Börsenvereins-Lobbyismus gegen Bibliotheks-Open-Access

Viele von Bibliotheken oder bibliothekarischen Organisationen verfasste Positionspapiere und Stellungnahmen zum Urheberrecht oder zu wissenschaftspolitischen Fragen sind sehr darauf bedacht, ausgleichende Positionen einzunehmen, Interessen anderer Parteien zu berücksichtigen und auf keinen Fall unmäßig zu wirken.

Dass andere Parteien ihre Interessen selbst formulieren und auch keine übertriebene Rücksicht auf Bibliotheken nehmen, kann man in diesem Schreiben (PDF) des Börsenvereins (Landesverband Nord) sehen.

Die […] erwähnte Mitwirkung der Hochschulbibliotheken bei der “freien und ungehinderten Verbreitung und Zugänglichmachung wissenschaftlicher Arbeiten (Open Access)” verstehen wir so, dass die Bibliotheken ausschließlich vorhandene OA-Angebote von Institutionen und Verlagen erschließen, nicht jedoch selbst OA-Initiativen ergreifen.

Lächerlich. Und ich hoffe, das wird vom Bibliothekswesen (Nord) gen Ministerium genauso kommuniziert.

[via @esteinhauer]

Lobbyisten der CDU: Die fehlenden üblichen Verdächtigen

Kürzlich schrieb ich hier über die veröffentlichte Liste von Lobbyisten im Bundestag:

Sehr verwunderlich ist, dass weder Bertelsmann noch Axel Springer auf der Liste zu finden sind. Die Organisationen, denen die Unionsparteien einen Hausausweis gegönnt haben, sind in der Liste aber auch nicht enthalten.

Auf Spiegel Online ist die vollständige Liste (PDF) inklusive eines Begleitartikels nun zu finden. Natürlich sind Axel Springer und Bertelsmann, neben zahlreichen anderen von der CDU mit einem Hausausweis versorgten Firmen und Verbänden, nun aufgeführt.

Lobbyisten im Bundestag und im Innenministerium

Thomas de Maizières Innenministerium erhielt eine Mail von Peter Clever (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) zu einer Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung über “Ökonomie und Gesellschaft – Zwölf Bausteine für die schulische und außerschulische Bildung”. Der Rest der Geschichte hat es zu Recht schon in die Wikipedia geschafft:

“Mit viel Einsatz” (Der Spiegel) verhinderte Peter Clever, dass eine Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung “Ökonomie und Gesellschaft” vertrieben wird. Der Band enthält zwölf von unterschiedlichen Autoren geschriebene “Bausteine für die schulische und außerschulische politische Bildung” und wurde im Februar 2015 veröffentlicht. Im Juni 2015 schrieb Clever dem Bundesinnenministerium, dem die Bundeszentrale formal untersteht, einem fünfseitigen Brief und äußerte sein “Befremden” über die Publikation, da dass freie Unternehmertum dort zu schlecht wegkäme. “Die in Ihrer Publikation transportierten ideologischen und voreingenommenen Anschuldigungen kennen wir aus interessierten Kreisen schon länger. Dass sie nun aber durch die Bundeszentrale für politische Bildung verbreitet und empfohlen werden, ist skandalös und nicht hinnehmbar.” Das Buch entspreche “einseitiger Propaganda gegen die Wirtschaft”. Clever bat darum das Buch aus dem Vertrieb zu nehmen, was das Innenministerium unter Thomas de Maizière (CDU) dann auch veranlasste.

Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie zeigte sich schockiert, der wissenschaftliche Beirat der BpB befasste sich mit dem Fall und votierte mit großer Mehrheit für eine Aufhebung des Vertriebsverbotes.

Mehr Infos sind im zitierten Spiegel-Artikel zu finden, der den Artikel schlüssig beendet:

Besonders echauffiert hatte sich Arbeitgeber-Geschäftsführer Clever in seinem Brandbrief übrigens über das Kapitel zum Thema Lobbyismus. Es werde ein “monströses Gesamtbild von intransparenter und eigennütziger Einflussnahme der Wirtschaft auf Politik und Schule gezeichnet”, schrieb er darin.

Vielleicht ist ja auch der Versuch des BDA, ein Wirtschaftsbuch aus dem Verkehr zu ziehen, künftig ein gutes Beispiel für den Unterricht.

Ein gutes Beispiel für den Unterricht ist auch die kürzlich von Abgeordnetenwatch veröffentlichte Liste von 607 Konzernen, Lobbyverbänden und Organisationen mit Bundestagshausausweis:

Neben vielen Organisationen, die man dort erwartet hätte, sind auch ein paar Überraschungen zu finden. Zum Beispiel die Universiäten Bielefeld und Duisburg-Essen. Die Max-Planck-Gesellschaft ist vertreten, Helmholtz, Leibniz und Fraunhofer nicht. Der DBV übrigens auch nicht. Sehr verwunderlich ist, dass weder Bertelsmann noch Axel Springer auf der Liste zu finden sind. Die Organisationen, denen die Unionsparteien einen Hausausweis gegönnt haben, sind in der Liste aber auch nicht enthalten.

Viviane Reding nun für Bertelsmann aktiv

Viviane Reding, bekannt aus Funk, Fernsehen und Netzpolitik.org, ist nun nicht mehr Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft. Stattdessen rutscht sie nahtlos in das Kuratorium der Bertelsmannstiftung – die erheblichen Einfluss auf das Bibliothekswesen hat. Mehr Infos gibt’s bei LobbyControl.

Leistungsschutzrecht: Gebeutelte Verleger "beugen sich Druck Googles"

Im Februar schrieb ich zu der optimistischen Äußerung des Madsack-Geschäftsführers Düffer, dass er nicht davon ausgehe, dass Madsack-Artikel aus dem Google-Index entfernt würden. Ich war nicht seiner Meinung und habe Recht behalten.

Das Verhalten von Google war anhand internationaler Beispiele glasklar vorhersehbar. Und nun schreibt die eigens zur Durchsetzung der aus dem Leistungsschutzrecht entstandenen Forderungen gegründete VG Media in einer Pressemitteilung (PDF), die wenig überzeugend so tut, als sei sie überrascht:

Google lehnt „Waffenruhe“ ab -Presseverlage beugen sich Druck Googles und lassen VG Media Gratiseinwilligung für Rechtenutzung erteilen

Es ist wirklich unglaublich. Da bedient sich eine medienmächtige Lobbygruppe der CDU/FDP-Bundesregierung als Auftragsgesetzgeber. Schwarzgelb liest der Lobbygruppe gegen jeden gesunden Menschenverstand jeden Wunsch von den Lippen und verabschiedet ein Gesetz, über das der Kartellamts-Chef sagt: Es gibt niemanden, der behauptet, es sei gut formuliert. Dazu wird Google als Trittbrettfahrer gebrandmarkt, der von der kostbaren Arbeit der armen Presseverleger profitiert. Nun sagt Google, dass sie diese Ausbeutung nicht weiter betreiben möchten. Und was ist? Die Presseverlage fangen an zu jammern und reden vom “Druck Googles”, der sie zum Einlenken zwingt. Herrje.

Ich bin gespannt, wie die VG Media diese ganze Geschichte noch abstruser gestalten wird. Sie wird es schaffen, da bin ich zuversichtlich.

[via fefe]

CHORUS: Wenig pro, viel contra

CHORUS ist die Antwort der US-Publisher und Fachgesellschaften auf das OA-Memorandum “Increasing Access to the Results of Federally Funded Scientific Research” (PDF). Scholarly Kitchen hat in einer der sehr wenigen von mir gefundenen positiven Äußerungen zu CHORUS das Modell folgendermaßen beschrieben:

  • Publishers create and support a new domain, CHORUS.gov, with agency input
  • Publishers deposit metadata via CrossRef and FundRef for papers with relevant funding
  • Users can search and discover papers directly from CHORUS.gov or via any integrated agency site
  • Users retrieve paper directly from the publishers’ sites using the version of record

Das Kent Anderson CHORUS unterstützt, ist wenig verwunderlich, schließlich ist er Mitunterzeichner für das Journal of Bone and Joint Surgery. Viele andere, zum Beispiel Jonathan Eisen, sind dagegen highly sceptical:

This appears to be an attempt to kill databases like Pubmed Central which is where such freely available publications now are archived. I am very skeptical of the claims made by publishers that papers that are supposed to be freely available will in fact be made freely available on their own websites. Why you may ask am I skeptical of this? I suggest you read my prior posts on how Nature Publishing Group continuously failed to fulfill their promises to make genome papers freely available on their website.

Michael Eisen stimmt sogar einen CHORUS of boos an. Wer sonst nichts zu CHORUS lesen möchte, sollte sich dieses Posting ansehen! Auch Jason Hoyt kritisiert CHORUS in einem lesenswerten Posting. Im Blog Sauropod Vertebra Picture of the Week hat Mike Taylor diese und weitere Stimmen zu CHORUS gesammelt.

Börsenverein findet Demonstrationen undemokratisch

43 Organisationen, unter anderem der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, haben am letzten Freitag einen Brief an EP-Abgeordnete und Minister der EU-Mitgliedsstaaten (PDF) versandt. Dort ist zu lesen:

Over the past two weeks, we have seen coordinated attacks on democratic institutions such as the European Parliament and national governments over ACTA. The signatories to this letter and their members stand against such attempts to silence the democratic process. Instead, we call for a calm and reasoned assessment of the facts rather than the misinformation circulating. A considered reaction is more important than ever at a time when many outside of Europe doubt the ability of the European Union institutions and its Member State governments to act together.

Sicherlich sind einige Fakten verrutscht, sicherlich wurden einige Kritikpunkte hervorgehoben, die in der aktuellen Fassung nicht mehr enthalten sind. Doch was meinen die Unterzeichner mit “koordinierten Attacken auf demokratische Institutionen”? Gab es Anti-ACTA-Terrorismus? Oder meinen sie tatsächlich Meinungsbildung in Presse und Web, Unterschriftensammlungen, Youtubereien und angemeldete Demonstrationen von Zehntausenden?

[via Netzpolitik.org]

SOPA/PIPA: Das Web wird dunkel / Code of Ethics

Die umfangreichste Berichterstattung zu SOPA/PIPA hat wohl bei Netzpolitik stattgefunden. Markus Beckedahl hat die Artikel in einem Posting zusammengefasst. Eine ganz kurze Zusammenfassung gibt es im Posting “Warum SOPA auch uns angeht”:

Im Rahmen eines sogenannten “Blackout Days” haben sich heute zahlreiche Webseiten verhüllt, darunter die englischsprachige Wikipedia. Sie protestieren damit gegen zwei amerikanische Gesetzesentwürfe, den Stop Online Piracy Act (SOPA) und den Protect IP Act (PIPA). Diese sollen Wirtschaftsinteressen amerikanischer Copyright-Inhaber schützen, haben aber massive Auswirkungen auf die digitale Welt: Internetprovider sollen gezwungen werden, Inhalte proaktiv zu überwachen, Inhalte sollen gesperrt, Suchmaschinen-Treffer nicht mehr angezeigt und Verlinken strafbar werden. Dies hat in Amerika für einen Aufschrei gesorgt, wie er in Deutschland bei der “Zensursula”-Debatte um Netzsperren stattfand. “Sollten diese Gesetze auch nur zur Hälfte so kommen wie vorgeschlagen, hat dies negative Auswirkungen auf das gesamte Internet”, sagt Markus Beckedahl, Vorsitzender des Digitale Gesellschaft e.V.

Eine Galerie streikender Webseiten findet sich ebenfalls bei Netzpolitik. Weitere streikende Seiten sind auf sopastrike.com gesammelt. Zum Beispiel Librarian.net, gavialib.com, Librarian in Black

Für mich etwas überraschend ist die Seite der ALA nicht geschwärzt.

Passend zum Thema hat Hermann Rösch auf seiner Webseite einen Entwurf für eine “internationale bibliothekarische Berufsethik” veröffentlicht: International Code of Ethics for Librarians: Draft Dec 2011 (PDF)

Obwohl dieser Code of Ethics meines Erachtens ohnehin genauso folgenlos bleiben wird wie alle früheren Bemühungen dieser Art, mache ich auf die Möglichkeit aufmerksam, Kommentare zum Code of Ethics per Mail einzureichen. Auf der oben verlinkten Webseiten ist die entsprechende Adresse genannt. Eine offene, transparente Diskussion (Wiki, Blog, sonstwas ohne Anmeldepflicht) wäre m.E. förderlicher gewesen.

Elsevier-Testimonial für 1000 Euro: DGI

Auf der nächsten DGI-Konferenz werden Nachwuchsvorträge mit einem Best Paper Award ausgezeichnet:

Der 2010 erstmalig erfolgreich vergebene Preis wird wieder durch die Unterstützung des Wissenschaftsverlags Elsevier ermöglicht. Die langfristige Weiterführung der Partnerschaft zwischen der DGI und Elsevier unterstreicht das hohe Interesse von Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft an der Förderung des Berufsnachwuchses.

Der beste Vortrag wird mit 500 Euro, der 2. und 3. Platz mit je 300 EUR und 200 EUR dotiert. Die Preisverleihung findet im feierlichen Rahmen der Abschlussveranstaltung der DGI-Konferenz am 23. März 2012 statt.

Mit satten 1000 Euro unterstreicht Elsevier also das “hohe Interesse”. Natürlich sind 200 Euro für den Drittplatzierten sicherlich netter als gar nichts. Und im Lebenslauf macht sich so ein Preis ja auch ganz gut. Angesichts der Profite Elseviers ist das jedoch kein Ausdruck hohen Interesses, sondern ein Witz. Für 1000 Euro bekommt man z.B. in der taz (PDF) eine Textteilanzeige von etwa 7 cm Höhe. In der Zeit (PDF) sind es etwa 1,8 cm, im Bibliotheksdienst (PDF) immerhin 2,5 Seiten. Da steht dann nicht mit dem Siegel einer Fachgesellschaft, wie sehr man sich für die Nachwuchsförderung in der Wissenschaft engagiert.

Ich muss jetzt davon ausgehen, dass dem DGI die sog. Zeitschriftenkrise bislang entgangen ist. Wer in den letzten 20 Jahren tiefgefroren oder auf einer einsamen Insel war, sei an dieser Stelle informiert: Die Preispolitik gerade des hier gepriesenen Nachwuchsförderers Elsevier sorgt dafür, dass der Nachwuchs nicht auf wissenschaftliche Informationen zugreifen kann. Wäre die DGI ein Verband für Meeresbiologie im Golf von Mexiko, hätte man sich vermutlich für BP als Sponsor entschieden. Im Umweltbereich nennt man das Greenwashing.

Liebe DGI-Organisatoren: Es gibt viele, viele mögliche Sponsoren, denen man ein Engagement für den Nachwuchs abnimmt. Da man von Elseviers bekundetem Interesse an “Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft” jedoch zwei abziehen muss: dieser Sponsor gehört nicht dazu.

Jörg Dräger zur Bertelsmann-Stiftung

Sie haben sich gesucht und gefunden: Der schlechteste Bildungspolitiker Deutschlands Jörg Dräger tritt von seinem Posten als Wissenschaftssenator, um in Zukunft für die Bertelsmann-Stiftung zu arbeiten. Er soll Konzepte für die Bildungspolitik entwickeln und auch geschäftsführend für das CHE-Ranking tätig sein.

Verwunderlich, dass er den Posten verlässt, bevor er die Geisteswissenschaften in Hamburg endgültig beerdigen konnte.

[via SpOn]