Zitate zum Urteil gegen die Fernuni Hagen

Links und ein paar Zitate zum Urteil des Landgerichts Stuttgart gegen die Fernuniversität Hagen vom 27. September 2011 (Aktenzeichen: 17 O 671/10, PDF).

Armin Talke fasst in Iuwis das Urteil zusammen:

Die Universität darf den für ein Studienmodul angemeldeten Studierendenbis zu 48 Seiten (ca. 10 %) des Werkes „Meilensteine der Psychologie“ ohne Zustimmung des Verlags über die Lernplattform zugänglich machen. Bis zu diesem Umfang darf die Universität den Studierenden auch die Möglichkeit des Ausdruckes gewähren.

Die Universität hat aber zu gewährleisten, dass die Studierendennur max. 3 Seiten des Werkes downloaden und abspeichern.

Thomas Stadler kommentiert:

Diese Urteilsbegründung ist m.E. falsch und auch gänzlich praxisfern, weil sie weder vom Wortlaut noch von der ratio der Vorschrift gedeckt ist. Man stellt sich hier unweigerlich auch die Frage, welche Form der Nutzung denn der analogen Nutzung entsprechen würde. Die PDF-Datei ist eine derjenigen Umsetzungen, die einer analogen Kopie noch am ehesten entsprechen. Dass man Dateien grundsätzlich speichern kann, liegt in der Natur der Sache. Die Fernuni Hagen hat mittlerweile offenbar von PDF-Dateien auf Flash-Lösungen umgestellt.

Rainer Kuhlen stellt das Urteil unter Satireverdacht:

Das Gericht anerkennt durchaus, dass die Studierenden an sich, und zwar nach § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UrhG, das Recht haben, die zur Verfügung gestellten kleinen Teile des Werkes zu vervielfältigen, also bei sich zu speichern, auszudrucken bzw. Kopien davon zum eigenen Gebrauch zu machen.

Aber aus diesem Recht der Studierenden dürfe die Universität nicht ableiten, dass sie das auch möglich machen dürfe oder gar müsse: “Für die Rechte der Beklagten aus § 52a UrhG ist aber grundsätzlich nicht maßgeblich, ob von den Nutzern der elektronischen Lernplattform angefertigte Vervielfältigungen gemäß § 53 Abs. 2 S1 Nr. 1 UrhG gestattet sind, sondern es ist zu prüfen, ob die Beklagte eine solche Anschlussnutzung überhaupt schaffen durfte” (s. 14).

Aus welcher Haltung das Urteil entstanden ist, kommentiert Kuhlen folgendermaßen:

Das ist jetzt der Punkt, der die Netzwelt auf die Barrikaden gehen lassen sollte. Wir sollen uns auch im Jahr 2011 beim Umgang mit Wissen und Information so verhalten, wie es ganz offensichtlich die Juristen aus ihrer Ausbildung gewohnt waren. Ich erinnere mich gut an die Antwort auf meine Frage an Frau Zypries, damals zuständig für das Justizministerium und damit entscheidend verantwortlich für Paragraphen wie 52b, ob es denn zeitgemäß sei, sich am Bildschirm handschriftliche Notizen machen zu müssen: „Was wollen Sie denn, ich habe mein ganzes Studium in der Bibliothek gesessen und fleißig exzerpiert. Und Sie sehen ja, was aus mir geworden ist.“

Links zum Urteil werden auch in Archivalia gesammelt (s. hier oder hier).

Was folgt für Bibliotheken? Wir stehen da und wundern uns. Und hoffen darauf, dass im Justizministerium in absehbarer Zeit Lobbyisten gegen Sachverstand ausgetauscht werden. Bis dahin bleibt nur das Wundern. Und die Hoffnung auf erfolgreichen Widerspruch gegen das Urteil.

Keine stereotypen Forderungen in der Urheberrechtsdebatte

In einem offenen Brief an Olaf Zimmermann, den Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, fordert Rainer Kuhlen eine differenzierte(re) Diskussion über den Schutz “geistigen Eigentums” und in der Debatte rund ums Urheberrecht.

Wäre nicht die Forderung nach einer neuen Kultur des Teilens und der gemeinsamen Beförderung von Wissen und Kultur nicht auch dem Deutschen Kulturrat angemessener als auf den individuellen Interessen und auf Schutz von Verwertung und damit auf Verknappung zu beharren? Versuchen sie es doch einmal damit!

Kuhlen reagiert auf die kulturpolitischen Mindestanforderungen an die neue Bundesregierung und den neuen Deutschen Bundestag. Eine davon bezieht sich auf “geistiges Eigentum”:

Die Debatte zur Weiterentwicklung des Urheberrechts und Stärkung des Bewusstseins für das geistige Eigentum muss konsequent und offen fortgeführt werden.

In einer aktuellen Presseerklärung jubelt der Kulturrat, besonders in der Urheberrechtspolitik [seien] von der neuen Bundesregierung deutliche Aktivitäten zu erwarten.