Kommentar zu einem Kommentar zu Bibliotheken

Christine Adam veröffentlichte am 2. September in der Neuen Osnabrücker Zeitung einen Kommentar. Einigen ihrer Punkte mag man durchaus zustimmen. Einleitend greift sie jedoch etwas auf, das ich längst überwunden glaubte.

Immer weniger Bücher zum Anfassen, immer weniger fundiertes Wissen aus Originalquellen, stattdessen weiter anschwellende unzuverlässige Info-Fluten aus dem Internet? Wie gut, dass manche Horror-Visionen mit Gegenentwürfen abgemildert werden. Die mächtigen Metropolenbibliotheken könnten so ein Korrektiv sein.

  1. Immer weniger Bücher? Die Umsätze des Buchhandels sind laut Börsenverein sind 2012 deutlich höher gewesen als 2002. Die “Titelproduktion Erstauflage” lag 2003 bei 61.538 Titeln, 2012 bei fast 80.000 Titeln. Selbst ein leichter Rückgang in den letzten Jahren verringert den Anstieg insgesamt kaum.
  2. Weniger fundiertes Wissen aus Originalquellen? Hach, dazu ließe sich einiges sagen. Aber nehmen wir uns die webkritische Kernaussage vor: Hat die Kommentatorin einen Brockhaus hinter sich im Regal? Wo schlägt sie denn nach, wer frisch ans Tageslicht gespülte Personen des Zeitgeschehens wie Oliver Scheytt aus Steinbrücks Kompetenzteam sein könnten? Etwa im Munzinger? Oder nicht doch eher in Wikipedia, die zu Scheytt einen mittelgroßen Artikel liefert?
  3. “Die mächtigen Metropolenbibliotheken” haben inzwischen auch die eine oder andere Online-Quelle im Portfolio. Manche sogar diese 50 Millionen Werke hier. Wo die alle herkommen? Aus diesem Internet.

Ist das alles eine Horrorvision? Ist es so furchtbar, wenn sich jede und jeder zu jedem Zeitpunkt ganz nach den eigenen Vorstellungen in einem riesigen Meer von Informationen bedienen kann?

Brockhaus und der Untergang des Abendlandes

Ein kurzer Zwischenruf: Nahezu überall wird gerade der Untergang des Abendlandes beklagt, weil der Brockhaus nicht mehr in der Druckausgabe erscheinen soll. Bejammert wird unter anderem, dass nun das Weltwissen nicht mehr archiviert werden kann, weil Wikipedia sich ja ständig ändert.

Eine Vermutung, zwei Anmerkungen zu diesem Thema:

  1. Die Benutzung des Brockhaus oder anderer Printlexika in den meisten Redaktionen wird in etwas so stark ausfallen, wie in vielen Bibliotheken. Das bedeutet im Klartext, dass ab und an mal jemand Staub wischen muss.
  2. Künftige Historikergenerationen werden nur dann in Heulen und Zähneklappern verfallen müssen, wenn es heutigen Historikern, Archivaren und Bibliothekaren nicht gelingt, die Downloadanleitung der Wikipedia zu verstehen und umzusetzen.
  3. Der Brockhaus ist kein Heiligtum, und nicht alles, was dort enthalten ist, ist richtig oder besser formuliert als in der Wikipedia.

Diese ideologische Grundsatzdebatte Brockhaus, bzw. Britannica vs. Wikipedia ist zunehmend lächerlich. Es geht vielen anscheinend nicht um die Inhalte, sondern um Nostalgie. Dies mag ein Gesichtspunkt sein, unter der man das langsame Schwinden der gedruckten Lexika bedauern kann. Aber dann sollte es auch so formuliert und nicht mit Halbwissen à la “Fluch der Flüchtigkeit” verbrämt sein.

Brockhaus unterliegt Wikipedia

Bei einer Recherche des Wissenschaftlichen Informationsdienstes, Köln (WIND) schnitt Wikipedia bei verschiedenen Bewertungspunkten insgesamt besser ab als die Online-Ausgabe des Brockhaus.

Besonders bei der Aktualität siegte Wikipedia. Allerdings gab der WIND auch beim Thema Richtigkeit oft den Wiki-Einträgen den Vorzug. Dagegen lag der Brockhaus bei der Verständlichkeit vorn.

[via n-tv]