Schultrojaner? Karlsruhe, bitte übernehmen Sie!

Die Kultusminister der Länder haben Verlagen vertraglich zugesichert, mittels Überwachungssoftware auf Schulrechnern nach “Plagiaten” (gemeint sind urheberrechtlich geschützte Materialien) suchen zu dürfen. Paragraph 6, Absatz 4 aus dem “Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG” (PDF):

Die Verlage stellen den Schulaufwandsträgern sowie den kommunalen und privaten Schulträgern auf eigene Kosten eine Plagiatssoftware zur Verfügung, mit welcher digitale Kopien von für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werken auf Speichersystemen identifiziert werden können. Die Länder wirken – die technische und datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit der Software vorausgesetzt – darauf hin, dass jährlich mindestens 1 % der öffentlichen Schulen ihre Speichersysteme durch Einsatz dieser Plagiatssoftware auf das Vorhandensein solcher Digitalisate prüfen lässt. Der Modus der Auswahl der Schulen erfolgt – aufgeschlüsselt nach Ländern und Schularten – in Absprache mit den Verlagen auf Basis eines anerkannten statistischen Verfahrens. Die Überprüfungen erfolgen ab Bereitstellung der Software, frühestens jedoch im 2. Schulhalbjahr 2011/2012.

Netzpolitik.org fasst zusammen:

Unsere Kultusminister schließen einen Rahmenvertrag mit Rechteinhabern und erlauben diesen im Gegenzug, einen Schultrojaner auf unsere Schulen loszulassen, und ggf. Lehrer für unberechtigte Kopien zu sanktionieren. Es klingt wie eine Schnapsidee, wobei es äußerst fragwürdig ist, ob das überhaupt rechtlich durchführbar ist. Hat das eigentlich mal jemand vor Vertragsabschluß durchdacht? Erschütternd ist, dass unsere Kultusministerien sowas überhaupt verhandelt und dann durch den bayrischen Kultusminister unterschrieben haben. Noch ist Zeit, den Einsatz dieser Schnüffelsoftware zu verhindern.

Man muss es sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: im Dezember letzten Jahres haben die Kultusminister der Länder einem Vertrag zugestimmt, der es Verlagen erlaubt, auf Schulrechnern Software zwecks Überwachung der dort liegenden Inhalte zu installieren. Auch Schulbibliotheksrechner sind übrigens Schulrechner. Karlsruhe, bitte übernehmen Sie. Danach möge es bitte gesunden Menschenverstand und ein wenig Bewusstsein für Grundrechte vom Himmel regnen.

#0zapftis: Wer archiviert die CCC-Schriften?

Der CCC hat einen Staatstrojaner analysiert (ob Bundestrojaner oder Landestrojaner) und der Aufschrei ist groß. Die Folgen werden es hoffentlich ebenso sein. Wer auch immer dies veranlasst hat, hier reicht ein einfacher Rücktritt nicht aus.

Irgendein Innenminister wird vermutlich in Kürze sein Amt abgeben müssen. Dies wird für Politikwissenschaftler heute und Historiker in späteren Zeiten interessant sein. Jetzt sind die Quellen zahlreich. FAZ, Zeit Online, Fefe, Netzpolitik und viele andere dokumentieren den Fall. Vieles, vielleicht auch dieser Artikel bei Heute.de wird in Kürze “depubliziert” oder aus anderen Gründen nicht mehr verfügbar sein. Vielleicht auch die Analyse des CCC (PDF) nicht.

Wer archiviert solche Reports? Im Katalog der DNB habe ich nur neun Publikationen des Chaos Computer Club. Da der Output dort doch etwas größer ist, vermute ich, dass dortige Netzpublikationen nicht eingesammelt werden. Müssen sich kommende Generationen auch Archive.org und ähnliche Initiativen verlassen?