Zwölf Forderungen, die allgegenwärtige Überwachung betreffend

In einem offenen Brief wenden sich zahlreiche Organisationen (u.a. DigiGes, Ver.di, Wikimedia Deutschland, Reporter ohne Grenzen, OKFN DE etc.) und zur Zeit ca. 3500 individuelle Mitzeichner gegen die allgegenwärtige Überwachung durch diverse inländische und ausländische Inlands-und Auslandsgeheimdienste.

Wir, die nachfolgenden Unterzeichnerinnen und Unterzeichner, fordern unsere Regierung, unser nationales Parlament, die EU-Kommission, den Europäischen Rat und das Europäische Parlament auf:

  1. Sich gegen jede Form anlassloser und unverhältnismäßiger Überwachungsmaßnahmen auszusprechen und danach zu handeln.
  2. Das Recht auf Privatsphäre und Informationelle Selbstbestimmung zu achten und dieses sowohl auf nationaler Ebene wie auch in der EU-Datenschutz-Grundverordnung als auch der Datenschutzrichtlinie und den entsprechenden Normen für EU-Institutionen zu verankern und an erste Stelle zu rücken.
  3. In internationalen Verträgen den Schutz und die Achtung der Privatheit und entsprechende Rechtsmittel auch gegen Überwachungsmaßnahmen durch Drittstaaten zu erwirken.
  4. Zu gewährleisten, dass personenbezogene Daten, die in der EU verarbeitet werden, nicht ohne Rechtshilfeabkommen und ausreichenden Rechtsschutz an Behörden oder Organisationen in Drittländern übermittelt werden.
  5. Das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und die Integrität informationstechnischer Systeme sicherzustellen.
  6. Internationale Kooperationen zwischen Strafverfolgungsbehörden, Justiz und Geheimdiensten nicht zur Umgehung innerstaatlichen Grundrechtsschutzes zu missbrauchen.
  7. Alle Verträge, Gesetze und Maßnahmen, die die Informationelle Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger des jeweils eigenen Landes und der EU betreffen, unmittelbar offenzulegen.
  8. Die Verletzung der Privatsphäre ihrer jeweiligen Bürgerinnen und Bürger durch Unternehmen, Drittstaaten oder dort ansässige Unternehmen rechtlich, wirtschaftlich und politisch zu sanktionieren.
  9. Eine individuelle Benachrichtigungspflicht der betroffenen Bürgerinnen und Bürger innerhalb möglichst kurzer Frist nach Durchführung jeder digitalen Einsichtnahme und Überwachungsmaßnahme einzuführen, ob durch Strafverfolgungsbehörden oder Geheimdienste.
  10. Projekte und Technologien zum informationellen Selbstschutz und freie und quelloffene Umsetzungen aktiv zu fördern und selbst verpflichtend zu nutzen.
  11. Staatliche Überwachungspraktiken, die ohne rechtlichen Rahmen stattfinden, umgehend abzustellen.
  12. Whistleblowern, die gesellschaftlich relevante Missstände aufzeigen, angemessenen rechtlichen Schutz zu garantieren.

Und hier noch einmal der Link zum offenen Brief auf stopsurveillance.org.

Neue RSS-Reader unter fünf Augen

Google Reader geht, viele Alternativen kommen. In einem kurzen Artikelchen weist Heise.de auf diverse Kandidaten für die Google-Reader-Nachfolge hin. Unter anderem von, man höre und staune, AOL. Mich hat es ja erst einmal gewundert, dass es die überhaupt noch gibt. Wir befinden uns also noch immer im Eternal September?

Wie auch immer, wer seine RSS-Feeds und damit ein gutes Bild des persönlichen Neuigkeitenkonsums online verwalten möchte, sei daran erinnert, dass AOL seit einigen Jahren durch PRISM überwacht wird. Wie auch Facebook, Google, …

Bernhard Rohleder: De-Mail schützt vor Überwachung!

BITKOM-Geschäftsführer Bernhard Rohleder wurde heute morgen im DLF-Interview zur NSA-Überwachung interviewt. Eine Stelle ist besonders beachtenswert:

Müller: Können Verbraucher, die User, die Nutzer ihren Konzernen, ihren Plattformen, die sie jedenfalls benutzen, noch vertrauen?

Rohleder: Das hängt ein wenig von der Plattform ab zum einen. Zum Zweiten haben wir natürlich auch Instrumente, mit denen wir uns schützen können. Die sind zum Teil sehr einfach. Wir haben hier in Deutschland einen neuen E-Mail-Dienst, den De-Mail-Dienst. Wir haben den E-Post-Brief, wo man besonders vertrauenskritische Informationen dann abwickeln kann.

Rohleder verkauft hier De-Mail als möglichen Schutz vor staatlichen Einblicken? Ernsthaft? Herr Rohleder, das ist überhaupt nicht lustig! Zuerst einmal muss man sich für De-Mail nämlich registrieren, um überhaupt eine De-Mail-Adresse zu bekommen:

Die Überprüfung Ihrer Identität erfolgt durch ein vom De-Mail-Anbieter vorgegebenes Verfahren. Ein hierzu vom Anbieter Bevollmächtigter wird Ihre Identität anhand Ihres Personalausweises oder Reisepasses persönlich prüfen und bestätigen.

Aus der Wikipedia noch ein hübsches Zitat:

Nutzerkennung und Passwort zu einem De-Mail-Postfach sind auf Anforderung einer Strafverfolgungsbehörde, einer Polizeibehörde, des Bundesamts für Verfassungsschutz, des Bundesnachrichtendienstes oder des Militärischen Abschirmdienstes ohne richterliche Anordnung herauszugeben (§ 113 TKG). Die im De-Mail-Postfach liegenden Dokumente und Informationen sind damit keineswegs so geschützt wie Papierdokumente oder Briefe in der eigenen Wohnung.

Hervorhebung von mir. Dass es keine verpflichtende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gibt, sollte man auch erwähnen. Aus einer Stellungnahme des CCC (PDF):

Die einzig plausible Erklärung für die fehlende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung im De-Mail-System kann letztlich nur darin gefunden werden, daß der leichte Zugriff durch Polizei, Verfassungsschutz und sonstige staatliche Stellen ermöglicht werden soll.

Herr Rohleder findet Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bekanntermaßen schon länger zu kompliziert teuer unnötig als Markthemmnis.

Er setzt dem Fass die Krone auf, indem er sich direkt im Anschluss sorgt, dass wir im Grunde genommen so etwas wie nationalstaatliche Grenzen ins Internet wieder einziehen, wo jeder seine eigene Infrastruktur aufbaut. Genau das ist De-Mail.

PS: Wer sich umfassend zu PRISM informieren möchte, darf den Guardian nicht aus den Augen lassen. Vor allem das Live-Blog. Ein weiterer Lesetipp: Das Interview mit dem NSA-Whistleblower Edward Snowden!

ALA-Statement zum PRISM-Skandal

Aus der ALA-Pressemitteilung “ALA calls for national dialogue to reform the nation’s surveillance laws”:

The American Library Association (ALA) is, frankly, saddened that two major revelations about our country’s surveillance practices confirm our gravest worries: the government has obtained vast amounts of personal information about the activities, especially electronic communications of all kinds, of essentially everyone in the United States, including millions of innocent people.

ALA-Präsidentin Maureen Sullivan sieht in Bibliotheken einen geeigneten Ort, die Debatte um die beste Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu führen.