Europas Medien-Gewerkschaften fordern Zensurmaßnahmen

Nicht einmal einen Monat ist es her, da forderte Ver.di in einem Positionspapier die Einrichtung einer Zensurinfrastruktur. Die bei Verkündung solch gefährlichen Unsinns zu erwartende Protestwelle (hier nur mal 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 Beispiele) fegte durch Blogs und 1-2 andere Medien. Ver.di fühlte sich mißverstanden.

Nun jedoch wird nachgelegt. UNI-Europa, die europäische Sektion des internationalen Dachverbands der Gewerkschaften des Medien- und Unterhaltungssektors (UNI-MEI) hat ein Konsultationspapier (PDF) verfasst, dass von Markus Beckedahl drüben bei Netzpolitik.org folgendermaßen zusammengefasst wird:

Im Grunde kann man das Papier auf die zentrale Forderung reduzieren: Totalüberwachung jeglichen Netzverkehrs mit Hilfe von Deep-Packet-Inspection-Technologien zur Filterung von Urheberrechtsverletzungen.

Ver.di ist nicht nur Mitglied von UNI-Europa, sondern stellt mit Heinrich Bleicher-Nagelsmann auch eins von drei Mitgliedern im Executive Commitee (PDF). Vor diesem Hintergrund muss man die folgende Stelle aus dem Konsultationspapier lesen, das also zumindest in der Mitverantwortung eines hochrangigen Ver.di-Funktionärs entstand:

Any definition of “non-discrimination” and “reasonable network management” should permit Internet service providers to use all available tools in a competitively neutral manner to detect and prevent the illegal up- and downloading of copyrighted works. Just as reasonable network management practices today are employed to improve the quality of service to end-users (for example to block viruses), they should be permitted to block content distributed in violation of copyright. Net neutrality policies should promote the responsibility of Internet service providers and stipulate requirements regarding network management to tackle unauthorised use of protected works over the Internet. Requirements should include notifications of end-users who try to access copyright-infringing material. Following such notification, appropriate steps to block access to that content should be permitted.

As long as these steps are implemented in an impartial manner, end-users should be able to view all lawfully distributed content of their choice. With respect to such procedures end-users should be informed of their rights and transparency be guaranteed. However the disclosure of specific tools or processes used to screen for stolen material should not be required. Excessive disclosure could undermine efforts to effectively combat the growth of unauthorised use of protected content over the Internet.

Hervorhebung von mir. Mehr Informationen zu den Hintergründen, auch zur schizophrenen Positionierung von Ver.di in dieser Frage gibt es bei Netzpolitik und im Blog der Digitalen Linken.

Nur zur Erinnerung: Ver.di ist die Gewerkschaft, die sich auch für die Mitarbeiter von Archiven, Bibliotheken und Dokumentationseinrichtungen zuständig fühlt. Im Code of Ethics (PDF) des BID findet sich zur Zensur folgende Formulierung:

Wir setzen uns für die freie Meinungsbildung und für den freien Fluss von Informationen ein sowie für die Existenz von Bibliotheken und Informationseinrichtungen als Garanten des ungehinderten Zugangs zu Informationsressourcen aller Art in unserer demokratischen Gesellschaft. Eine Zensur von Inhalten lehnen wir ab.

Wenn der CoE kein Feigenblatt sein soll, müssen sich die Verbände zu diesem Ver.di-Vorstoß äußern. Aber auch Ver.di selbst sollte sich hinterfragen.

In Marokko erstellte die Gewerkschaft der Nationalen Presse eine Liste der gegen Pressefreiheit begehenen Verletzungen und Schwierigkeiten der Journalisten bei Ausübung ihrer Arbeit.

So ist es in den Maghreb-Nachrichten zu lesen. In Europa gehen die Gewerkschaften nun einen anderen Weg und bereiten solche Verstöße gegen die Pressefreiheit selbst vor. Auch aus der Gewerkschaftsgeschichte sollten die Gewerkschaften eigentlich eine klare Lektion ziehen können und jede Zensur ermöglichende Infrastruktur ablehnen. Gestern waren es Kinderpornos, heute Urheberrechtsverletzungen, morgen vielleicht Aufrufe zu Demonstrationen?

Akribie-Chat am 1. Oktober

Akribie möchte sich in einem “Themenchat” vorstellen. Aus der Ankündigung:

Wer mehr über Akribie wissen möchte, ist herzlich eingeladen. Für alle Interessierten von überall ist ein Themenchat geplant. […] Eine gute Gelegenheit, um mehr zu hören und uns zu fragen.

Zeit: 1.10.2009, 19-20 Uhr
http://www.aki-stuttgart.de/chat/
Link anklicken, Sprache wählen, einloggen und los geht’s

Wer angesichts des ZugErschwG vom Schweigen der “großen” Verbände enttäuscht war, könnte sich ja vielleicht hier einbringen.

Martina Krogmann findet alle Bedenken berücksichtigt

Alles ist gut, behauptet Martina Krogmann (CDU):

Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD im Deutschen Bundestag haben alle richtigen und ernst zu nehmenden Kritikpunkte aus der Sachverständigenanhörung vor dem Wirtschaftsauschuss des Deutschen Bundestages, aus weiteren Expertengesprächen und aus der Internet Community, auch aus der Petition, in unseren umfassenden Änderungsantrag zum Gesetzentwurf aufgenommen.

Gibt es eigentlich schon Berichte über Austritte aus der CDU, die aus dieser unglaublichen Ignoranz und Wählerverachtung resultieren, oder müssen nur SPD und Grüne unter dem ZugErschwG leiden?

Schweigen im Walde: Die Bibliotheksverbände zu Zensursula

WordPress hat in Kooperation mit Firefox meinen sehr ausführlichen Artikel über die Schaffung der Zensurinfrastruktur durch CDU und SPD leider verschluckt. Egal, drüben bei Netzpolitik oder im Handelsblatt-Blog gibt’s sowieso so viel zum Thema, dass man gar nicht mehr aufhören kann, sich aufzuregen. Also fasse ich mich kurz: Willkommen, Deutschland, in diesem feinen Klub:

zensurklub

Eine Frage möchte ich nun noch wieder aufgreifen, noch bevor in Karlsruhe hoffentlich wieder für rechtsstaatliche Verhältnisse gesorgt wird [1]Die vom Verfassungsschutz beobachtete Linkspartei hat übrigens geschlossen gegen die Zensurinfrastruktur gestimmt. Ganz im Gegenteil zu CDU und SPD. Wo kann man Parteien zur Beobachtung durch den … Continue reading. Hat der Code of Ethics praktische Auswirkungen? Im Code of Ethics ist zu lesen:

Wir setzen uns für die freie Meinungsbildung und für den freien Fluss von Informationen ein sowie für die Existenz von Bibliotheken und Informationseinrichtungen als Garanten des ungehinderten Zugangs zu Informationsressourcen aller Art in unserer demokratischen Gesellschaft. Eine Zensur von Inhalten lehnen wir ab.

Wie haben die Verbände ihrer Ablehnung Ausdruck verliehen? Recherchiert habe ich auf den Webseiten der Organisationen, in Inetbib und in ihren Twitter-Accounts, soweit sie mir bekannt waren [2] Sehr gut möglich, dass ich Äußerungen der Verbände übersehen habe. Falls dies so sein sollte, bitte ich um Hinweise in den Kommentaren! . Vertreten sind im Bibliothek und Information Deutschland (BID):

Was steckt hinter diesem Engagement? Trgägheit, Unsicherheit, Ignoranz, Desinteresse? Sind die Verantwortlichen der Verbände eventuell sogar der Meinung, das es schon seine Richtigkeit hätte mit den Internetsperren?

Fest steht meines Erachtens: Das bibliothekarische Selbstbewusstsein in Deutschland ist ein sehr zartes Pflänzchen in der Arena der Political Players. [3] Andrea Kaufmann : Der bibliothekarische Aufbruch – Impressionen vom 3. Leipziger Kongress für Information und Bibliothek Wenn es nun auch in der Debatte um den Heidelberger Appell nicht gegossen wird, ist es noch bevor es zur ersten Blüte gelangen konnte, tot.

References

References
1 Die vom Verfassungsschutz beobachtete Linkspartei hat übrigens geschlossen gegen die Zensurinfrastruktur gestimmt. Ganz im Gegenteil zu CDU und SPD. Wo kann man Parteien zur Beobachtung durch den Verfassungsschutz vorschlagen?
2 Sehr gut möglich, dass ich Äußerungen der Verbände übersehen habe. Falls dies so sein sollte, bitte ich um Hinweise in den Kommentaren!
3 Andrea Kaufmann : Der bibliothekarische Aufbruch – Impressionen vom 3. Leipziger Kongress für Information und Bibliothek

Angewandter Code of Ethics: Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten!

Mir sind nicht viele Bibliotheken bekannt, die dem Ethischen Grundsätze der Bibliotheks- und Informationsberufe (PDF) offiziell Gefolgschaft geschworen haben. Die Citybibliothek Berlin (PDF) ist eine davon. Widersprochen haben dem Code nur wenige.

Es mag unzulässig sein, von stillschweigendem Einverständnis auszugehen, da viele Bibliothekare die ethischen Grundsätze schlicht und ergreifend gar nicht kennen. Doch in den Grundsätzen wird an einer Stelle formuliert, was ich als essentielles Fundament der Informationsberufe verstehe, und somit von vielen Kollegen als Selbstverständlichkeit empfunden werden dürfte:

Wir setzen uns für die freie Meinungsbildung und für den freien Fluss von Informationen ein sowie für die Existenz von Bibliotheken und Informationseinrichtungen als Garanten des ungehinderten Zugangs zu Informationsressourcen aller Art in unserer demokratischen Gesellschaft. Eine Zensur von Inhalten lehnen wir ab.

Da ich mich hier oft über fehlendes politisches Engagement der Bibliotheksverbände mokiere darf ich nun ein Positivbeispiel natürlich nicht unerwähnt lassen. Im Bibliotheksportal macht der DBV auf die Petition gegen Indizierung und Sperrung von Internetseiten aufmerksam.

Meines Erachtens noch zu wenig offensiv, da man bei einem derart relevanten Thema die Bedeutung der Informationsfreiheit und die Wichtigkeit der Informationseinrichtungen öffentlich zur Geltung bringen könnte. Eine öffentliche Einmischung hier und beim Heidelberger Appell (zu dem ich keine Äußerung fand) hätte der Wahrnehmung der Informationsberufe und natürlich auch den Anliegen selbst sehr gut getan.

Dennoch: Schon der kleine Hinweis auf die Petition ist meines Erachtens ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.

Petition gegen Zensur: Stoppt Zensursula!

Franziska Heine hat dankenswerterweise eine Petition gegen die unglaublich kurzsichtige und populistische Attacke auf die Grundrechte von Ursula von der Leyen (a.k.a. Zensursula) eingereicht.

Text der Petition

Wir fordern, daß der Deutsche Bundestag die Änderung des Telemediengesetzes nach dem Gesetzentwurf des Bundeskabinetts vom 22.4.09 ablehnt. Wir halten das geplante Vorgehen, Internetseiten vom BKA indizieren & von den Providern sperren zu lassen, für undurchsichtig & unkontrollierbar, da die “Sperrlisten” weder einsehbar sind noch genau festgelegt ist, nach welchen Kriterien Webseiten auf die Liste gesetzt werden. Wir sehen darin eine Gefährdung des Grundrechtes auf Informationsfreiheit.

Begründung

Das vornehmliche Ziel – Kinder zu schützen und sowohl ihren Mißbrauch, als auch die Verbreitung von Kinderpornografie, zu verhindern stellen wir dabei absolut nicht in Frage – im Gegenteil, es ist in unser aller Interesse. Dass die im Vorhaben vorgesehenen Maßnahmen dafür denkbar ungeeignet sind, wurde an vielen Stellen offengelegt und von Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen mehrfach bestätigt. Eine Sperrung von Internetseiten hat so gut wie keinen nachweisbaren Einfluß auf die körperliche und seelische Unversehrtheit mißbrauchter Kinder.

Um die Petition zur öffentlichen Beratung in den Petitionsausschuss zu bringen, werden bis zum 16. Juni 2009 insgesamt 50.000 Unterzeichner benötigt. Also: Weitersagen!!

Weitere Infos: