Quelle: Thesen zur Zukunft von Open-Access-Repositorien
Die folgenden Thesen sind in der Vorbereitung des Workshops “Repositorien – Praxis und Vision” entstanden, den das Open-Access-Projekt der Helmholtz-Gemeinschaft gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Elektronisches Publizieren der Deutschen Initiative für Netzwerkinformation e. V. (DINI) vom 30.11. bis 1.12.2010 in Berlin veranstaltet. Autoren der Version 2: Maxi Kindling, Uwe Müller und Heinz Pampel
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Hintergrund
In Deutschland beginnt die Entwicklung der Repositorien Ende der 1990er Jahre. Unter dem Namen Hochschulschriften- oder Dokumentenserver entstanden Datenbanken, auf denen Qualifikationsarbeiten als Erst- oder Zweitveröffentlichung zugänglich gemacht wurden.
Mit der Entwicklung von Open Access wurden diese Datenbanken international unter dem Begriff Repositorien bekannt und bilden den Ausgangspunkt für den “Grünen Weg” des Open Access. Prominentes Beispiel ist das disziplinäre Repositorium arXiv, das 1991 am Los Alamos National Laboratory aufgebaut wurde. Bis heute ist es das zentrale Repositorium für Preprints in den Disziplinen Physik, Mathematik und Informatik.
Spätestens seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts wurde, insbesondere im Bereich der außeruniversitären Forschung, damit begonnen, die seit langem bestehenden institutionellen Publikationsdatenbanken, die ausschließlich Metadaten nachweisen, zu Repositorien auszubauen, um Pre- und Postprints sowie Schriftenreihen im Sinne von Open Access zugänglich zu machen. Zudem sind in den letzten Jahren abseits der Text-Repositorien auch Repositorien für viele andere Formen und Formate digitaler Objekte entstanden, z. B. für Forschungsdaten.
Heute stehen die Betreiber von Repositorien vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Mehrheitlich werden Repositorien als passive Dienste betrieben, die nicht in den Arbeitsablauf von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eingebunden sind. Darüber hinaus steigen mit der Entwicklung digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien, die den wissenschaftlichen Arbeitsprozess unterstützen, die Anforderungen an die Repositorien (beispielsweise im Kontext virtueller Forschungsumgebungen).
Die folgenden Thesen zielen darauf ab die zentralen Entwicklungstrends bei der zukünftigen Gestaltung von Open-Access-Repositorien auf der Grundlage des heutigen Kenntnisstandes zu benennen. Ziel der Podiumsdiskussion soll sein, diese vorgeschlagenen Thesen vor dem Hintergrund der insbesondere während des Workshops gesammelten Erkenntnisse abzuwägen und ggf. zu spezifizieren. Im Mittelpunkt steht dabei stets die Frage, welche technischen und organisatorischen Lösungen in Zukunft maßgeblich sein werden: Zentrale, Disziplinäre oder Institutionelle Repositorien?
These 1: Repositorien dienen als digitale Schaufenster der Wissenschaft
Im Kontext von Open Access fördern Repositorien die Sichtbarkeit der Publikation einer Institution oder einer Disziplin. Darüber hinaus tragen Repositorien zum Transfer von Information und Wissen in Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft bei.
These 2: Nur disziplinäre Angebote werden als Rechercheinstrumente in der Wissenschaft angenommen
Neben der Erfassung des Forschungsoutputs einer Einrichtung bieten Repositorien Suchfunktionalitäten über die in ihnen vorgehaltenen Dokumente. Zudem werden die Metadaten der Dokumente in übergeordneten Rechercheangeboten aggregiert (Harvesting) und für die Dokumentsuche bereitgestellt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzen diese Angebote institutioneller Repositorien jedoch kaum als Rechercheinstrument. Die wissenschaftliche Recherche konzentriert sich hier auf disziplinäre Angebote. Der Zugang zu in institutionellen Repositorien gespeicherten Objekten über disziplinäre Dienste und allgemeine Suchmaschinen ist eine zentrale Herausforderung.
These 3: Repositorien sind nur als aktive und integrative Dienste für Forschung und Lehre attraktiv
Repositorien als passive Datenbanken sind für Forschung und Lehre unattraktiv. Der Grad der Einbindung eines Repositoriums in den wissenschaftlichen Arbeitsablauf entscheidet über den Erfolg des Repositoriums. Institutionelle Repositorien können als aktive Dienste, z. B. im Rahmen des Publikationsmanagements Basis für vielfältige Services wie z.B. Bibliographien und persönliche Webseiten von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sein. Der Schaffung von Mehrwertdiensten, die die reine Bereitstellung von Dokumenten ergänzen, wie beispielsweise Zitations- und Ähnlichkeitsanalyse, deren Zugriffsauswertung oder innovative Begutachtungsverfahren, kommt eine zentrale Bedeutung zu.
These 4: Repositorien werden als vertrauenswürdige Plattform für das digitale Publizieren wahrgenommen
Repositorien übernehmen heute vielerorts bereits die Funktion von Publikationsplattformen im Sinne des “Goldenen Weges” und nähern sich damit Verlagsangeboten an. Repositorienbetreiber sind aufgefordert, vertrauenswürdige Plattformen für das digitale Publizieren zu schaffen, die Objekte dauerhaft und interoperabel zugänglich machen. Durch die dynamische Entwicklung von Technologien steigen die Anforderungen an die Repositorienbetreiber zur ständigen Weiterentwicklung ihrer Dienste. Kriterienkataloge wie das DINI-Zertifikat für Dokumenten- und Publikationsservices greifen diese Trends auf und bieten eine Orientierung.
These 5: Repositorien dienen als Knotenpunkte für eine übergreifende Vernetzung
Der Nachweis sowie die Einbindung von in Repositorien gespeicherten Objekten in umfassende Kontexte wie institutionelle und (inter)disziplinäre Informationsangebote sind unabdingbar. Repositorenbetreiber sind gefordert die Bereitstellung und Verbreitung von Objekten zu garantieren. Neben dem klassischen Harvesting-Ansatz kommt dabei semantischen Technologien wie Linked Open Data wesentliche Bedeutung zu.
These 6: Repositorien dienen als Rückgrat des Forschungsprozesses
Im Publikationskreislauf haben Repositorien bereits ihre feste Position. Zunehmend spielen sie auch bei der ganzheitlichen Betrachtung des Forschungsprozesses eine wichtigere Rolle. Das vielfach betonte Zusammenspiel von Texten, Grafiken, Forschungsdaten und anderer Objekte bedarf Repositorien, die eine Vernetzung der Objekte beispielsweise im Sinne einer Integration von Forschungsdaten und Publikationen oder der Bereitstellung von Objekten im Sinne einer Infrastrukturkomponente für Virtuelle Forschungsumgebungen unterstützen.