Discovery-System und/oder Katalog?

Mir wurde die Erreichung der “nächste Stufe der Verblödung” für die Verwendung des Begriffes “Katalog” für eine VuFind-Installation unterstellt. Leider kann ich diese Auszeichnung nicht annehmen. Andere waren da viel schneller. Zum Beispiel die KollegInnen an folgenden Bibliotheken:

  • Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy [1] “Der Katalog der Hochschule für Musik und Theater ist online.”
  • TU Chemnitz [2] “Der neue Katalog der TU Chemnitz ist online”
  • Max Planck Institutes for Ecology and for Biogeochemistry [3] http://catalog.clib-jena.mpg.de/
  • UB Leipzig [4] “Der neue Katalog der Universitätsbibliothek Leipzig […]”
  • TUB Hamburg-Harburg [5] “Außerdem hat unser vufind-Katalog jetzt einen Namen: TUBfind.”
  • Bundesgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht [6] “Gemeinsamer Katalog des BGH, BVerwG und BVerfG”

In Hamburg wurde eine Abschlussarbeit mit dem Titel Bachelopac [7] “Der OPAC aus dem Baukasten : Realisierung eines Katalog 2.0 unter Einbeziehung der Community” geschrieben. Und das VuFind-Team selbst [8] “[…] the ability to browse the catalog weiß auch nicht, was es tut, ebenso wenig die VZG [9] “[…] der letztlich als produktiver Katalog mit vufind realisiert wurde.” .

Die ersten Verblöder sind wir also schon einmal nicht. Aber auch inhaltlich ist die Kritik an der Bezeichung m.E. verfehlt. Aus Löfflers “Einführung in die Katalogkunde”, S. 11: [10] Löffler, Karl; Fischer, Norbert (1956): Einführung in die Katalogkunde. 2. Aufl. Stuttgart: Hiersemann. (PDF)

Heute versteht jedermann, wenigstens in der Bücherwelt, unter Katalog in erster Linie ein nach bestimmten Gesichtspunkten geordnetes Verzeichnis von Schriften, und zwar von Schriften, die in einer bestimmten Sammlung, einer bestimmten Bibliothek, gelegentlich auch in einer bestimmten Gruppe von Bibliotheken vorhanden sind, also ein Bücherverzeichnis für eine einzelne Stätte oder jedenfalls von begrenztem Umfang.

Dass ein Katalog das Verzeichnis der Medien einer Institution ist, ist auch heute noch gängige Definition. Und da wir via VuFind nur Medien zugänglich machen, zu denen wir auch den Zugang bieten, halte ich die Bezeichnung “Katalog” durchaus für angemessen.

Auch wenn man anderer Meinung ist: Am wichtigsten bei der Benennung dieser Dienstleistung ist meines Erachtens, dass die Nutzer wissen, was sich dahinter verbirgt. Und beim Familienduell (“Wir haben 100 Leute befragt..”) wäre auf die Aufforderung, Suchinstrumente zu nennen, “Discovery-System” sicherlich nicht auf den vorderen Plätzen gelandet.

Schultrojaner? Karlsruhe, bitte übernehmen Sie!

Die Kultusminister der Länder haben Verlagen vertraglich zugesichert, mittels Überwachungssoftware auf Schulrechnern nach “Plagiaten” (gemeint sind urheberrechtlich geschützte Materialien) suchen zu dürfen. Paragraph 6, Absatz 4 aus dem “Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG” (PDF):

Die Verlage stellen den Schulaufwandsträgern sowie den kommunalen und privaten Schulträgern auf eigene Kosten eine Plagiatssoftware zur Verfügung, mit welcher digitale Kopien von für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werken auf Speichersystemen identifiziert werden können. Die Länder wirken – die technische und datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit der Software vorausgesetzt – darauf hin, dass jährlich mindestens 1 % der öffentlichen Schulen ihre Speichersysteme durch Einsatz dieser Plagiatssoftware auf das Vorhandensein solcher Digitalisate prüfen lässt. Der Modus der Auswahl der Schulen erfolgt – aufgeschlüsselt nach Ländern und Schularten – in Absprache mit den Verlagen auf Basis eines anerkannten statistischen Verfahrens. Die Überprüfungen erfolgen ab Bereitstellung der Software, frühestens jedoch im 2. Schulhalbjahr 2011/2012.

Netzpolitik.org fasst zusammen:

Unsere Kultusminister schließen einen Rahmenvertrag mit Rechteinhabern und erlauben diesen im Gegenzug, einen Schultrojaner auf unsere Schulen loszulassen, und ggf. Lehrer für unberechtigte Kopien zu sanktionieren. Es klingt wie eine Schnapsidee, wobei es äußerst fragwürdig ist, ob das überhaupt rechtlich durchführbar ist. Hat das eigentlich mal jemand vor Vertragsabschluß durchdacht? Erschütternd ist, dass unsere Kultusministerien sowas überhaupt verhandelt und dann durch den bayrischen Kultusminister unterschrieben haben. Noch ist Zeit, den Einsatz dieser Schnüffelsoftware zu verhindern.

Man muss es sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: im Dezember letzten Jahres haben die Kultusminister der Länder einem Vertrag zugestimmt, der es Verlagen erlaubt, auf Schulrechnern Software zwecks Überwachung der dort liegenden Inhalte zu installieren. Auch Schulbibliotheksrechner sind übrigens Schulrechner. Karlsruhe, bitte übernehmen Sie. Danach möge es bitte gesunden Menschenverstand und ein wenig Bewusstsein für Grundrechte vom Himmel regnen.

Fräulein vom Amt fordert Vorratsdatenspeicherung

In einem “Dialogpapier” (PDF) fordern (alle sollen genannt sein) die Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Bundesverband Musikindustrie, GEMA – Gesellschaft für musikalische Aufführungs und mechanische Vervielfältigungsrechte, GVU – Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen, der Markenverband, Motion Picture Association (MPA), NBC Universal, Sky Deutschland, SPIO – Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, Universal Music Entertainment, VPRT – Verband Privater Rundfunk und Telemedien und VUT – Verband der unabhängigen Musikunternehmen: Vorratsdatenspeicherung für Urheberrechtsvergehen!

Um keine “rechtsdurchsetzungsfreien Teilräume” entstehen zu lassen, fordern die Rechteinhaber daher eine zeitlich ausreichende gesetzliche Speicherverpflichtung der Internetzugangsanbieter hinsichtlich der für die Beauskunftung von Inhabern bestimmter IP-Adressen erforderlichen Daten im Telekommunikationsgesetz. Neben dieser gesetzlichen Speicherverpflichtung muss im Telekommunikationsgesetz klargestellt werden, dass diese wenigen Daten auch zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums verwendet werden können.

Dem stelle man einmal die Leitsätze zum Urteil des Ersten Senats vom 2. März 2010 des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung (1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08, gekürzt) entgegen:

1. Eine sechsmonatige, vorsorglich anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten durch private Diensteanbieter, wie sie die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 (ABl L 105 vom 13. April 2006, S. 54; im Folgenden: Richtlinie 2006/24/EG) vorsieht, ist mit Art. 10 GG nicht schlechthin unvereinbar; auf einen etwaigen Vorrang dieser Richtlinie kommt es daher nicht an.

[…]

5. Der Abruf und die unmittelbare Nutzung der Daten sind nur verhältnismäßig, wenn sie überragend wichtigen Aufgaben des Rechtsgüterschutzes dienen. Im Bereich der Strafverfolgung setzt dies einen durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht einer schweren Straftat voraus. Für die Gefahrenabwehr und die Erfüllung der Aufgaben der Nachrichtendienste dürfen sie nur bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für eine gemeine Gefahr zugelassen werden.

Sind Börsenverein & Co also der Ansicht, es handle sich bei ihrem Anliegen um eine überragend wichtige Aufgabe des Rechtsgüterschutzes, für die man schon einmal in freiheitliche Grundrechte eingreifen kann? Das dachten die Fräuleins vom Amt nach Aufkommen der automatischen Vermittlungstechnik vielleicht auch.

[via Heise]

Matthias Kleiner und Roland Reuß zu Open Access und zum Heidelberger Appell

Harter Starker Tobak von Roland Reuß im Interview mit Forschung&Lehre, die einen Schwerpunktausgabe zu Open Access herausgebracht haben.

F&L: Sie meinen, die DFG gibt Gutachten mit Hinweis auf das gewünschte Ergebnis in Auftrag?

Roland Reuß: Ja, bei jemandem, der auch schon den englischen Open-Access-Publikationssektor schöngerechnet hat. Souveränität sieht anders aus. Offenheit und selbstkritisches Verhalten auch.

Reuß prophezeit auch, dass die OA-Initiative der Allianz der Wissenschaftsorganisationen am Grundgesetz scheitern wird. Ich bin gespannt auf die erste Verfassungsklage gegen das Max-Planck-Institut. Ansonsten wirft er mal wieder OA und Google in einen Topf. Man kann das nicht mehr mit Unkenntnis entschuldigen. Reuß sollte inzwischen wissen, wo die Unterschiede liegen. Ich bin auch müde, sie immer und immer wieder zu formulieren. Dazu Matthias Kleiner (DFG-Präsident) im zweiten F&L-Artikel zu OA:

Die Freiheit der Autoren ist durch Open Access nicht bedroht. Der „Heidelberger Appell“ hat leider sehr unglücklich, und wie ich finde auch unzulässig, die Debatten um die Google Book Search einerseits und um Open Access andererseits vermischt. Beim Open-Access- Publizieren geht es ausschließlich darum, dass Autoren als Urheber ihrer Werke den über das Internet für den Leser entgeltfreien Zugang zu ihren eigenen Schöpfungen gewähren. Somit entscheiden immer die Urheber über die Art und Weise einer Publikation.
Diesen ganz grundsätzlichen Punkt konnte ich inzwischen auch in einem Briefwechsel mit Vittorio Klostermann, der ja nicht nur Mit-Initiator des „Heidelberger Appells“, sondern auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Verleger ist, klar stellen. Dadurch sind solche Missverständnisse für die Zukunft hoffentlich ausgeräumt.

Ein frommer Wunsch, der schon wegen der sturen Ignoranz der Heidelberger Missionare nicht in Erfüllung gehen wird.