Die Debatte um das Recht auf Anonymität im Web ist wieder einmal brandaktuell. Auf SpOn heißt es:
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat anlässlich der Anschläge in Norwegen ein Ende der Anonymität im Internet gefordert. “Politisch motivierte Täter wie Breivik finden heute vor allem im Internet jede Menge radikalisierter, undifferenzierter Thesen, sie können sich dort von Blog zu Blog hangeln und bewegen sich nur noch in dieser geistigen Sauce”, sagte Friedrich dem SPIEGEL.
Was natürlich auch eine radikale, undifferenzierte These ist. Auch für Google-CEO Eric Schmidt ist Anonymität nicht notwendig.
Warum ist Anonymität so wichtig? In letzter Zeit gab es dazu so viele kluge Kommentare, das ich hier einfach mal ein paar aufliste.
- „A Case for Pseudonyms“ von Jillan York, in Übersetzung bei Metronaut.de.
- “Real Names” Policies Are an Abuse of Power von Danah Boyd.
- “Anonymität im Netz: Schutz gegen die Tyrannei der Mehrheit” von Udo Vetter
- “Wieso wir N.N. sein dürfen” von Stefan Plöchinger
- Die Ennomane bei Google+
Das Recht auf Pseudonymität wird weltweit überall und immer wieder diskutiert. Eine schöne Kampagnenseite dazu ist My Name is me. Dort stellen Menschen verschiedenster Hintergründe vor, warum sie für dieses Recht einstehen. Darunter sind Promis wie Clay Shirky, aber auch virtuelle Identitäten wie Gwyneth Llewelyn.
Hier auf Infobib war das Thema Anonymität vor geraumer Zeit ebenfalls aktuell.
Ich habe heute zwei Mails erhalten, in denen ich gefragt wurde, ob man bei Infobib anonym kommentieren könne, da es nicht immer opportun sei, wenn die Vorgesetzten bestimmte Meinungen mit bestimmten Personen in Einklang bringen könnten.
Im immer wieder gern zitierten Code of Ethics wird auf den Wert der freien Meinungsbildung, zu der m.E. auch die freie Meinungsäußerung gehört, verwiesen:
Wir setzen uns für die freie Meinungsbildung und für den freien Fluss von Informationen ein sowie für die Existenz von Bibliotheken und Informationseinrichtungen als Garanten des ungehinderten Zugangs zu Informationsressourcen aller Art in unserer demokratischen Gesellschaft. Eine Zensur von Inhalten lehnen wir ab.
“Wir”, das sind in diesem Zusammenhang die Mitglieder des BID. Bibliothekswesen, das sind die Leute, die so etwas wie die PND aufbauen. Wer beruflich Pseudonyme sammelt, sollte ihren Wert kennen. Also flugs einen Blick geworfen auf die flammenden Statements wider die Einschränkung der freien Meinungsbildung!
- Bibliothek und Information Deutschland (BID): Nichts.
- Bibliotheksportal: Nichts.
- Deutscher Bibliotheksverband (DBV): Nichts. [1] Beim DBV sucht man aktuell eine/n Referent/in für politische Kommunikation. Tut sich da was?
- Verein Deutscher Bibliothekare (VDB): Nichts.
- Deutsche Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis: Nichts.
- ekz.bibliotheksservice: Nichts.
- Bertelsmann-Stiftung: Nichts.
Auf den Seiten des Goethe-Instituts (ebenfalls BID-Mitglied) habe ich zwar nichts aktuelles gefunden, dort finden sich aber mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Aussagen zur Wichtigkeit der Anonymität für die freie Meinungsbildung.
Was sagt uns das? Wird der zitierten Passage im Code of Ethics keine Bedeutung zugemessen? Wird die Wichtigkeit des Rechts auf Pseudonyme nicht erkannt? Gibt es keine personellen Spielräume, um derart politisch aktiv zu werden? Was auch immer der Grund ist: ein Code of Ethics, der in solchen Fällen nicht greift, ist die Bytes nicht wert, die seinetwegen transportiert werden müssen.
References
↑1 | Beim DBV sucht man aktuell eine/n Referent/in für politische Kommunikation. Tut sich da was? |
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Ein Gedanke zu „Zur Anonymität im Web“
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