De Gruyter, die ZLB und der Bibliotheksbärendienst

Eigentlich wollte ich zum Bibliotheksdienst nichts mehr schreiben. Viele andere vermutlich auch nicht. Adrian Pohl hat dies letztens aber getan, und zwar höchst lesenswert und unter dem hübschen Titel Bibliotheksbärendienst. Worum ging es?

Adrian wollte auf einen Artikel verlinken, den er selbst 2009 im Bibliothekdienst veröffentlicht hat. Er stellte dabei fest, das dieser Artikel nicht frei im Web verfügbar ist und stellte die Frage, ob die ZLB überhaupt das Recht hatte, die Nutzungsrechte an de Gruyter zu übertragen. Klaus Graf meint dazu: nein.

Adrian Pohl hat De Gruyter auch direkt gefragt und die Antwort in seinem Blog veröffentlicht. De Gruyter sieht sich im Recht  und verlangt für alte Bibliotheksdienst-Artikel satte 30 Euro.

Sehen wir es positiv und als ganz großartige Öffentlichkeitsarbeit für die inzwischen beachtliche deutschsprachige Open-Access-Landschaft im Bibliotheks- und Informationsbereich –   und das ausgerechnet in der Open Access Week!

Ich möchte hier einmal direkt zur Mitarbeit bei der Zeitschrift aufrufen, bei der ich mich selbst engagiere, der Informationspraxis. Und darauf hinweisen, dass es darüber hinaus noch  027.7, GMS Medizin, Bibliothek, Information, Libreas, O-Bib, Perspektive Bibliothek und die VÖB-Mitteilungen gibt. Und vielleicht noch andere, die ich gerade übersehen habe.

Wer offene Fachkommunikation befördern möchte – und nur offene Fachkommunikation ist in meinen Augen tatsächlich stattfindende Fachkommunikation – hat eigentlich keine Ausrede mehr. Egal, ob man sich mit der Schweizer Verbundlandschaft, mit Problemen beim Einsatz von Textvergleichsprogrammen zur vermeintlichen Plagiatsvermeidung, mit sozialer Bibliotheksarbeit, Anforderungen an einen Fachinformationsdienst, RFID in Bibliotheken oder mit Barrierefreiheit für Digitale Bibliotheken beschäftigt: Es gibt eigentlich kein Thema mehr, für das sich nicht ein Ort außerhalb der früher mal üblichen Zeitschriften finden würde. Schön wäre dann noch der Schritt weg von den sattsam bekannten Sammelbänden, die meist doch eh nur Artikelsammlungen sind, hin zu Themenschwerpunkten in OA-Zeitschriften.

Tl;dr: Kein Mensch braucht mehr den Bibliotheksdienst. Aber der Bibliotheksdienst braucht Menschen. Es werden sich in den nächsten Jahren mehr und mehr Menschen für die oben genannten Open-Access-Optionen entscheiden. Und dass der Bibliotheksdienst im Toll-Access-Knast steckt, ist erbärmlich.

Technisches Update zu 027.7

Andreas Ledl weist in Inetbib auf Neuigkeiten zu “027.7 – Zeitschrift für Bibliothekskultur” hin:

So verfügen jetzt alle Artikel über eine DOI-Nummer und erscheinen zusätzlich zum PDF auch in HTML und EPUB.

Der Titel ist ja Geschmackssache. Aber wenn mich nicht alles täuscht, ist 027.7 nun das erste deutschsprachige Open-Access-Journal aus der BID-Ecke mit Artikel-DOI und mehreren Ausgabeformaten! Glückwunsch!

Neues deutschsprachiges OA-Journal: "027.7 – Zeitschrift für Bibliothekskultur"

Bernhard Herrlich, Andreas Ledl und David Tréfás haben sich entschieden, ein neues deutschsprachiges OA-Journal herauszugeben, dass eine Nische neben Libreas & Co füllen soll: 027.7 – Zeitschrift für Bibliothekskultur. Ein längeres Zitat aus dem Editorial zur Entstehungsgeschichte:

Wir, drei wissenschaftliche Bibliothekare der Universitätsbibliothek Basel, haben seit geraumer Zeit darüber gesprochen, dass dem Bibliothekswesen im deutschsprachigen Raum ein Open Access-Journal gut tun würde. Kurz nachdem wir uns entschlossen, ein solches zu gründen verkündete am 14. Juni 2012 die Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) in einer Pressemitteilung, die Zeitschrift „Bibliotheksdienst“ werde ab 2013 beim Verlag De Gruyter erscheinen, woran sich eine Open Access-Debatte entzündete.

Noch am selben Tag forderte Eberhard R. Hilf, es brauche „mutige Bibliothekare“, die „eine entsprechende OA Zeitschrift aufmachen und dafür werben“ (Hilf 2012). Dass sich solch couragierte Kolleginnen und Kollegen fanden, davon kann man sich auf dem Etherpad und Wiki des Projekts „newLIS“ und auf Twitter (#newlis) eindrucksvoll überzeugen. Umso überraschender kam am 4. Februar dieses Jahres die soweit wir sehen unwidersprochene Mitteilung, das Vorhaben sei gescheitert. In Kommentaren wurden zwischenzeitlich auch schon Gründe für den missglückten Versuch herausgearbeitet, so dass man leider wohl tatsächlich von einem – wenn auch in der Diskussion fruchtbaren – Fehlschlag ausgehen muss (vgl. Kaden 2013). Trotz ständiger Bedenken wegen des zu erwartenden grossen Wurfs aus Deutschland (noch dazu unterstützt von der HTW Chur), der unsere Pläne auf sehr wackligen Beinen stehen liess und im Erfolgsfall zunichte gemacht hätte, haben wir es letztendlich trotzdem gewagt: Wir haben „027.7“, die „Zeitschrift für Bibliothekskultur“, aus der Taufe gehoben.

Dem ersten Aufbruch und der Andeutung der HTW Chur folgte leider tatsächlich nichts mehr, die #newLIS-Debatte zerfaserte. Das ist zwar schade, aber immerhin konnte dieses zumindest vorläufige Scheitern von den 027.7-Machern produktiv verarbeitet werden.

In der ersten Ausgabe des mit OJS produzierten Journals finden sich nun ein paar Artikel im Themenrahmen “Bibliothek 2.0 am Ende?! / Library 2.0 on the Ropes?!”. Die drei Herausgeber schreiben zur Konzeption:

1. 027.7 ist bewusst als herkömmliche Zeitschrift mit Themenheften konzipiert, die vorläufig ausschliesslich elektronisch erscheint.
2. 027.7 versucht, ein Open beziehungsweise Post Peer Review-Verfahren zu etablieren.
3. Gegenwärtig besteht 027.7 aus 3 Rubriken: Editorial, Artikel/Articles und Standortwechsel/Relocation. Letztere ist im wahrsten Sinne geografisch zu verstehen und
soll helfen, die im Hauptteil verhandelten Thesen aus dem deutschsprachigen bzw. europäischen Raum durch einen nicht eurozentristisch geprägten Blickwinkel zu ergänzen und gegebenenfalls neu einzuordnen.

Besonders der Blick über den Tellerrand, bzw. der Blick von außerhalb auf unseren Teller kann sehr reizvoll sein, wie ich auch im Nachhinein am Beispiel der infobibschen LibWorld-Reihe immer wieder feststellen muss. Weitere Details sind dem Editorial zu entnehmen. Dort steht abschließend:

Wir bitten um Verständnis, dass 027.7 möglicherweise noch nicht seine endgültige Form erreicht hat, sich weiterentwickeln und hoffentlich wachsen wird. Es ist ein kleiner Anfang – aber es ist ein Anfang.

Dafür muss man m.E. nicht um Verständnis bitten. Ein starre Publikation wäre ungleich langweiliger.