Lobbyisten der CDU: Die fehlenden üblichen Verdächtigen

Kürzlich schrieb ich hier über die veröffentlichte Liste von Lobbyisten im Bundestag:

Sehr verwunderlich ist, dass weder Bertelsmann noch Axel Springer auf der Liste zu finden sind. Die Organisationen, denen die Unionsparteien einen Hausausweis gegönnt haben, sind in der Liste aber auch nicht enthalten.

Auf Spiegel Online ist die vollständige Liste (PDF) inklusive eines Begleitartikels nun zu finden. Natürlich sind Axel Springer und Bertelsmann, neben zahlreichen anderen von der CDU mit einem Hausausweis versorgten Firmen und Verbänden, nun aufgeführt.

Viviane Reding nun für Bertelsmann aktiv

Viviane Reding, bekannt aus Funk, Fernsehen und Netzpolitik.org, ist nun nicht mehr Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft. Stattdessen rutscht sie nahtlos in das Kuratorium der Bertelsmannstiftung – die erheblichen Einfluss auf das Bibliothekswesen hat. Mehr Infos gibt’s bei LobbyControl.

TTP-Kapitel zum Schutz von "Intellectual Property" auf Wikileaks

Via Heise.de:

Wikileaks hat einen neuen Entwurf des Kapitels zum Schutz immaterieller Güter des Handelsabkommens Trans-Pacific Partnership (TPP) enthüllt. Die USA wollen demnach beim Urheber- und Patentrecht die Daumenschraube anziehen.

Hier geht es zum Dokument auf Wikileaks. Wer vor dem Original-Dokument zurückschreckt, sollte auf jeden Fall den Heise-Artikel lesen, in dem ein paar Kern- und Schreckensszenarien kurz erläutert werden. Wer meint, dass Schutzfristen für Werke noch bis in die vierte Generation nach dem Tod der Urheber gelten sollten, der kann die TTP nur gut finden. Schließlich würde niemand mehr ein Buch schreiben, wenn man nicht wüsste, dass die Ururenkel noch bis 100 Jahre nach dem eigenen Tod davon profitieren können. Bzw. die Rechteinhaber, also z.B. Bertelsmann oder Disney.

Achtung:

  1. TTP = Trans-Pacific Partnership = Transpazifische strategische wirtschaftliche Partnerschaft
  2. TTIP = Transatlantic Trade and Investment Partnership = Transatlantisches Freihandelsabkommen

Springer Science+Business Media geht an die Börse

Kanadier, US-Amerikaner, Japaner und Australier dürfen nun nicht weiterlesen:

Man frage mich nicht, warum. Börsen-Experten können das vielleicht erklären, ich jedoch nicht. Für erhellende Hinweise in den Kommentaren (ob von Kanadiern oder anderen) wäre ich sehr dankbar. Doch nun zum eigentlichen Thema dieses Postings:

Aktien von Springer Science+Business Media, einem Fachverlag im Bereich Science, Technology, Medicine, sollen vor der Sommerpause im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse notieren

Das kürzlich unter anderem auf Turi2 kolportierte Gerücht erweist sich also als wahr. Der Wert der auszugebenden Aktien wird mit ungefähr 760 Millionen Dollar angegeben. Die komplette Meldung zum Börsengang findet sich bei Aktiencheck.de. Interessant ist, dass in dieser für Springer sicherlich sehr wichtigen Meldung ausdrücklich auf Open Access als wachsendem Markt Bezug genommen wird:

Wir sind ein führender und wirklich globaler STM-Verlag, der in den Marktsegmenten eBooks und Open Access hervorragend aufgestellt ist, und wollen von weiteren Wachstumstrends profitieren.

Noch ein interessantes Zitat:

Der Wandel zum digitalen Modell hat die Grenzkosten für die Veröffentlichung und den Verkauf neuer Artikel, Bücher und Zeitschriften signifikant verringert.

Weiterhin sei Springer in “aufstrebenden Märkten”, besonders in China und Indien, seit vielen Jahren vertreten und genieße dort einen guten Ruf.

Der Börsengang könnte eine gute Gelegenheit bieten, einen tieferen Einblick in die Markteinschätzung durch einen großen kommerziellen OA-Akteur zu bekommen. Liest hier jemand mit, der oder die sich mit Börsengängen und den dazugehörigen Informationspflichten (Börsenprospekt, etc.) auskennt? Was ist da zu erwarten?

PS: Kennt jemand die Studie Open Access: Market Size, Share, Forecast, and Trends von Laura Ricci? Ich habe gerade keine $895 zur Hand für die 36 Seiten…

Alle Jahre wieder: Leser, Nutzer oder Kunde?

Wie nennen wir die Menschen, die in die Bibliothek kommen, ohne dafür bezahlt zu werden? Diese Frage kocht regelmäßig hoch und ist sehr oft diskutiert worden. Das älteste (getaggte) Posting zu der Debatte hier auf Infobib ist dieses hier, unter dem Tag “kunde” finden sich noch einige andere. Fortschritte in die eine oder andere Richtung gab es in meiner Wahrnehmung in den Jahren seither nicht. Wer es für fortschrittlich und heilsbringend hält, wird weiterhin seine “Kundenfreundlichkeit” beteuern.

Ich bin gespannt, ob es in der Debatte, die sich gerade aus Christoph Deegs Posting “Lasst die Kunden zu mir kommen” ergab, einen neuen und originellen Gedanken zu entdecken geben wird. DonBib hat schon einmal geantwortet. Auch die Kommentare zu den beiden Postings sollten mitgelesen werden. Weitere Reaktion gibt es in Netbib und in einer Google-Plus-Diskussion.

"Mustergesellschaftsverträge" für bibliothekarische GmbHs

Es gibt meines Wissens nicht viele Bibliotheken in Deutschland, die als GmbH oder gGmbH geführt werden. Die Stadtbibliothek Gütersloh GmbH ist das prominenteste Beispiel, mit der Bertelsmann-Stiftung als Gesellschafter. Dies passt im doppelten Sinne, da die “gemeinnützige Stiftung” nicht nur in Gütersloh ansässig, sondern auch maßgeblicher Vorreiter der Privatisierungsidee in Deutschland ist. Auch die ekz ist in diesem Feld aktiv.

Wer sich dafür interessiert, wie die Gesellschaftsverträge aussehen können, sollte einen Blick in “GmbH als Rechtsform für Bibliotheken” von Sabine Kurth [1]Kurth, Sabine (1998): GmbH als Rechtsform für Bibliotheken. Köln (Kölner Arbeitspapiere zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft, 11). Online verfügbar unter … Continue reading werfen. Im Anhang ist nicht nur der Gesellschaftsvertrag zwischen der Stadt Gütersloh und der Bertelsmann-Stiftung zu finden, sondern auch ein Mustergesellschaftsvertrag der ekz.

Interessant finde ich den sechsten Paragraphen “Rechtsbeziehungen zur ekz Einkaufszentrale für Bibliotheken GmnbH [sic!] (ekz)” (S. 44):

Die Gesellschaft ist verpflichtet, sämtliche von ihr anzuschaffenden Medien (Bücher, Tonträger, Filme, Software etc.) sowie Bibliotheksmöbel- und material über die ekz zu erwerben. Ausnahmsweise können Medien mit Zustimmung der ekz bei lokalen Händlern erworben werden. Dies gilt insbesondere für örtliche/regionale Literatur.

Zusätzlich erklärt sich die ekz bereit, ihr Know-how betreffend Einrichtung und Betrieb von Bibliotheken zur Verfügung stellen und – gegen Berechnung – die Buchhaltung und weitere Dienstleistungen für die Gesellschaft erbringen.

Unterscheidet sich die Beratung der ekz in Einrichtungsfragen von der Bank- und Versicherungsberatung, bei der natürlich liebend gerne eigene Produkte angepriesen werden? Das würde mich sehr interessieren, Kommentare dazu (wie immer auch pseudonym oder anonym) würde ich sehr gerne sehen. Es gibt ja inzwischen einige Bibliotheken mit GmbH-Erfahrung. [2]Notiz am Rande: Die Stadtbibliothekek Siegburg war von 1999 bis 2011 eine GmbH mit ekz-Beteiligung und wurde wohl wieder in eine AöR überführt mit den Zielen, Synergien, Einsparungen und die … Continue reading

References

References
1 Kurth, Sabine (1998): GmbH als Rechtsform für Bibliotheken. Köln (Kölner Arbeitspapiere zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft, 11). Online verfügbar unter http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/aw/2002/fh-koeln/band011.pdf, zuletzt geprüft am 19.12.2012.
2 Notiz am Rande: Die Stadtbibliothekek Siegburg war von 1999 bis 2011 eine GmbH mit ekz-Beteiligung und wurde wohl wieder in eine AöR überführt mit den Zielen, Synergien, Einsparungen und die Schaffung einer ausreichenden Eigenkapital- und Finanzausstattung zu schaffen. Gemeinhin nimmt man ja an, genau dies seien die Ziele einer Privatisierung. In Schriesheim wurde das Experiment schon 2004 beendet.

BWLer, Historiker & Soziologen gegen Rankings

Ein paar hundert BWL-Professoren haben kürzlich bekannt gegeben, aus dem BWL-Ranking des Handelsblattes auszusteigen. Sie sind nicht die Einzigen, die den Ausstieg wagen:

Nach den deutschen Soziologen hat jetzt auch der Verband der Historiker Deutschlands seinen Mitgliedern empfohlen, sich nicht am Hochschulfächer-Ranking des CHE aus Gütersloh zu beteiligen.

Mehr auf FAZ.net.

Zur Anonymität im Web

Die Debatte um das Recht auf Anonymität im Web ist wieder einmal brandaktuell. Auf SpOn heißt es:

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat anlässlich der Anschläge in Norwegen ein Ende der Anonymität im Internet gefordert. “Politisch motivierte Täter wie Breivik finden heute vor allem im Internet jede Menge radikalisierter, undifferenzierter Thesen, sie können sich dort von Blog zu Blog hangeln und bewegen sich nur noch in dieser geistigen Sauce”, sagte Friedrich dem SPIEGEL.

Was natürlich auch eine radikale, undifferenzierte These ist. Auch für Google-CEO Eric Schmidt ist Anonymität nicht notwendig.


Warum ist Anonymität so wichtig? In letzter Zeit gab es dazu so viele kluge Kommentare, das ich hier einfach mal ein paar aufliste.

Das Recht auf Pseudonymität wird weltweit überall und immer wieder diskutiert. Eine schöne Kampagnenseite dazu ist My Name is me. Dort stellen Menschen verschiedenster Hintergründe vor, warum sie für dieses Recht einstehen. Darunter sind Promis wie Clay Shirky, aber auch virtuelle Identitäten wie Gwyneth Llewelyn.

Hier auf Infobib war das Thema Anonymität vor geraumer Zeit ebenfalls aktuell.

Ich habe heute zwei Mails erhalten, in denen ich gefragt wurde, ob man bei Infobib anonym kommentieren könne, da es nicht immer opportun sei, wenn die Vorgesetzten bestimmte Meinungen mit bestimmten Personen in Einklang bringen könnten.

Im immer wieder gern zitierten Code of Ethics wird auf den Wert der freien Meinungsbildung, zu der m.E. auch die freie Meinungsäußerung gehört, verwiesen:

Wir setzen uns für die freie Meinungsbildung und für den freien Fluss von Informationen ein sowie für die Existenz von Bibliotheken und Informationseinrichtungen als Garanten des ungehinderten Zugangs zu Informationsressourcen aller Art in unserer demokratischen Gesellschaft. Eine Zensur von Inhalten lehnen wir ab.

“Wir”, das sind in diesem Zusammenhang die Mitglieder des BID. Bibliothekswesen, das sind die Leute, die so etwas wie die PND aufbauen. Wer beruflich Pseudonyme sammelt, sollte ihren Wert kennen. Also flugs einen Blick geworfen auf die flammenden Statements wider die Einschränkung der freien Meinungsbildung!

Auf den Seiten des Goethe-Instituts (ebenfalls BID-Mitglied) habe ich zwar nichts aktuelles gefunden, dort finden sich aber mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Aussagen zur Wichtigkeit der Anonymität für die freie Meinungsbildung.

Was sagt uns das? Wird der zitierten Passage im Code of Ethics keine Bedeutung zugemessen? Wird die Wichtigkeit des Rechts auf Pseudonyme nicht erkannt? Gibt es keine personellen Spielräume, um derart politisch aktiv zu werden? Was auch immer der Grund ist: ein Code of Ethics, der in solchen Fällen nicht greift, ist die Bytes nicht wert, die seinetwegen transportiert werden müssen.

References

References
1 Beim DBV sucht man aktuell eine/n Referent/in für politische Kommunikation. Tut sich da was?

Hochschulen kritischer gegenüber Rankings

Daß eine gute Platzierung in einem Ranking in fast allen Fällen nicht mehr aussagt, als das man in eben diesem Ranking eine gute Platzierung bekommen hat, ist fast allen klar, die jemals die Datengrundlage und das Ergebnis für ein beliebiges (oder fast jedes beliebige) Ranking angesehen haben. Dies sehen nun auch verschiedene Hochschulleitungen ein:

Immer mehr Hochschulbereiche wollen sich aus dem Uni-Ranking des Bertelsmann nahen “Centrums für Hochschulentwicklung” zurückziehen. Derweil basteln Politiker und Wissenschaftsfunktionäre an einer Korrektur der Bologna-Reform

Mehr bei Telepolis.

Random-House Publikationen in Google Book Search

Die Bertelsmann-Buchverlagsgruppe Random House hat offenbar einen Kooperations-Vertrag mit dem Internet-Konzern Google abgeschlossen. Medienberichten zufolge wird Google künftig Publikationen von Random House in seine Bücher-Suche Google Book Search aufnehmen.

[via boersenblatt.net]