Ältester Verlag der Welt denkt über Gold-OA nach

In einem Interview im Börsenblatt gibt Susanne Franzkeit, Schwabe-Verlagsleiterin, ihre Überlegung hinsichtlich einer Open-Access-Strategie bekannt:

Wir wollen im Verlag die Digitalisierung vorantreiben und neue Workflows etablieren. Diesen Sommer starten wir die Plattform “Schwabe Online”, auf der wir zunächst das “Historische Wörterbuch der Philosophie” in einer Datenbank zugänglich machen wollen. Diese steht auch anderen Verlagen offen. Außerdem möchte ich eine konsequente Open-­Access-Strategie umsetzen, die auf “Open Access Gold” basiert – also auf Publikationen, die sofort mit Erscheinen der Druckversion frei zugänglich sind und dafür von Autoren oder Institutionen finanziert werden. Dabei denke ich auch an die Möglichkeit, diese Open-Access-Inhalte auf eigenes Risiko weiterzuentwickeln und zu vermarkten – hier kann unsere verlegerische Kompetenz, Inhalte zu veredeln, zum Zuge kommen.

Taylor & Francis mischen sich in Inhalte ein

Taylor & Francis haben anscheinend versucht, die Veröffentlichung eines Artikels über Preistreiberei wissenschaftlicher Verlage zu stoppen, so berichtet Times Higher Education:

The debate, in the journal Prometheus: Critical Studies in Innovation, was due to appear last September, but was delayed by Taylor & Francis and published only at the end of last month.

T&F soll die Kürzung des Artikels um mehr als die Hälfte gefordert und zudem verlangt haben, eingeladene Debattenbeiträge sollen von ihnen genehmigt werden. Der Verlag konnte sich immerhin durchsetzen mit der Forderung, die Namen von Verlagshäusern zu streichen. Was natürlich Unsinn ist, wenn u.a. die Cost-of-Knowledge-Kampagne erwähnt wird, die dem elsevierschen Treiben gewidmet ist. Hier der Artikel:

David Harviea, Geoff Lightfoota, Simon Lilleya & Kenneth Weira: Publisher, be damned! From price gouging to the open road. Prometheus: Critical Studies in Innovation Bd. 31, H. 3, 2013. http://dx.doi.org/10.1080/08109028.2014.891710

Der Artikel wird interessant ergänzt durch:

Glenn S. McGuigan: Hateful metrics and the bitterest pill of scholarly publishing. Prometheus: Critical Studies in Innovation Bd. 31, H. 3, 2013.
http://dx.doi.org/10.1080/08109028.2014.891711

Liebe Fachverlage, nutzt Sherpa/Romeo!

Immer wieder treten AutorInnen an Bibliotheken heran und fragen: “Wie ist das eigentlich mit meinem Artikel aus dem Jahre 1998 in der ‘Zeitschrift für Dieses und Jenes’, kann ich den einfach einscannen und auf diesen Open-Access-Server stellen”?

Meine Antwort lautet dann meist: “Keine Ahnung, aber das versuchen wir herausfinden.”

Zuerst schaue ich in der ZDB nach, in welchem Verlag die Zeitschrift erschienen ist. Dann schaue ich in der Sherpa/Romeo-Datenbank nach, ob die Zeitschrift oder der Verlag samt Open-Access-Policy dort eingetragen ist.

Wenn nicht, folgt darauf dann in der Regel eine unterschiedlich lange und unterschiedlich ergebnisreiche Recherche mit vielen, vielen Telefonaten.

Das erste Telefonat führt mich meist zu irgendjemandem im Verlag, der oder die zufällig gerade am Telefon ist. Ich werde dann verwiesen an andere Verlagsmitarbeiter, die dem ersten Ansprechpartner zum Thema “Online” oder “Fachzeitschrift” gerade als erstes eingefallen sind.

Dann werden mir Kontaktdaten von einer Person genannt, die mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit

  • neu im Verlag,
  • im Urlaub,
  • nicht zuständig oder
  • in der Materie etwas unsicher

ist. Als nächstes werden Mail-Adressen und dann auch Mails ausgetauscht. Dann: Sendepause. Auf Nachfrage irgendwann: “Können wir Ihnen auch nicht genau sagen, aber es wird schon niemand was dagegen haben.”

Liebe Fachverlage, sparen Sie mir und sich selbst bitte viel Zeit und tragen Sie Ihre Open-Access-Policy bitte in die oben erwähnte Sherpa/Romeo-Datenbank ein! Es gibt dort ein Formular, mit dessen Hilfe das ganz einfach ist.

Das Ergebnis sieht man hier bei den nach der Sherpa/Romeo-Farbenlehre “grünen” Verlagen.

Ein Ergebnis, das Sie dann nicht sehen, möchte ich Ihnen beschreiben: AutorInnen, denen Sie das Leben ein bißchen einfacher gemacht haben und die Sie in guter Erinnerung behalten. Besonders im Vergleich zum Konkurrenzverlag, der nicht in Sherpa/Romeo steht!

Ich habe übrigens fast immer mit gutwilligen und hilfsbereiten Verlagsmenschen zu tun, denen ein Eintrag in dieser Datenbank ebenfalls helfen würde. Einmal als Sicherheit, nicht aus Versehen etwas Falsches zu sagen. Und weil es einfach Zeit sparen würde.

Springer Science+Business Media geht an die Börse

Kanadier, US-Amerikaner, Japaner und Australier dürfen nun nicht weiterlesen:

Man frage mich nicht, warum. Börsen-Experten können das vielleicht erklären, ich jedoch nicht. Für erhellende Hinweise in den Kommentaren (ob von Kanadiern oder anderen) wäre ich sehr dankbar. Doch nun zum eigentlichen Thema dieses Postings:

Aktien von Springer Science+Business Media, einem Fachverlag im Bereich Science, Technology, Medicine, sollen vor der Sommerpause im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse notieren

Das kürzlich unter anderem auf Turi2 kolportierte Gerücht erweist sich also als wahr. Der Wert der auszugebenden Aktien wird mit ungefähr 760 Millionen Dollar angegeben. Die komplette Meldung zum Börsengang findet sich bei Aktiencheck.de. Interessant ist, dass in dieser für Springer sicherlich sehr wichtigen Meldung ausdrücklich auf Open Access als wachsendem Markt Bezug genommen wird:

Wir sind ein führender und wirklich globaler STM-Verlag, der in den Marktsegmenten eBooks und Open Access hervorragend aufgestellt ist, und wollen von weiteren Wachstumstrends profitieren.

Noch ein interessantes Zitat:

Der Wandel zum digitalen Modell hat die Grenzkosten für die Veröffentlichung und den Verkauf neuer Artikel, Bücher und Zeitschriften signifikant verringert.

Weiterhin sei Springer in “aufstrebenden Märkten”, besonders in China und Indien, seit vielen Jahren vertreten und genieße dort einen guten Ruf.

Der Börsengang könnte eine gute Gelegenheit bieten, einen tieferen Einblick in die Markteinschätzung durch einen großen kommerziellen OA-Akteur zu bekommen. Liest hier jemand mit, der oder die sich mit Börsengängen und den dazugehörigen Informationspflichten (Börsenprospekt, etc.) auskennt? Was ist da zu erwarten?

PS: Kennt jemand die Studie Open Access: Market Size, Share, Forecast, and Trends von Laura Ricci? Ich habe gerade keine $895 zur Hand für die 36 Seiten…

Das fast getötete Buch

Teil der Operation Frühjahrsputz 2013, in deren Verlauf angefangene und nie beendete Postings einfach so veröffentlicht werden.

Paper books in a digital era: How conservative publishers and authors almost killed off books in university social science

For more than 15 years, books available only in paper form have fought a losing battle with digitally-available articles in academic journals – the publishing equivalent of horse cavalry repeatedly charging barbed wire defences with machine guns. As their usefulness and effectiveness waned, so the intellectual status of books in the social sciences declined strongly.

Edwin-Mellen-Verlag verklagt Bibliothekar auf Schadenersatz in Millionenhöhe

Dale Askey, den viele der hier Lesenden unter anderem vom einen oder anderen Bibcamp oder auch durch sein Blog kennen, wurde vom Verlag Edwin Mellen verklagt. Die Geschichte ganz knapp zusammengefasst:

  1. Dale Askey kritisiert den Verlag.
  2. Zwei Jahre später verklagt der Verlag Dale Askey und dessen Universität auf insgesamt 4,5 Millionen US$ Schadenersatz.

Inside Higher Ed beschreibt es es etwas detaillierter:

Edwin Mellen Press, an academic publisher with offices in upstate New York and Britain, filed two lawsuits in June in Ontario’s Superior Court. The first implicates Askey and McMaster, his current employer and employer for some of the time the blog post was live, as “vicariously liable” for his statements, and claims libel and exemplary damages in the amount of $3.5 million. A second suit, filed against Askey alone, claims more than $1 million in similar damages (the individual suit names Herbert Richardson, press founder, as plaintiff and alleges additional, defamatory remarks directed against him personally on the blog).

Es gibt schon eine an Mellen gerichtete Petition, die den Verlag auffordert, die Klage fallen zu lassen. Und seine Uni hat sich glücklicherweise hinter Dale gestellt:

In its Statement on Academic Freedom, McMaster University affirms the right of the academic community to engage in full and unrestricted consideration of any opinion. Beyond this commitment to teach and learn unhindered by non-academic constraints, the University strongly supports the exercise of free speech as a critical social good.

For this reason, McMasterUniversity has for more than eighteen months rejected all demands and considerable pressure from the Edwin Mellen Press to repudiate the professional opinions of university librarian Dale Askey, notwithstanding the fact that those opinions were published on his personal blog several months before he joined McMaster.

Because of our respect for individual freedom of speech, the University finds itself today a co-defendant with Mr. Askey in a legal action brought by the Edwin Mellen Press.

The University will continue to rigorously defend its commitment to academic freedom and freedom of speech as the case proceeds before the courts.

Dem ist wenig hinzuzufügen. Außer der Hoffnung, dass der Verlag Edwin Mellen demnächst mal nachschlägt, was denn der Streisand-Effekt ist. Das Vorgehen des Verlags ist komplett unakzeptabel und hoffentlich auch in Kanada ohne Aussicht auf Erfolg. Wenn Mellen damit durchkäme, wäre (nicht nur bibliothekarische) Kritik an Verlagen und deren Produkten in Zukunft mit erheblicher Rechtsunsicherheit verbunden.

[via BoingBoing und Archivalia]

Aktualisierte Liste der "predatory open access publishers"

“Beall’s List” hatten wir hier vor einiger Zeit schon einmal. Die Liste wurde nun aktualisiert und vor einigen Tagen wurden auch die Kriterien veröffentlicht, die zu einer Aufnahme führen.

Einzelne Kriterien sind durchaus diskutabel. Ein paar Beispiele, denen man m.E. nicht zustimmen muss:

  • Depends on author fees as the sole and only means of operation with no alternative, long-term business plan for sustaining the journal through augmented income sources.
  • The publisher does not use ISSN numbers, DOI numbers or uses them improperly.
  • The publisher has no membership in industry associations […]

Auch wenn ein genauerer Blick auf die Verlage und deren Praktiken im Einzelfall nicht ganz erspart bleibt, ist die Liste sehr hilfreich.

[via Archivalia]

"Predatory open access publishers"

Jeffrey Beall hat eine Liste von potential, possible, or probable predatory scholarly open-access publishers erstellt. “Beall’s list” ist nützlich, wenn man die Seriösität eines Verlages nicht recht einschätzen kann. Warum ein Verlag dort geführt ist, ist der Liste zwar nicht zu entnehmen. Zu vielen Verlagen findet man im Blogarchiv jedoch nähere Informationen.

[via Sauropod Vertebra Picture of the Week]

Leistungsschutzgeld beschlossene Sache?

Laut Netzpolitik.org haben sich Springer & Co (diesmal Axels Springer) nun endlich durchgesetzt. Die Bundeskoalition hat ein Leistungsschutzgeld Leistungsschutzrecht beschlossen. Laut Welt müssen sich “normale User” nicht sorgen, die “private Nutzung von Presseerzeugnissen im Internet” bleibe kostenlos. Und das Beste:

Auch für Unternehmen bleiben Papierausdrucke und das Lesen von Nachrichten am Bildschirm unentgeltlich

Unnormale User können sich dagegen sehr wohl Sorgen machen. Unnormal im Sinne des Textes sind nämlich Suchmaschinen und Aggregatoren wie Rivva oder Plan3t.info.

Wenn das LSR kommt, hoffe wohl nicht nur ich auf eine konsequente Antwort der Aggregator- und Suchmaschinenbetreiber. Und zwar am Besten so, wie es Google einst in Belgien vorgemacht hat. Deutlich formuliert: Wer zu dämlich ist, eine robots.txt zu formulieren, sollte nicht auch noch mit Traffic belohnt werden. Der immer wieder lesenswerte Stefan Niggemeier schreibt dazu:

Google und womöglich auch die Perlentaucher und turi2s dieses Landes sollen den Verlagen also Geld dafür geben, dass sie helfen, dass deren Inhalte ein Publikum finden.

Das ist etwa, als müssten die Gelben Seiten den Unternehmen dafür zahlen, dass sie ihre Informationen aufnehmen dürfen. Als müsste der Busfahrer dem Kirmesbetreiber Geld dafür geben, dass er die Kunden zu ihm bringt. Dem Vorhaben fehlt jede innere Logik.

Vor allem wenn man sich ansieht, wie groß der von Google, Facebook & Co generierte Traffic-Anteil bei den verschiedenen Presseangeboten ist. Dies wird sich seit März 2011 kaum wesentlich verringert haben.

Hier der Text der Koalitionsrundenergebnisse (PDF). Die Passage zum Leistungsschutzrecht findet sich auf Seite 4.

PS: Es ist an der Zeit, das Urheberrecht in Verwerterrecht umzubenennen. Dem Schutz der Urheber dient es schon lange nicht mehr.