Fräulein vom Amt fordert Vorratsdatenspeicherung

In einem “Dialogpapier” (PDF) fordern (alle sollen genannt sein) die Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Bundesverband Musikindustrie, GEMA – Gesellschaft für musikalische Aufführungs und mechanische Vervielfältigungsrechte, GVU – Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen, der Markenverband, Motion Picture Association (MPA), NBC Universal, Sky Deutschland, SPIO – Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, Universal Music Entertainment, VPRT – Verband Privater Rundfunk und Telemedien und VUT – Verband der unabhängigen Musikunternehmen: Vorratsdatenspeicherung für Urheberrechtsvergehen!

Um keine “rechtsdurchsetzungsfreien Teilräume” entstehen zu lassen, fordern die Rechteinhaber daher eine zeitlich ausreichende gesetzliche Speicherverpflichtung der Internetzugangsanbieter hinsichtlich der für die Beauskunftung von Inhabern bestimmter IP-Adressen erforderlichen Daten im Telekommunikationsgesetz. Neben dieser gesetzlichen Speicherverpflichtung muss im Telekommunikationsgesetz klargestellt werden, dass diese wenigen Daten auch zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums verwendet werden können.

Dem stelle man einmal die Leitsätze zum Urteil des Ersten Senats vom 2. März 2010 des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung (1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08, gekürzt) entgegen:

1. Eine sechsmonatige, vorsorglich anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten durch private Diensteanbieter, wie sie die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 (ABl L 105 vom 13. April 2006, S. 54; im Folgenden: Richtlinie 2006/24/EG) vorsieht, ist mit Art. 10 GG nicht schlechthin unvereinbar; auf einen etwaigen Vorrang dieser Richtlinie kommt es daher nicht an.

[…]

5. Der Abruf und die unmittelbare Nutzung der Daten sind nur verhältnismäßig, wenn sie überragend wichtigen Aufgaben des Rechtsgüterschutzes dienen. Im Bereich der Strafverfolgung setzt dies einen durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht einer schweren Straftat voraus. Für die Gefahrenabwehr und die Erfüllung der Aufgaben der Nachrichtendienste dürfen sie nur bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für eine gemeine Gefahr zugelassen werden.

Sind Börsenverein & Co also der Ansicht, es handle sich bei ihrem Anliegen um eine überragend wichtige Aufgabe des Rechtsgüterschutzes, für die man schon einmal in freiheitliche Grundrechte eingreifen kann? Das dachten die Fräuleins vom Amt nach Aufkommen der automatischen Vermittlungstechnik vielleicht auch.

[via Heise]

Sündenpfuhl Internet bald auch in Münchner Stadtteilbibliotheken unbegrenzt verfügbar

Jürgen Plieninger macht in Netbib auf einen Artikel zur Einführung von WLAN in der Stadtbibliothek Laim aufmerksam:

Doch nicht jeder befürwortet die uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit des Internets. So wandte BA-Mitglied Jutta Hofbauer (Bündnis 90/ Die Grünen) ein: „Es gibt schon genug Möglichkeiten für Internetnutzung.” Zudem müsse man überlegen, wie die Internetnutzung für Kinder zu handhaben sei. Fraktionskollege Ingo Benn gab zu bedenken, dass eine W-Lan Verbindung eine unbegrenzte Nutzung des Internets und damit verschiedenster Inhalte ermögliche. Die jetzt zur Verfügung gestellten PCs hingegen seien durch Sicherheitssysteme geschützt. Und Anette Zöllner (CSU) sah die zusätzliche Strahlenbelastung, die durch W-Lan-Netzte entstünde, als einen Nachteil für die geplante Umsetzung. Auf Grund der kontroversen Ansichten, fiel schließlich die Entscheidung des Gremiums sehr knapp aus. Nur mit geringer Mehrheit stimmte der BA dem gestellten SPD-Antrag zu.

Gibt es schon genügend Möglichkeiten der Internetnutzung? Das Allensbach-Institut hat dazu folgende Frage gestellt:

“Haben Sie von zu Hause Zugang zum Internet, ich meine, gibt es bei Ihnen zu Hause die Möglichkeit, ins Internet zu gehen?”

2010 wurden dazu 9.036 Personen befragt. Hochgerechnet ergab das laut Allensbach [1] Quelle: Statista, Zugang kostenpflichtig ca. 9,5 Millionen Personen zwischen 14 und 64 Jahren, die zuhause keinen Internetzugang haben. Auch wenn Jutta Hofbauer das anders sieht: flächendeckender Internetzugang ist nach wie vor nicht gegeben.

Das es Ingo Benn erschreckt, wenn eine unbegrenzte Nutzung des Internets und damit verschiedenster Inhalte einfach so für Hinz und Kunz möglich ist, lass ich einfach mal unkommentiert stehen.

References

References
1 Quelle: Statista, Zugang kostenpflichtig

Matthias Kleiner und Roland Reuß zu Open Access und zum Heidelberger Appell

Harter Starker Tobak von Roland Reuß im Interview mit Forschung&Lehre, die einen Schwerpunktausgabe zu Open Access herausgebracht haben.

F&L: Sie meinen, die DFG gibt Gutachten mit Hinweis auf das gewünschte Ergebnis in Auftrag?

Roland Reuß: Ja, bei jemandem, der auch schon den englischen Open-Access-Publikationssektor schöngerechnet hat. Souveränität sieht anders aus. Offenheit und selbstkritisches Verhalten auch.

Reuß prophezeit auch, dass die OA-Initiative der Allianz der Wissenschaftsorganisationen am Grundgesetz scheitern wird. Ich bin gespannt auf die erste Verfassungsklage gegen das Max-Planck-Institut. Ansonsten wirft er mal wieder OA und Google in einen Topf. Man kann das nicht mehr mit Unkenntnis entschuldigen. Reuß sollte inzwischen wissen, wo die Unterschiede liegen. Ich bin auch müde, sie immer und immer wieder zu formulieren. Dazu Matthias Kleiner (DFG-Präsident) im zweiten F&L-Artikel zu OA:

Die Freiheit der Autoren ist durch Open Access nicht bedroht. Der „Heidelberger Appell“ hat leider sehr unglücklich, und wie ich finde auch unzulässig, die Debatten um die Google Book Search einerseits und um Open Access andererseits vermischt. Beim Open-Access- Publizieren geht es ausschließlich darum, dass Autoren als Urheber ihrer Werke den über das Internet für den Leser entgeltfreien Zugang zu ihren eigenen Schöpfungen gewähren. Somit entscheiden immer die Urheber über die Art und Weise einer Publikation.
Diesen ganz grundsätzlichen Punkt konnte ich inzwischen auch in einem Briefwechsel mit Vittorio Klostermann, der ja nicht nur Mit-Initiator des „Heidelberger Appells“, sondern auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Verleger ist, klar stellen. Dadurch sind solche Missverständnisse für die Zukunft hoffentlich ausgeräumt.

Ein frommer Wunsch, der schon wegen der sturen Ignoranz der Heidelberger Missionare nicht in Erfüllung gehen wird.

48 Jahre Informationsfreiheit

Penguins against Censorship - unite, unite!
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland wird heute 48, und somit auch sein
für das Bibliotheks- und Informationswesen wohl wichtigster fünfter Artikel.

Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034), heißt es:
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