TTIP-Leak ohne Kapitel über Immaterialgüterrechte

Die von Greenpeace Niederlande veröffentlichten TTIP-Dokumente sind leider nicht vollständig. Aus der FAQ, Punkt 4 (Hervorhebung von mir):

Chapters which are not yet believed to have reached the consolidation phase, also not in possession of Greenpeace Netherlands, are those covering: energy and raw materials, investment protection, intellectual property rights, legal and institutional issues, subsidies, sustainable development, textiles and apparel, and other sectors.

Wer also wissen möchte, was TTIP mit den Bibliotheken, der Bildung und der Wissenschaft machen möchte, kann sich noch nicht informieren. Das geht uns wohl auch nichts an.

Neusprech: Geistiges Eigentum

Kai Biermann beschäftigt sich im Neusprech-Blog mit dem Begriff “Geistiges Eigentum”. Damit ist er natürlich nicht der Erste. Hier ein paar weitere Zitate zur selben Thematik:

Wer den Begriff des “geistiges [sic] Eigentums” als Grundbegriff des Immaterialgüterrechts etablieren möchte, muss sich der Gefahren bewusst sein, die er mit sich bringt. Entscheidend ist nämlich nicht der Begriff als solcher, sondern sein Verständnis und seine Verwendung in der fortlaufenden Debatte über Reichweite und Grenzen von Immaterialgüterrechten. “Geistiges Eigentum” suggeriert der Allgemeinheit eine Parallele zur Rechtsstellung des Sacheigentümers und verleitet zur Aussage, der Rechtsinhaber sei mindestens genau so zu schützen wie der Sacheigentümer. Hier wird eine Vergleichbarkeit des Sacheigentums mit dem “geistigem Eigentum” behauptet, des es doch erst nachzuweisen gilt. Man könnte sich nämlich auf den entgegengesetzten Standpunkt stellen und behaupten, dass eine unterschiedliche Behandlung von Sach- und geistigem Eigentum wegen der tatsächlich Verschiedenheiten gerechtfertigt sei.

Grünberger, Michael: Rechtsdurchsetzungsbemühungen – Anzeichen eines Systemkollapses? – In: Geistiges Eigentum : Herausforderung Durchsetzung / hrsg. von Reto M. Hilty … – Berlin, Heidelberg: Springer, 2008. – (MPI Studies on intellectual property, competition and tax law ; Bd. 4). S. 5.

Urheberrecht hat nichts mit Eigentum im landläufigen Sinne zu tun.

Wenn dem so wäre, dann könnte man mit der Musik auf der CD, die man erwirbt, machen, was man will. Kann man aber nicht. Man kann die Musik zu Hause anhören. Man kann eine “Privatkopie” anfertigen. Man darf aber nicht die Musik öffentlich aufführen, ohne Gebühren an die GEMA zu entrichten. Man darf keinen Remix anfertigen und ihn weiterverkaufen.

Urheberrecht: Es gibt kein ‘geistiges Eigentum’ / Marcel Weiss, 2009. = http://netzwertig.com/2009/11/04/urheberrecht-es-gibt-kein-geistiges-eigentum/.

Es ist in Mode gekommen, Copyrights, Patente und Handelsmarken als “geistiges Eigentum” zu bezeichnen. Diese Mode entstand nicht aus einem dummen Zufall – der Begriff verzerrt und verwirrt diese Themen systematisch, und seine Verwendung wird in erster Linie von jenen vorangetrieben, die aus dieser Verwirrung Nutzen ziehen. Jeder, der klar über diese Gesetze nachdenken will, tut gut darin, diesen Begriff abzulehnen.

Sagten Sie “geistiges Eigentum”? Eine verführerische Illusion / Richard M. Stallman, 2006. = http://www.gnu.org/philosophy/not-ipr.de.html.

Ein weiteres Werk, auf das auch Stallman verweist, ist “Property, Intellectual Property, and Free Riding” (PDF) von Mark A. Lemley, in dem er die Begriffsentstehung des geistigen Eigentums auf die WIPO zurückführt:

Lemley, Mark A.: Property, Intellectual Property, and Free Riding. – In: John M. Olin Program in Law and Economics / Working Paper. – 291 (2004).

Das der Begriff an sich recht neu ist, lässt sich auch schön mit Googles nGram-Viewer darstellen:

Dass sich Rainer Kuhlen seit Jahren mit dem Begriff herumquält, ist den Lesern sicherlich vertraut.

PS: Eigentum verpflichtet.

"Geistiges Eigentum" behindert Innovation

Heidi L. Williams: Intellectual Property Rights and Innovation: Evidence from the Human Genome

This paper provides empirical evidence on how intellectual property (IP) on a given technology affects subsequent innovation. To shed light on this question, I analyze the sequencing of the human genome by the public Human Genome Project and the private firm Celera, and estimate the impact of Celera’s gene-level IP on subsequent scientific research and product development outcomes. Celera’s IP applied to genes sequenced first by Celera, and was removed when the public effort re-sequenced those genes. I test whether genes that ever had Celera’s IP differ in subsequent innovation, as of 2009, from genes sequenced by the public effort over the same time period, a comparison group that appears balanced on ex ante gene-level observables. A complementary panel analysis traces the effects of removal of Celera’s IP on within-gene flow measures of subsequent innovation. Both analyses suggest Celera’s IP led to reductions in subsequent scientific research and product development outcomes on the order of 30 percent. Celera’s short-term IP thus appears to have had persistent negative effects on subsequent innovation relative to a counterfactual of Celera genes having always been in the public domain.

Um diesen Artikel nicht für 5 US$ kaufen zu müssen, müsste man sein: a subscriber, a corporate associate of the NBER, a journalist, an employee of the U.S. federal government with a “.GOV” domain name, or a resident of nearly any developing country or transition economy.

Daher statt des Volltexts eine Präsentation, die den Inhalt des Artikels hoffentlich einigermaßen gut wiedergibt. Weitere Informationen finden sich u.a. bei Techdirt.


human genome study slide summary

Zum Thema behinderte Innovation sind auch folgende Artikel aktuell:

Big Potatoes – Das Londoner Manifest für Innovation

Geistiges Eigentum wird akribisch geschützt, weil es so hart erarbeitet werden muss. In den Wissenschaften werden viele Erkenntnisse frei untereinander ausgetauscht. Aber in der Geschäftswelt wird beim geistigen Eigentum mehr auf das Eigentum geachtet als auf die geistige Komponente. Die Arbeit von Patentanwälten erlangt zuweilen höheren Stellenwert als die der Innovatoren, obwohl diese wahrscheinlich härter arbeiten müssen.

Fair Use als Wirtschaftsmotor

Die US-Wirtschaft profitiert in Billionenhöhe von den Fair-Use-Regelungen des amerikanischen Copyrights. Das hat eine Studie des IT-Verbands Computer & Communications Industry Association (CCIA) festgestellt. Damit konterkariert sie diverse Anti-Piraterie-Studien der Medienindustrie, denen zufolge Verstöße gegen das Copyright nur Milliardenschäden verursachen.

Keine stereotypen Forderungen in der Urheberrechtsdebatte

In einem offenen Brief an Olaf Zimmermann, den Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, fordert Rainer Kuhlen eine differenzierte(re) Diskussion über den Schutz “geistigen Eigentums” und in der Debatte rund ums Urheberrecht.

Wäre nicht die Forderung nach einer neuen Kultur des Teilens und der gemeinsamen Beförderung von Wissen und Kultur nicht auch dem Deutschen Kulturrat angemessener als auf den individuellen Interessen und auf Schutz von Verwertung und damit auf Verknappung zu beharren? Versuchen sie es doch einmal damit!

Kuhlen reagiert auf die kulturpolitischen Mindestanforderungen an die neue Bundesregierung und den neuen Deutschen Bundestag. Eine davon bezieht sich auf “geistiges Eigentum”:

Die Debatte zur Weiterentwicklung des Urheberrechts und Stärkung des Bewusstseins für das geistige Eigentum muss konsequent und offen fortgeführt werden.

In einer aktuellen Presseerklärung jubelt der Kulturrat, besonders in der Urheberrechtspolitik [seien] von der neuen Bundesregierung deutliche Aktivitäten zu erwarten.