Urteil des EuGH: Causa Darmstadt

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in der “Causa Darmstadt” – hier im Blog erstmals im Mai 2009 erwähnt, siehe auch hier – entschieden. Eine erste Einordnung versucht Leonhard Dobusch für Netzpolitik.org, das Urteil liegt online im Volltext vor.

Kurzbewertung von Harald Müller in Inetbib: EuGH erteilt Ulmer-Verlag eine Abfuhr.

OLG Frankfurt zu Ulmer vs. ULB Darmstadt

Heise: OLG Frankfurt schränkt Nutzerrechte in Bibliotheken ein. Nun sollen nicht einmal mehr Ausdrucke von eingescannten Werken möglich sein.

Worin genau unterscheidet sich ein Ausdruck eines eingescannten Werkes von einer Kopie? Auch bei modernen Kopierern wird das Original zuerst eingescannt und dann ausgedruckt. Im Heise-Forum schreibt mukenukem:

Oh, da weiß ich was. Man platziert neben dem Leseplatz einen Fotokopierer, auf den man dann den Monitor drauflegt.

Die Idee ist nicht neu.

Mehr dazu unter anderem bei Archivalia oder Netethics. Die digitale, ausdruckbare Kopie der Urteilsbegründung (PDF) findet sich beim Börsenverein. Sie wurde eingescannt und steht auch außerhalb speziell vorgesehener Leseplätze in Bibliotheken zur Verfügung.

Update: Nun gibt es auch einen Kommentar von Eric Steinhauer zum Urteil.

Ulmer vs. Darmstadt: was folgt daraus?

BC Kaemper: Die Entscheidung des LG Frankfurts in Sachen Ulmer vs. ULB Darmstadt (Elektronische Leseplätze) liegt vor

BCK interpretiert das Urteil und kommt zu folgenden Schlüssen (Auszug) bezüglich der Rechte der Bibliotheken:

* Sie dürfen veröffentlichte Werke aus ihrem Bestand selbst digitalisieren oder digitalisieren lassen. (Annexkompetenz aus § 52b)
* Sie dürfen diese Werke an elektronischen Leseplätzen in den Räumen der Bibliothek zugänglich machen, wobei die Zahl der (gleichzeitig) zugänglich gemachten Exemplare an den eingerichteten Leseplätzen […] die Stückzahl im Bestand nicht übersteigen darf.
* Sie müssen dabei keine Rücksicht auf etwa bestehende Verlagsangebote nehmen, solange sie keine vertraglichen Regelungen mit dem Verlag eingegangen sind. Es besteht insofern Vertragsfreiheit, kein Kontraktionszwang. […]
* Es ist ausreichend, wenn die Bibliothek in ihrem Internetauftritt und an den Leseplätzen ausdrücklich auf den gesetzlich limitierten Verwendungszweck hinweist und klarstellt, dass das Angebot lediglich zur Forschung bzw. für private Studien zugänglich gemacht wird.
[…]
* Die Bibliotheken dürfen die Möglichkeit schaffen, Ausdrucke aus den an den elektronischen Leseplätzen bereitgestellten Werken anzufertigen und diese auch aus der Bibliothek mitzunehmen. Das Gesetz rechtfertigt in jedem Fall keine vollständige Kopie des Werkes, sondern nur eine auszugsweise. Ein entsprechender Hinweis an den Leseplätzen dürfte auch hier genügen.
* Es ist den Bibliotheken aber verwehrt, die Speicherung und Mitnahme der Digitalisate selbst zuzulassen.

Eric Steinhauer äußerte sich ebenfalls zum Thema:

Nicht überzeugend ist freilich die Ansicht des Gerichts, eine elektronische Kopie durch den Nutzer auszuschließen. Es ist nicht erkennbar, dass § 52b UrhG, der nur eine Schranke für die öffentliche Zugänglichmachung darstellt, § 53 UrhG als Schranke für Vervielfältigungen ausschließt. Danach sind jedenfalls für den eigenen wissenschaftlichen Gebrauch elektronische Kopien zulässig. Ein solche “Schrankenkette” vertritt im Ergebnis Dustmann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, 10. Aufl., 2009, § 52b, Rn. 13.

Hier geht’s zum Volltext (PDF) des Urteils.