ein, zwei Wochen hinsetzen und “log.netbib.de” in die Adresszeile ihres Browsers eintippen!
Was ich damit sagen will: Es gibt nicht nur die 200 oder 300 engagierten Onliner, die Feedreader etc. benutzen, sich in Kommentarspalten wie dieser, auf Inetbib-Konferenzen und auf BibCamps tummeln, und daneben den großen Rest der “Offliner”! Sondern es gibt wirklich viele KollegInnen, die ich als interessierte Netzbesucher bezeichnen würde. Das wäre m.E. eine Zielgruppe für eine irgendwie gründliches vorstrukturiertes, übersichtliches, gut konsumierbares Overlay-Journal – auch wenn’s wieder ein reines Online-Medium wäre.
@Anne
trete doch dem BIB bei, engagiere Dich und ändere es!
Wer Einblick in die BIB-Bilanzen nimmt kann sehen, das BIB mit BuB Geld verdient. Ein Gros der Mitglieder ist überhaupt dabei, weil es dieses “postillige” Blättchen gibt – ein nicht zu vernachlässigender Return on Invest. Zudem gibt es auch mehrere u.a. rechtliche Gründe, warum es bei BuB Online keine Bilder gibt.
Es gab neulich eine Aussage beim BID, dass der “Bibliotheksdienst” oft nur aus Fürsorge noch abonniert sei. Das BIB z.B. die Bibliojobs übernommen hat, war auch der Realität geschuldet, das mit Stellenanzeigen kein Geld mehr verdient werden kann. Die Mitglieder bezahlen nun einen Dienst für Alle – der Bibliotheksdienst hatte da ein anderes Geschäftsmodell.
Ich halte es für wichtig, das die dauerhafte Betreuung von Overlay-Journals finanziell gesichert ist – bezahlte Redakteure, die die Betreuung übernehmen damit es so zuverlässig ist wie bei gedruckten Publikationen. Der populäre Zeitungsmarkt steht genau vor dem Problem. Nur Bild und SPON spielen die Kosten wieder ein. Wieso sollte ich nicht auch ein Overlay-Journal kostenpflichtig abonnieren? Open Access natürlich für Mitglieder, die mit Ihren Beiträgen diesen Dienst ermöglichen – in meinen Augen widerspricht sich das nicht, andere Branchendienste und Reporte arbeiten genaus so. Nur, würde es angenommen von den Offlinern? Muß man dazu erst das Papier einstellen?
Dann wäre es auch möglich nicht nur über Best Praktice zu reden und nur das schöne nach vorne zu kehren, sondern auch mal Worst Case zu probieren. Das ist aber im deutschen öden Dienst noch ein echtes Tabu (mit dem ich gerne breche).
Wenn Ilona noch bis hier mitliest werden somit zwei Kommissionsvorsitzende bei den nächsten (ganz realen) Treffen versuchen die Denkanstöße zu impulsieren. Leider braucht es noch die reale ehrenamtliche Mitarbeit um auch in der virtuellen Welt voran zu kommen.
Je mehr Zähne wir haben desto bissiger können wir sein.
@gerald: “Wenn Ilona noch bis hier mitliest …
Ja, tut sie, klarer Fall.
Habe Deinen (und auch meinen) gewünschten Denkanstoß bereits heute morgen kurz entschlossen via interner Mailingliste in den BIB hinein gegeben (da warte ich doch nicht erst bis zur Herbst-VA!)
Am großen “D” wie in “Deinen” sieht man hier noch die Traditionalistin, die ich (auch) bin. Ja, ich brauche meine Papier-BuB, ja, ich bin außerdem eine höchst interessierte Online-Besucherin, und nein, ich setze nicht allzu viele Feeds & Co., um mich selbst vor zu viel Info zu schützen. Selbst Querlesen kostet Zeit und Konzentration.
Ich mag es zudem, je nach akutem Themeninteresse (berufsbedingt sehr verschiedene) punktuell nach Informationen im Netz zu stöbern, über manches auch zu stolpern und überrascht zu werden. Ich weiß auch, dass ich manches gezielter abonnieren könnte und es eine Fülle von Möglichkeiten gäbe, die Fülle von Möglichkeiten einzugrenzen.
Lambert, auf Deine Kommentare würde ich zu gerne näher eingehen. Vieles davon spricht mir aus der Seele. Ich glaube auch, dass es derzeit keine sooo tiefen Gräben mehr gibt zwischen On- und Offline, kein ent- oder -weder, sondern viel mehr ein “sowohl als auch” unter uns Bibliothekswesen.
Es wird mehr geben wie ich, die sich als Wandlerin zwischen den Welten sehen, denn immerhin gehöre ich zu den geburtenstarken, “mittelalterlichen” Jahrgängen. Wir kommunizieren und informieren uns (und die anderen) zum einen “nach hinten”, also von und zu älteren Menschen, die gerade mal einen E-Mail-Verkehr akzeptieren. Ein Beispiel: 1/3 aller kirchlichen ehrenamtlichen BibliothekarInnen in Oberfranken haben keine E-Mail-Adresse, wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe. Bei einem Vortrag vor 150 dienstbaren Geistern war die Mehrzahl empört, als ich ihnen Web 2.0 als eine Art der Öffentlichkeitsarbeit ans Herz legte. Was Web 2.0 wäre, musste ich natürlich auch erst noch erklären. Und das war KEINE alte Dame, die das frug!
Und zum anderen nach vorne, also mit “fitteren” aus unserem Jahrgang und mit Jüngeren. Die ziehen mich glücklicherweise mit. Doch deren Online-Arbeitsweise kann ich leider auch nicht immer sofort folgen, vielleicht, weil ich durch das Versorgen der Älteren mit traditionellen Methoden wohl noch so viel Zeit brauche, die mir fürs eigene Aufschlauen dann fehlt.
Ein Beispiel: wie lange hat es gedauert, bis unsere Verbandskolleginnen und -kollegen gedoodelt haben? Die eingerichteten Wikis werden immer noch stoisch links liegen gelassen, allenfalls passiv besucht. Ein Mind Map ist geboren worden, ein paar haben sich angemeldet, doch davon arbeiten die wenigsten tatsächlich damit. Wir haben es hier mit Menschen aller Altersgruppen und Berufssparten zu tun, die aktive Ehrenamtsarbeit – und sehr gute! – betreiben. Und doch ist nur ein Bruchteil bereit oder hat genügend Zeit, Neues zu lernen. Mich eingeschlossen – und ich lerne gern, schnell und freudig.
Noch ein Gedanke: einiges, was ich in den Kommentaren gelesen habe, konnte ich nicht sofort einordnen. Abkürzungen werden nicht aufgelöst und mit dem Online-Sprachmodus (oder wie ich das nennen soll), tu ich mich zugegebenermaßen auch manchmal schwer. Und genau deshalb liebe ich die gute, alte Papierausgabe mit journalistischen Regeln der alten Schule. Da fühle mich mich gut geführt und selten so abgehängt, wie es mir oft genug online geht. Ich will ja gerne dazu lernen, doch in der Geschwindigkeit, wie es heute passiert, … also, eine Papierpause tut dann immer wieder mal gut.
Statt vieler Antworten auf viele Kommentare hier nur einer, doch der dafür lang und spontan “by heart”.
Grüße an die Runde hier, die mich schwer begeistert! (Frühstücken würde ich übrigens gerne mit in Hannnover!)
“Antwort also: Ja, meines Erachtens kann eine Fachzeitschrift dabei helfen, Weblogs bekannt und anerkannt werden zu lassen. So wir uns ihrer selbst und bewusst bedienen.” (Ilona Munique, Beitrag 5)
Da stimme ich zu! Die Zeitschriftenleser bringt man so auf die Idee, dass es noch mehr gibt. Sie probieren es eventuell auch aus und finden es gut oder nicht. Vielleicht wäre eine Rubrik in der BuB über z.B. fünf interessante Blogbeiträge des letzten Monats (o.ä.) eine zusätzlich Möglichkeit das Interesse zu wecken.
Eine extra Zeitschrift, die mit Kosten verbunden ist, halte ich dagegen überhaupt nicht für sinnvoll. Nicht mal in Bibliotheken ist es bei der Finanzlage einfach, eine neue Zeitschrift zu abonnieren und Privatpersonen überlegen sich so etwas auch gut. Schade um die Mühe! Dann schon lieber etwas nutzen, das es eh schon gelesen wird.
Was könnte man noch tun?! Eventuell in bibliothekseigenen Intranets oder Wikis auf interessante Blogs bzw. Beiträge verlinken oder mal in Beratungen anbringen, was man Neues gelesen hat und eben auch wo.
@Ilona Munique: Danke für den mutigen Kommentar! Interessant fand ich den (für mich) empfundenen Widerspruch zwischen
a) “ich setze nicht allzu viele Feeds & Co., um mich selbst vor zu viel Info zu schützen. Selbst Querlesen kostet Zeit und Konzentration.”
und
b) “Ein Beispiel: wie lange hat es gedauert, bis unsere Verbandskolleginnen und -kollegen gedoodelt haben? [… Wikis… etc]”
Einen Widerspruch sehe ich darin insofern, als dass meines Erachtens das Lesen von Blogs (u.a.) oder anders gesagt das persönliche Zusammenstellen von Informationskanälen zu einer Kompetenz führt, die einem die Nutzung von Doodle & Co erst aufzeigt. Wenn so ein Tool von für mich relevanten Personen genannt wird, probiere ich es aus.
Ja, Querlesen kostet Zeit. Meines Erachten ist das Gefühl, gut informiert zu sein, diese Zeit aber wert. Würde ein Overlay-Journal (online!) die Querlesen-Zeit sparen und den gleichen Nutzen bringen?
Nun konnte die Diskussion doch eine Weile sacken, viele Gedanken wurden gewälzt, leider kann nicht jeder Strang kann verfolgt werden. Zu einem grundlegenden Gedanken will ich mich noch einmal näher auslassen:
Lambert / 12
… relevante Beiträge aus “beiden Welten” (ich meine Blogpost und Aufsätze, seien es eigenständige Papers oder Zeitschriftenartikel) gebündelt werden.
Lambert / 8
… dauerhafte, strukturelle Vermischung der traditionellen mit den neuen Fachmedien.
Täusche ich mich, oder passiert das nicht jetzt auch schon?
Blogpost und Weblogs bzw. Aufsätze, so sie passabel geschrieben sind (inzwischen bemüht man sich auch online, anders als in den Anfängen, um eine gute Schreibe), und so sie relevant-interessant-bahnbrechend-mehrwertig etc. sind, finden – hoffentlich immer mehr – zumindest als Fußnote Eingang in einer Fachzeitschrift. Und, wie gerade geschehen, sogar als Gegenstand eines Artikels.
Andererseits – findet sich ein Print-Beitrag mit oben genannten Attributen, so weist man doch gerne auch im Weblog darauf hin.
So weit, so gegenseitig befruchtend.
Lambert 8:
> Da sind aber unter anderem die Open-Access-feindlichen Geschäftsmodelle davor.
Vielleicht liegt tatsächlich hier der Hase im Pfeffer.
Das Aufeinander-Verweisen zwischen Online-Offline kann nie zeitgleich geschehen. Ein viertel Jahr von Print-Redaktionsschluss bis Auslieferung ist heute viel(en) zu lange. Die Zeit-Diskrepanz ist im Zeitalter von Twitter zu hoch.
Und während ich online sofort auf einen Printartikel reagieren kann (ihn dummerweise oft jedoch nicht verlinken), kann die Fachzeitschrift nicht sofort auf einen Online-Artikel reagieren (was zugegebenermaßen nicht immer verkehrt ist ;-).
Also ein gegenseitiges Filtersystem, das fast schon wieder als genial bezeichnet werden könnte.
Die Informationsbeschaffung auf kurz-, mittel- und langfristigem Wege (Blog-Zeitschrift-Buch) liegt mir jedenfalls sehr, die ich auch nicht immer kurz-, eher mittel- und gerne auch langfristig denken und arbeiten kann. Recherchieren und diskutieren online, vertiefend lesen und zusammenfassen offline – das wär’s (und ist es auch oft).
Ich zolle der Redaktion von BuB jedenfalls großen Respekt, da sie jeden Monat aufs Neue versucht, Teil einer großen Community zu sein, die über beinahe alle bibliothekarischen Generationen, Sparten und Themen hinweg reicht, und das ohne im Gestrigen zu verbleiben oder jedem Hype aufzulaufen.
Und es ist doch auch erstaunlich, wie wendig sie ist: wie häufig lesen wir dort Erhellendes von ausgesprochenen Printautoren, sagen wir mal: Konrad Umlauf, und ebenso von ausgesprochenen Online-Autoren, wie Jürgen Plieninger.
Auf der Plattform BuB treffe ich sie alle beide an – und das ist gut so!
P.S.: (Was setze ich stellvertretend für die Weiblichkeit ein?)
@optimisc Nr. 39:
“Ich bin kein ausgeklügelt Buch, ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch” (Conrad F. Meyer).
Den Widerspruch gut bemerkt! Ein wenig kann ich es aber auflösen.
Den überwiegenden Anteil an Web 2.0-Tools habe ich nicht online oder über Weblogs entdeckt, sondern über Menschen, die mich damit konfrontiert hatten. Online habe ich sie eher “wieder entdeckt”.
Inzwischen gehe ich auch so vor: googeln für den groben Überblick, Jürgen & Co’s OPL-Checklisten für das weitere Aussortieren, feineres Eingrenzen durch die gereifte Erkenntnis aus dem, was alles möglich ist und dem, was ich wirklich brauche und mir genügend erscheint, und das Feintuning durch Ausprobieren. Und dann gebe ich diese Erkenntnis weiter und helfe hoffentlich anderen damit, sich Zeit zu sparen.
Ich geniere mich nicht, zuzugeben, dass ich die mühselig gewordenen Erkenntnisse anderer nutze, um selbst Zeit zu sparen. Ich würde mich jedoch genieren, wenn ich ständig mit Arbeitsumgebungen konfrontiert werden würde und sie ablehne, weil ich schlicht damit rechne, dass mir andere bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag alles nachtragen werden.
Ja, auch hier bin ich widersprüchlich. Doch, ich geniere mich, zuzugeben, dass ich hartnäckige SMS-Verweigerin bin und mich mit Twitter nicht Duze. Das dient mir nicht richtig zum “echten” Arbeiten und ich empfinde es eher als Hintergrundrauschen. Aber ich habe als eine der ersten einen Web’n’Walkstick zum Bibliothekartag mitgebracht, um über den Fortbildungskalender zu beraten, oder um ein mehr persönliches Beispiel zu nennen, arbeite seit 1996 nur auf Mac, weil’s einfach und genial ist, obwohl er damals totgesagt wurde (die bekanntlich länger leben).
Hm, dieses Widersprüchliche und absolut Subjekthaftige findet sich wohl auch in den Für und Wider von Print und Online – ganz sicher nicht nur bei mir.
Ich bin auch eher so ein Netzbesucher. Und die Idee eines Netzjournals finde ich gut. Da könnte ich dann auf einen Blick sehen, was sich in Weblogs zu lesen lohnt.
Ich denke auch dass wir es weniger mit Online vs. Offline zu tun haben als mit verschiedenen Nutzungen der Fachkommunikation (zur Fortbildung, Mitteilung, Unterhaltung…). Je nach Ziel wird dabei auf unterschiedliche Medien zurückgegriffen wobei sich insgesamt immer mehr zu Onlinemedien verschiebt. Dummerweise erwecken viele Medien den Anschein, alles zu leisten anstatt gezielt auf andere Medien zu verweisen. Sowohl Blogs als auch “Fach”zeitschriften bleiben oft ein Sammelsurium von Inhalten unterschiedlicher Qualität. Dabei ermöglicht das Prinzip Overlay (auch bekannt als “Mashup”) es zum Beispiel alle Veranstaltungshinweise und Tagungsberichte in einem Medium zusammenzufassen.
Da ist man mal ein paar Tage nicht online und schon geht hier die Post ab. Super, dann mal ein bißchen Senf von meiner Seite zu verschiedenen Punkten.
Ich entdecke in dieser Diskussion zwei Tendenzen.
1. Wir brauchen ein Online-Angebot, in dem alles mögliche zusammegefasst wird, auf welche Weise auch immer.
2. Wir brauchen ein Print-Angebot, in dem … siehe oben.
Mein Senf: Kein Printangebot. Ich habe eindeutig keinen erzieherischen Auftrag für das Bibliothekswesen. Wer sich nicht aufrafft und Online-Angebote prinzipiell nicht annehmen möchte, ist für mich mittelfristig für den fachlichen Diskurs verloren. Ob ich da Pech habe oder die Print-Autoren, sei dahingestellt.
Um es ganz klar zu sagen: Ich sehe mich und auch niemanden sonst in der Pflicht, Online-Verweigerern Blogartikel auszudrucken und hinterher zu tragen. Da stimme ich Optimisc vollkommen zu, wenn er zu der Frage, ob ein Online-Zweitverwertungsjournal in Printform sinnvoll wäre, schreibt:
@till
Die dafür kritische Masse an Tweets wird zumindest momentan nicht erreicht. Das heißt, man könnte seinen eigenen Artikel durch 1-2 Tweets problemlos an die Spitze hieven. Selbst wenn man mehrere Dienste (Delicious, Blogs, wasauchimmer) in das Ranking mit einbezieht, kann sich jedeR SelbstdarstellerIn ohne ernsthaften Aufwand beständig profilieren.
Mir schwebte auch kurz ein bibliothekarisches Digg vor. Aber die Community ist zu inaktiv, als das sinnvolle Ergebnisse zu erwarten wären.
Sehr spannend in diesem Zusammenhang finde ich übrigens den letzten Kommentar von Jakob. Ein Mashup mit Veranstaltungshinweisen wäre ein richtig guter erster Schritt in Richtung online-aktiver Bibliotheksgemeinde. Was brauchen wir dazu? Nicht viel. Die Hauptveranstalter müssten ihre Veranstaltungshinweise maschinenlesbar im Web publizieren, die entsprechenden Seiten regelmäßig gecrawlt und aufbereitet werden.
Im Prinzip wünsche ich mir für den deutschsprachigen Raum so etwas wie das Library Journal, in dem verschiedene Blogs von exponierten und/oder fachlich besonders interessanten Bibliothekswesen untergebracht sein können. Dazu ein paar Original-Artikel, ein biblioblogistischer Perlentaucher, Hinweise auf spannende Artikel in verschiedenen Kategorien…
Vielleicht kann es auch ganz anders aussehen, aber so etwas könnte funktionieren. Wie das genau aussehen soll, und wer es betreiben könnte, ist natürlich eine spannende Frage.
Ich habe den Link zur Fachzeitschriften-Tabelle mal auf Inetbib bekannt gemacht (*duck-und-weglauf* 😉 Je mehr ich darüber nachdenke, desto sinnvoller scheint es mir, die “Datenbank Deutsches Bibliothekswesen (DABI)” so auszubauen, dass etwas wie die “DBLP Computer Science Bibliography” herauskommt – nur halt mit Fokus auf dem deutschsprachigen Bibliothekswesen und ohne wissenschaftlichen Anspruch. Wenn wir es irgendwie hinbekommen, dass DABI aktueller ist als jetzt (scheinbar laufen die Updates eher jahresweise) könnte man das gut mit dem Planet Biblioblog kombinieren und erhält so eine übersicht über den deutschsprachigen Diskurs.
@CH Natürlich brauchen wir irgendein Printangebot — wie wollen Sie denn sonst die Nonliner über die neuesten Entwicklungen im Online-Bereich informieren?
Das Ziel eines neu zu schaffenden Mediums soll es sein, in kürzester Zeit relevante, aktuelle Informationen aus digitalen und Printmedien des weitgefaßten Themenkreises “Bibliothek/Information” erfassen zu können.
Ich denke die Publikationsform und Ausgestaltung eines solchen Mediums muss sich an der Zielgruppe orientieren. Wir müssen also zunächst diskutieren welche Zielgruppe erreicht werden soll.
Die “Netzbewohner” brauchen dieses Medium nicht, sie sind so gut organisiert, dass “wichtige Information sie erreicht”(s.o.). Für “Netzbesucher” wäre ein solches Medium sehr nützlich, vorausgestzt es bedient sich nicht nur einer geheimen Online-Sprache(Dank an Ilona Munique). Möchte man die Netzfürchter einbeziehen, kommt man um eine Brücke ins Printuniversum nicht herum.
@CH
Diskussionen wie diese stoßen wichtige Entwicklungen an. Veränderungen in der bibliothekarischen Realtät finden aber nur statt, wenn möglichst viele Kollegen teilhaben (können).
@Heike
Möglichst viele != alle. Wir können nicht alle erreichen. Ich bin immer dabei, wenn es darin geht, Überzeugungsarbeit zu leisten. Hartnäckigen Verweigerern etwas hinterher zu tragen, halte ich aber für ineffizient.
Ich finde die Idee, in Printmedien für Onlinemedien zu werben durchaus gut. Nur ist es nicht *mein* Ziel, es dabei zu belassen. Mittelfristig möchte ich Online-Kommunikation. Kurzfristig wäre es schon mal ganz nett, wenn die Printjournals wenigstens RSS-Feeds ihrer Artikel anbieten könnten, damit man auch ohne Mitgliedschaft in irgendwelchen Vereinen mitbekommt, worüber diskutiert wird.
Ich frage mich gerade, worauf diese Diskussion hinausläuft. Gibt es etwas, worauf wir uns einigen können? Das Thema brennt offensichtlich einigen unter den Nägeln. Das hat man schon beim Bibcamp bemerkt. Jetzt müssten wir uns die nächsten Schritte überlegen.
Wenn ich das mit meinem Schmerzmittel-betäubten Kopf richtig zusammenbekomme (habe mir gestern zwei Weisheitszähne aus dem Kopf holen lassen), dann sehe ich gerade drei Handlungsbereiche bzw. Projekte, von denen hier die Rede ist:
1. Ilona, Jürgen, die Zukunftswerkstatt und andere wollen den Online-Diskurs in die bereits etablierten Offline-Medien tragen. Im Diskussions-Thread sind leise Zweifel an der Nachhaltigkeit dieser Strategie geäußert worden, aber niemand hier bestreitet, daß in diesem Bereich begrüßenswerte Dinge passieren. Ich habe bisher nicht herausgehört, daß hier jemand ein neues Printmedium gründen will.
2. Jakob und andere wollen durch die weitere Verbreitung von RSS-Feeds für Artikel etc. die Grundlage für einen schnelleren, umfassenderen Überblick über alle Publikationen schaffen; das Ergebnis könnte vergleichbar sein mit DBLP oder Planet Biblioblog.
3. Heinz und andere wollen auf ein Overlay-Journal (oder “Reader’s Digest”, hihi) hinaus, in dem eine große Auswahl (aber eine Auswahl) von Beiträgen aus Zeitschriften, Blogs etc. für “interessierte Netzbesucher” aufbereitet wird. Hier ist die Umsetzung noch ziemlich unklar, vor allem wer wie dauerhaft die Erstellung so eines Mediums gewährleisten könnte.
Sorry, wenn ich einen Ansatz übersehen haben sollte, der nicht in den drei oben aufgezählten aufgeht. Ganz interessant finde ich, daß diese Sachen nicht nur locker nebeneinander stehen, sondern sich sogar sehr gut ergänzen können.
Danke für die Zusammenfassung. Diese Ansätze passen in der Tat hervorragend zueinander. 3 und 2 können sich eine Website teilen und in 1 kann darüber berichtet werden. Ist es wirklich so einfach?
“…Ist es wirklich so einfach?…” Ja, ist es – grundsätzlich. Das Problem liegt m.E. hier: “…in die bereits etablierten Offline-Medien tragen…” Welche Offline-Medien werden tatsächlich gelesen und wandern nicht nur über den “muß ich unbedingt mal lesen” Stapel in die “ist jetzt sowieso veraltet” Ablage?
@Lambert 50
Ebenfalls Danke, vor allem für das Stichwort “Ergänzung”. (Und volles Mitleid samt Genesungswünschen!)
Es bleibt also dabei: Print- und Web stehen nicht im Widerspruch zueinander. Die “fassbare” Welt muss-kann-soll neben der virtuellen Welt bestehen bleiben, da sie die menschlichen (u. a. sensitiven) Bedürfnisse befriedigt. Genau so wie E-Learning, Präsenzfortbildungen und Bleanded Learning je nach Thema und Akzeptanz sich nichts wegnehmen. Oder Einkäufe via Internet, gemütlichem Stadtbummel und – tja, was ist dazwischen? Fernseheinkaufsshows oder Tupperparty mit Bestellzettel?
Zentrale Frage bleibt auch: Wer vermisst im Moment was genau und wer kann es über welche Medien bedienen und mit welchen Ressourcen? Ich stelle mir jetzt eine Vielfalt von Antworten vor, einfachen wie komplexen. Und dann eine Überantwort?? Hm.
Damit komme ich auf Heike (Nr. 48) zurück. Mir erscheint das Kriterium “aktuelle, relevante Informationen” zunächst logisch, doch auch wiederum recht unspezifisch.
Für mich kann ich sagen: wenn ich Informationen will, weiß ich genügend und herrlich unterschiedlich geartete Quellen, an denen ich mich bedienen kann. Eine EINZIGE Quelle (das Overlay?), die alles referenziert, vermisse ich nicht wirklich. Ich befürchte nämlich: gäbe es sie, würde ich dennoch immer vermuten und argwöhnen, es gäbe “irgendwo außerhalb davon” weiteres zu entdecken, Insiderwissen etwa, unorthodoxe Meinungen und Ideen, impulsgebende Seitenwege … vielleicht ist ja der Weg zu den Informationen für mich das eigentliche Ziel, hat das Schatzsuchen seinen besonderen Reiz?
Nun gut, hier kommt es sicher darauf an, aus welcher bibliothekarischen Ecke heraus man kommt. Ich spreche vor allem für die Fortbildung, die sich immer schon aus verschiedenen Informationskanälen speist, um möglichst breit aufgestellt zu sein.
Mein Lösungsvorschlag fürs Erste:
Als definitiv wichtigsten und möglichsten Schritt, bevor jemand die grandiose Lösung für (was eigentlich genau?) entdeckt, ist die zeitnahe Vernetzung von Print und Web, das wechselseitige Geben und Nehmen* ohne Grabenkämpfe. Und DAS ist technisch auch jetzt schon in einem hohen Grade möglich, so gewollt.
* Ein schönes Beispiel ist Jürgen Plieningers “Blickpunkt Internet” im BuB, kann man wundervoll nachblättern, liegt auf dem Nachtkästchen, keine Befürchtung, die Seite verschwindet mal vom Netz … seufz, wie altmodisch …
Schöne Pfingsten allen! Und “… ich bin dann mal weg …” (dieser Spruch als Beispiel gründlicher Vernetzung der Fernsehwelt mit dem altehrwürdigen Prinmedium Buch …)
@CH: Danke für die Zusammenfassung. Neben den von dir aufgelisteten formalen Ansätze, glaube ich hier in der Diskussion aber auch unterschiedliche inhaltliche Wünsche wahrzunehmen. Da war gar die Rede von einer informationswissenschaftlichen Publikation. Ich persönlich (ich wiederhole mich) vermisse vor allem bessere (teilweise überhaupt) Kommunikation von aktuellen(!) Themen aus der (“digitalen”, wie kam Jakob auf diesen Begriff?) Bibliotheks-IT (natürlich geprägt durch mein eigenes Arbeitsgebiet) im deutschen Bibliothekswesen. Ein Ausgangspunkt der Fachkommunikations-Session beim Bibcamp war die Kritik von Nils an der Beliebigkeit der Themen auf inetbib-Liste (bzw. dem Fehlen von Beiträgen dort zum eigentlichen Thema der Liste, kam ja auch ein wenig bei der auf der inetbib-Tagung vorgestellten Untersuchung zur Aufnahme von Trendthemen in unterschiedlichen Medien vor).
Bei anderen Ansätzen hier ist mir schlicht nicht ganz klar, welche Inhalte da von Online nach Offline oder umgekehrt transportiert werden sollen. Ich schrieb es ja schonmal: Ich halte eine thematische Konzentration (möglichst auf bisher unzureichend abgedeckte Themen) für sinnvoll, Gemischtwaren-Zeitschriften, -Blogs, und -Mailinglisten haben wir genügend und eine weitere Aggregation davon würde zumindest bei mir kaum Interesse als Leser wecken (egal ob gedruckt oder online)…
Mag sein, dass man bei engem thematischen Zuschnitt oder zu hohem Anspruch nicht genügend Inhalte zusammen bekommt (ich beschrieb das ja am Beispiel der Review of Information Science (RIS)). OK, man könnte es versuchen und wäre anschließend schlauer…
@Till Zum einen halte ich eine Liste wie inetbib mit ihren beliebigen Themen wie Zeitschriftenverkäufe, Urheberrechtsfragen oder Stellenanzeigen für sinnvoll und gut. Die für einen selbst interessanten Themen heraus zu filtern und die anderen zu ignorieren gehört zu jener viel diskutierten Informationskompetenz.
Gleichzeitig halte ich in einem anderen, neuen(?) Medium auch eine thematische Begrenzung für erstrebenswert. Dann ist die Frage, wer wie dieses Thema eingrenzt. Sind wir hier nicht auch wieder im subjektiven Bereich? Welche Themen fehlen konkret (und zwar online und offline)?
Bei der Diskussion hier fiel mir der Blog der Mädchenmannschaft ein. Die bringen einmal pro Woche eine Zusammenfassung aus der für sie interessanten deutschen Bloggerszene. Allerdings nicht nur in Form einer reinen Linkliste, sondern jeder Link in ein/zwei Sätzen beschrieben. Außerdem gibt es regelmäßig kurze Interviews (mit einem festen Fragenkatalog) mit Frauen, die bloggen. Beides ließe sich sowohl online als auch offline in der Bibszene umsetzen.
Bleibt jedoch die Frage nach dem Fokus.
@Silvia
So könnte ich mir die Offlinisierung der Blogszene auch vorstellen. Übergangsweise. Aber bringt das was, wenn man das in Printmedien macht? Es tippt dann doch niemand die Adresse in den Browser um weiterzulesen und nimmt ab dann an Online-Diskussionen teil.
Es funktioniert ja nicht mal via Inetbib, wenn die Infos nur einen Klick entfernt sind. Infobib wurde jetzt ein paar Mal in Inetbib erwähnt. Das hat zur Konsequenz, dass die Seite zigfach abgerufen wird. Aber kommentiert wird immer nur von den selben Leuten.
Perfektes Beispiel ist dieses Posting hier. Jakob hat in Inetbib auf die Diskussion hier hingewiesen. Dieses Posting wurde in der Folge deutlich spürbar öfter abgerufen. Und wer kommentiert? Lambert, Silvia, Michael, Anne & Co. Alles Leute, die ohnehin “online” sind.
@Ilona Munique
Ist “Blickpunkt Internet” wirklich eine Verknüpfung? Ich kenne die Rubrik nicht. Aber wenn ich das richtig verstehe, befürchte ich den Deutschunterricht-Effekt: Alle lesen “Königs Erläuterungen”, kaum jemand die Literatur selbst. Ist es mit so einer Rubrik nicht ähnlich? Niemand sieht sich die Blogs selbst an, niemand diskutiert mit, wenn man diese bequeme Rubrik stets vor sich hat. Das mag man ok finden, aber führt kaum zu einer verbesserten Kommunikation im Bibliothekswesen.
@CH Dass immer dieselben hier kommentieren hat wohl den gleichen Grund wie die Tatsache, dass in InetBib drei Viertel der E-Mails von denselben 20-30 Leuten kommen (Zahlen nur geschätzt). Ich glaube, dass nur so wenige Personen es aushalten können, ihre Meinung zu veröffentlichen. Aushalten? Ja, Gegenmeinungen, öffentliches Bloßstellen, Angst vor nicht-Perfektion und in die Perfektionslücke greifende Kritik muss man aushalten können.
Dass aber die Zugriffszahlen so rapide gestiegen sind zeigt, dass das Interesse an den Themen vorhanden ist, ich finde das sehr positiv.
Ganz wesentlich finde ich Deinen Hinweis auf Links in Printmedien – daran habe ich noch gar nicht gedacht. Blogbeiträge, Tweets, alles enthält Links. Lese ich das in einem Printmedium, bin ich abgekoppelt und die Information wird zusammenhanglos, wenn nicht sinnlos. Lese ich das online, kann ich hin und zurück springen.
Die meisten Personen, die ich kenne, behaupten allerdings, sie könnten keine längeren Texte am Monitor lesen. Ab zwei Bildschirmseiten wird ausgedruckt, Links hin oder her.
@Lambert: Danke für die Zusammenfassung. Ich habe inzwischen fast 50 deutschsprachige Bibliotheks-Fachzeitschriften und ähnliche Publikationsorgane ausgenommen Weblogs. Ggf. kann noch der eine oder andere Sammelband hinzu aber das sollte es sein: http://is.gd/coppk (es fehlen allerdings noch einige Detailangaben). Die dauerhafte Verlinkbarkeit dieser Publikationen auf Artikelebene halte ich für absolut notwendig, um die Publikationen in die Online-Welt herüberzuretten – wobei viele der Zeitschriften auch einfach durch einen Blog abgelöst oder ganz eingestellt werden könnten.
@Silvia: Der Hinweis auf die Praxis beim Blog der Mädchenmannschaft ist gut – sowas reicht schon als Overlay-Journal-Light, bitte mehr davon. Wenn alle Publikationen verlinkbar sind, sollten sich auch die interessantesten Beiträge durch Weitergabe von Links in Blogs, Tweets u.A. ihren Weg selber finden – sofern die Rezipienten Onlinmedien rezipieren, was leider noch nicht genügend der Fall ist.
@CH: Die sprichst eher von Kommunikation während ich mehr von Publikation spreche (beide gehen online zunehmend ineinander über). Die Frage ist, wie wir unsere Kollegen dazu bringen können, mehr miteinander öffentlich zu reden und dazu Kommentarfunktionen, Twitter, Mailinglisten etc. zu benutzen. Ich denke sowas lässt sich nur vor Ort mit Schulungen und Übungen machen.
@Jakob: Mit Schulungen kommt man dabei nicht sehr weit, wenn in den Direktionen nicht offensiv bekundet wird, dass öffentliche Einmischung ok und vielleicht sogar erwünscht ist. Wer ständig an Formulierungen herumfeilt, um nirgendwo anzuecken, kann keinen Spaß an öffentlicher Kommunikation haben.
Und wem es keinen Spaß macht, der wird höchstens “Kommunikation nach Vorschrift” machen. Also Projekt-Prosa, die niemand braucht.
@CH
Ich finde es sehr wohltuend, wenn ein Redakteur sich noch einmal über meine Texte beugt bevor Sie in der Papierwelt verewigt werden. Das Korrekturlesen längerer Passagen durch Dritte kann vor manchem Fehler schützen. Zudem hat man die Gewissheit das es auch verstanden wird.
Anders in Blogs und Foren. Das Phänomen von Trollen und Dampfplauderern oder Dauernörglern ist redaktionell betreuten Publikationen nicht fremd – aber dessen Lesern. Das schließt nicht aus, das jeder seine Meinung kundtun soll und darf. Die Mehrheit unserer Zunft steckt zumeist im öffentlichen Dienst. Die Presseabteilungen stehen mit den aktuellen Möglichkeiten in der Zwickmühle. Die Abgrenzung der Publikation und der Kommunikation verwischt dank twitter, Facebook, Blogs und co. zunehmend. So ist z.B. hier im Haus (Kommune) die aktive direkte Ansprache an die Medien durch das Presseamt geregelt. Die passive Verbreitung über virtuelle Medien unterliegt nach Kenntnisnahme des Betreibens dagegen keiner Aufsicht. Der Rahmen wird dann intern geregelt und setzt gesunden Menschenverstand voraus. So etwas finde ich da schon mutig: http://www.stadtbibliothek-guetersloh.de/Seite/Pressespiegel_Node_9477.htm
Trotzdem ist es zu begrüßen so viel wie möglich Online vorzuhalten und frei verfügbar und vernetzbar zu machen. An diesem Feld kann man unabhängig der obigen Thematik arbeiten.
Ich habe hier mal einige Gedanken zum Thema veröffentlicht: http://www.uebertext.org/2010/05/fachkommunizieren-aber-wie.html
Dazu noch:
Ein Overlay-Journal halte ich – wie aus dem Text klar werden sollte – nicht für eine Lösung des Problems, möchte aber eine Möglichkeit vorschlagen, relevante Online-Texte zu identifizieren und zu aggregieren. Wieso das nicht auf der Basis bestehender Social-Bookmarking-Dienste (delicious, BibSonomy etc.) machen? Wir könnten uns auf ein oder mehrere Tags einigen, mit denen dezentral Beiträge versehen werden können, z.B. “LISallgemein+1” und für das speziellere Thema Bibliothekstechnologie z.B. “LISTech+1” usw.? Es ist doch dann nicht schwierig, die mit diesen Tags versehenen Texte zu aggregieren und entsprechend zu ranken, oder? (Hört sich für mich irgendwie nach einer Aufgabe für Lambert an… 😉
“… wenn in den Direktionen nicht offensiv bekundet wird, dass öffentliche Einmischung ok und vielleicht sogar erwünscht ist.” (Kommentar 61, CH)
Genau dort sehe ich leider auch das Hauptproblem. Solange Bibliotheksmitarbeiter unbehelligt vor sich hin arbeiten können und sollen, Fortschritt und eigene Weiterbildung (auch und vor allem im Netz) von Bibliotheksleitungen weder vorlebt und noch erwartet werden sowie unsicher ist, ob es überhaupt erwünscht wäre, sehen die Chancen für Veränderungen bei der digitalen Fachkommunikation düster aus. Die meisten haben wenig Lust zu riskieren, sich für Mühe und Engagement noch Ärger einzuhandeln.
Und dann war da noch der Fall, als es tatsächlich mal gelang, ein paar mehr Bibliotheksmitarbeiter per Blog auf die Idee zu bringen, dass interessante Dinge im Bibliothekswesen passieren und sie sich sogar freiwillig in eine Liste eingetragen haben, um sich auch noch die Teilnehmerberichte von einem Kongress anzuhören (im Haus, kostenfrei). Klingt hoffnungsvoll?! Das sah die Bibliotheksleitung anders und ein Teil wurde wegen niedriger Hierarchieebene und demzufolge Arbeitszeitverschwendung wieder ausgeladen. Eine effektive Methode vorsichtig aufkeimendes Interesse ganz schnell wieder zu zerstören.
In erster Linie kommt es also darauf an, Bedingungen zu schaffen, die deutlich machen, dass es gewünscht und anerkannt wird, wenn sich Bibliotheksleute mit aktuellen Entwicklungen beschäftigen und sich dafür mitverantwortlich fühlen. Von unten oder aus dem Internet lässt sich da meines Erachtens wenig bewegen.
Solange sich in Sachen OA bei den deutschen Bibliothekaren grün und gold nichts bewegt, halte ich solche Diskussionen für müßig.
http://archiv.twoday.net/stories/6400333/ Von 24 ZfBB-Beiträgen 2008 liegt genau einer (in Zahlen 1) selbstarchiviert (Preprint) vor.
2006 kritisierte ich die OA-Heuchelei der Bibliothekare: http://archiv.twoday.net/stories/2518568/
Schaut man sich nur die Fachzeitschriften an, hat sich bei den Organen der ersten Reihe nur bei BuB (delayed OA) etwas getan. Nach wie vor ist von diesen einflussreichsten Zeitschriften keine einzige ein OA-Journal!
Delayed OA: BD, BuB, BF&P
Kein OA: ABI, BIT, ZfBB
Erbärmlich!
@Klaus Graf
Die Bibliothekarinnen, die hier diskutieren, veröffentlichen überwiegend bis vollständig OA, wenn sie überhaupt noch konventionell in Zeitschriften publizieren. Wenn die Diskussion über die Zukunft der Fachkommunikation also nicht in dieser speziellen kleinen Fachgemeinde stattfinden soll, wo dann?
Libreas als studentische und damit irrelevante Zeitschrift zu schmähen, halte ich übrigens für falsch. Besonders gegenüber den von Ihnen anscheinend(?) höher eingestuften Reklameblättchen ist Libreas durchaus als wertvoll anzusiedeln. Selbst wenn ich für mich persönlich dort seit langem nichts interessantes mehr lesen konnte, da es sich immer mehr zu einer Mischung zwischen Spex und bibliothekarischem Feuilleton entwickelt. Aber dies nur am Rande…
Zurück zum Thema: Die Diskussion ist nicht müßig, sie ist dringend notwendig. Dass ZfBB & Co geradewegs in die Bedeutungslosigkeit taumeln, wenn sie so weitermachen, steht für mich absolut fest. Wenn dort also ein Beitrag zum Bibliothekswesen geleistet werden möchte, muss man sich der Diskussion stellen, wie die Fachkommunikation in Zukunft aussehen kann.
PS: Wie sieht es eigentlich im Archivwesen aus? “Archivar. Zeitschrift für Archivwesen” erscheint ja vollständig als PDF. “Archiv und Wirtschaft” ist nicht OA, andere sicherlich auch nicht. Da ich die Bedeutung der Journals nicht einschätzen kann: Ist das Archivwesen ähnlich erbärmlich?