Bezahlschranken sind eine Motivationsbremse

In einigermaßen regelmäßigen Abständen werden Beiträge aus der Libworld-Reihe in Journals oder Büchern zitiert. Ich erfahre davon meistens über Alerts, z.B. bei Google Scholar. Was ich selten erfahre ist der eigentliche Inhalt der Publikation über den Abstract hinaus. Fast immer handelt es sich um Closed-Access-Publikationen. Natürlich ließe sich an die Artikel gelangen. Die Möglichkeiten sind zahlreich. Ich könnte die meist geforderten 25 – 39 US$ zahlen, [1] Haha. Hat das überhaupt schon mal jemand gemacht? Oder ist das eher ein symbolischer Preis? ich könnte die Fernleihe bemühen, ich könnte nach eventuellen Embargo-Zeiten nach OA-Versionen suchen. Und noch vieles mehr.

Will ich das? Ich will ja nur schnell nachsehen, in welchem Kontext die Libworld-Publikation (aktuell der Finnland-Artikel von Reetta Saine, der anscheinend in diesem Artikel zitiert wurde) erwähnt wird. Dafür so ein Aufwand? [2] Besonders unverständlich ist das bei Publikationen der IFLA, die sich oft an ein Publikum aus Schwellen- und Entwicklungsländern richten.

Zusammenfassung: Bezahlschranken sind Zugangsschranken sind Entdeckungsverhinderer sind innovations- und wissenschaftsfeindlich.

References

References
1 Haha. Hat das überhaupt schon mal jemand gemacht? Oder ist das eher ein symbolischer Preis?
2 Besonders unverständlich ist das bei Publikationen der IFLA, die sich oft an ein Publikum aus Schwellen- und Entwicklungsländern richten.

Bibliothekarische Hausbesuche in Münster

Via Twitter bin ich auf das Konzept der Hausbesuche an der UB Münster aufmerksam geworden. Dort bietet man Studierenden, Wissenschaftlern und Ärzten der Uni-Klinik Besuche durch geschultes Personal an, dass Beratung für verschiedene Themen liefert.

Mögliche Themen der Hausbesuche:

  • Desktop Publishing mit Adobe InDesign
  • Elektronische Zeitschriften und Bücher
  • Email Alerts und Nachrichtenfeeds
  • Fernleihe und Subito
  • Katalog und Ausleihe
  • Literaturverwaltung mit RefWorks
  • Open Access
  • Quellen der Evidenz-basierten Medizin (Cochrane, UpToDate)
  • Personal Digital Assistants
  • PubMed und andere relevante Literaturdatenbanken
  • Web of Science und Impact Faktoren
  • Wikis und Weblogs
  • … oder ein Überblick über die Angebote der Bibliothek

Dadurch, dass man sich in Münster aus der Bibliothek herausbewegt, ist – ähnlich wie bei der Stippvisite– neben den normalen Schulungseffekten auch mit positiven Auswirkungen im Sinne der Öffentlichkeitsarbeit und der Vernetzung der Bibliothek in der Institution zu rechnen.

Gibt es Zahlen, wie oft die Hausbesuche in Anspruch genommen wurden? Wie kommt es dazu, dass InDesign geschult wird und geschult werden kann? Fragen über Fragen, auf die @obsto sicherlich antworten kann!

Ein paar Infos gibt es noch in diesem Posting hier.

Raus aus der Bibliothek: Die Stippvisite

“You’ve got to get out of the library!”

So sprach Indiana Jones im “Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels”, genauer gesagt in der englischen Originalfassung. Das ist weder in Action-Archäologen noch in Bibliothekskreisen eine besonders originelle These; sie wurde auch schon auf Konferenzen und natürlich in verschiedenen Blogs immer mal wieder geäußert. Wer als Bibliothekswesen in der Bibliothek bleibt, hat dort zwar seine Ruhe, in Zukunft aber keine Arbeit mehr. Da ich die Gründe für Exkursionen in die nichtbibliothekarische Welt nicht noch einmal von vorne aufrollen möchte, hier ein Hinweis auf eine kurze Zusammenfassung von Karen Marie: Communities of practice in the library world (PDF). Oder, um vom Kristallschädelsammler zur Dämonenjägerin zu springen:

Fassen wir zusammen: Wer sich im Büro versteckt, hat keine Zukunft. Wie gelangt man also heraus? Ein Instrument, dass ich recht erfolgreich einsetze, ist die Stippvisite oder Visitenkarte. Idealisierter Ablaufplan:

  1. Kontaktaufnahme mit ProfessorIn
  2. Anfrage wegen eines kurzen Besuchs in einer Lehrveranstaltung
  3. Durchführung eben jenes Besuchs

In der Praxis sieht das meistens so aus, dass ein bestehender Kontakt eines Bibliothekswesens zu einer ProfessorIn genutzt wird, um einen Kurzbesuch in einer Veranstaltung zu vereinbaren. Dies können Labore, Seminare sein, aber auch größere Vorlesungen. Was auch immer gerade ansteht. Versprochen wird, den ProfessorInnen nicht mehr als 3-4 Minuten ihrer kostbaren Vorlesungszeit zu rauben.

In der Veranstaltung stelle ich kurz mich und meine Rolle in der Bibliothek vor und mache dann “ein Angebot, dass Sie [die Studierenden] zwar ablehnen können, aber nicht sollten”. Ich biete Ihnen an, Zeit sparende Methoden in der Literaturrecherche und -verwaltung bei mir erlernen zu können. Dann wird ein kleiner Stapel mit Visitenkarten ausgelegt. Die Studierenden sollen sich selbst in Gruppen von ca. 10-15 Mitgliedern sammeln und mit mir individuell Termine außerhalb der Lehrveranstaltungen vereinbaren.

Das hat zweierlei Vorteile:

  1. Ich nehme keine weitere Vorlesungszeit in Anspruch. Ich störe die Vorlesung nicht weiter, was dazu führt, dass ich mit erhöhter Wahrscheinlichkeit noch einmal eingeladen werde.
  2. Die Lerngruppen, die sich schließlich bei mir einfinden, haben sich selbst dazu entschlossen, etwas zu lernen. Die eigenverantwortliche Organisation führt zu deutlich höherer Motivation und Konzentration in den Veranstaltungen.

Oft ist die erste Veranstaltung eine “Einführung in die Fachrecherche” für ein bestimmtes Fachgebiet, z.B. Elektrotechnik. Am Ende der Veranstaltung (die jeweils in 90 Minuten eine kurze Einführung in die Recherche liefern sollen) wird dann die jeweils andere Veranstaltung (z.B. “Literaturverwaltung mit Citavi”) beworben. Die Quote der Folgeveranstaltungsteilnehmer ist recht hoch. Ohne gezählt zu haben gehe ich von deutlich mehr als 50% aus. Gefühlt sind es etwa 80%. Von den bei der Stippvisite Angesprochenen finden im Schnitt etwa die Hälfte den Weg in die Citavi- oder Fachrecherche-Schulung. Alle Angaben ohne Gewähr!

Wichtig ist natürlich, nach erfolgreicher Veranstaltung den einladenden ProfessorInnen Rückmeldung zu geben, um in zukünftigen Semestern wieder Berücksichtigung zu finden.

Ergebnisse zu SOAP werden veröffentlicht!

Heinz Pampel macht in WissPub darauf aufmerksam, dass die Ergebnisse des SOAP-Projekts (Study of Open Access Publishing) letzte Woche präsentiert wurden. Bei Slideshare stehen drei Präsentationen zur Verfügung:

Den letzten beiden Teilen gilt es, in näherer Zeit Beachtung zu schenken und Erkenntnisse in die bibliothekarische Praxis umzusetzen. Heinz Pampel schreibt weiter:

Bemerkenswert ist, dass die Daten der Studie in Kürze zur Nachnutzung bereit gestellt werden. Dies ist wohl das erste Mal, dass ein informationswissenschaftliches Forschungsprojekt Daten in diesem Umfang im Open Access zugänglich macht. Glückwunsch an die Projektpartner zu diesem Schritt!

Dem Glückwunsch schließe ich mich an und hoffe darauf, dass dies zukünftig zur Selbstverständlichkeit wird.

Wissenschaft und freies Wissen

Kleiner, durch die Knol-Diskussion längst veralteter Beitrag zur Motivation wissenschaftlicher Autoren. Dies ist ausdrücklich ein unfertiges Fragment. Ich habe jetzt einfach mal auf “Veröffentlichen” geklickt, weil es sonst wohl nie fertig geworden wäre.

Nielsen fragte sich, warum Wikipedia eigentlich nicht von Wissenschaftlern begründet wurde. Immerhin gehe es doch darum, jegliches Wissen unserer Zeit frei verfügbar zu machen. Er widmet dieser Frage ein ganzes Kapitel seines gerade in Entstehung befindlichen Buches.

In fact, in the early days very few professional scientists were involved. To contribute would arouse suspicions from your colleagues that you were wasting time that could be spent on more “useful” things, like teaching, or writing papers and grants. Even today, contributing to Wikipedia is regarded as a low-value activity by most professional scientists.

Diese Frage ist wichtig für das Verständnis des wissenschaftlichen Betriebs. Es ist offensichtlich attraktiver, Anträge zu schreiben, als einen kleinen Wikipedia-Artikel, obwohl bei letzterem ein wesentlich größerer Effekt auf den Wissensstand einer Gesellschaft zu vermuten ist. Zumindest ist der (tatsächliche) Impactfactor eines Wikipedia-Artikels vermutlich mindestens so hoch wie der einer beliebigen Fachpublikation. Der Unterschied ist nur, dass viele Wissenschaftler nicht zugeben, sich bei Wikipedia informiert zu haben. Und natürlich, dass der Autor bei Wikipedia fast immer anonym bleibt.

Auch Gia Lyons widmet sich dieser Problematik, zwar eigentlich aus einer ganz anderen Fragestellung heraus. Aber letztlich mit dem interessanten Ergebnis: Wer weiß, teilt sein Wissen ungern, und wenn dann am liebsten mit einem sorgsam ausgewählten Kreis von Gleichgesinnten.

Because human beings typically share their precious knowledge only with people they trust. Not a software application.

Wissenschaft wird primär zum Eigennutz betrieben?

Knol – Googles Antwort auf Wikipedia

Google antwortet auf Wikipedia und macht nun Knol öffentlich. Im Google-Blog ist kurz und knapp erklärt, worum es geht, daher spare ich mir das hier. Auf einen Punkt lohnt es sich dennoch einzugehen:

The key principle behind Knol is authorship. Every knol will have an author (or group of authors) who put their name behind their content. It’s their knol, their voice, their opinion. We expect that there will be multiple knols on the same subject, and we think that is good.

Das ist der Punkt, der Knol und Wikipedia im wesentlichen unterscheidet. Ein Artikel kann einem Autor oder einem Autorenkollektiv zugeordnet werden. Andere Autoren können zwar Änderungen vorschlagen, eingepflegt werden muss die Änderung jedoch vom Urheber des Ursprungsartikels.

Es wird spannend zu sehen, wie gut das funktioniert. Zwar hat Google auf diese Weise einen effektiven Schutz vor Vandalismus. Aber die Motivation, den Artikel eines Fremden zu verbessern, ist möglicherweise längst nicht so groß, wie bei einem anonymen Artikel.

Joachim Schroer hatte die Thematik auf der Inetbib-Tagung aufgegriffen. Er hat zwar leider die Folien zu diesem Vortrag nicht gehalten, aber eine thematisch zumindest sehr ähnliche Präsentation ist hier online. Dort werden drei (plus eine) Motivationsklassen, genannt:

Nach Klandermans [1]Klandermans, B. (1997). The social psychology of protest. Oxford: Blackwell. Klandermans, B. (2004). The demand and supply of participation: Social psychological correlates of participation in social … Continue reading :

  1. Norm-orientierte Motive: „Wie reagieren Kollegen, Freunde und Familie
    auf das Engagement?“
  2. Kosten und Nutzen: „Welche Kosten und Nutzen entstehen mir
    persönlich durch das Engagement?“
  3. Kollektive Motive: „Wie wichtig sind mir die Ziele der sozialen
    Bewegung?“

Dazu noch eine vierte Motivation (nach Simon et al. [2]Simon, B., Loewy, M., Stürmer, S., Weber, U., Freytag, P., Habig, C. et al. (1998). Collective identification and social movement participation. Journal of Personality and Social Psychology, 74(3), … Continue reading )

  1. Identifikation mit der Bewegung

Durch Knol eröffnet sich Motivationsforschern eine wunderbare Gelegenheit, Autoren, deren Motive und die daraus entstehenden Texte miteinander zu vergleichen. Hier können wertvolle Erkenntnisse für alle Projekte gewonnen werden, die in großem Maßstab auf Kooperation setzen.

References

References
1 Klandermans, B. (1997). The social psychology of protest. Oxford: Blackwell.
Klandermans, B. (2004). The demand and supply of participation: Social psychological correlates of participation in social movements. In D. A. Snow, S. Soule & H. Kriesi (Eds.), The Blackwell Companion to Social Movements (S. 360-379). Oxford: Blackwell
2 Simon, B., Loewy, M., Stürmer, S., Weber, U., Freytag, P., Habig, C. et al. (1998). Collective identification and social movement participation. Journal of Personality and Social Psychology, 74(3), 646-658.

Inetbib 2008: Motivation von Wikipedia-Autoren

Joachim Schroer versucht, die Motivation von Wikipedia-Autoren zu beschreiben. Zuerst gibt er einen groben Überblick über die Qualität von Wikipedia-Artikeln im allgemeinen (Wikipedia vs. Brockhaus, Britannica etc.).

Artikel mit vielen Autoren haben durchschnittlich eine höhere Qualität, ein Anteil von 50% anonymer Autoren ist unproblematisch.

90% der Inhalte stammen von 10% der Autoren. Vandalismus wird häufig (ca. 40% des erkannten Vandalismus?) vom ersten Leser korrigiert.

Vorstellung trust coloring demo und stabile Version.

Zur Motivation von Wikipedia-Autoren: Drei Klassen für freiwilliges Engagement (Klandermans 1997, 2004).
Norm-orientierte Motive, Kosten und Nutzen, kollektive Motive.
Vierte Klasse zeichnet sich ab: Identifikation mit der Bewegung.

Arbeitspsychologisch: Job characteristics model (Hackman & Oldman, 1974, 1980)

Über die Hälfte der befragten, stark engagierten Autoren ist in Vollzeit (43%) oder Teilzeit (10%) berufstätig.

Mit zunehmendem Engagement steigt die Zufriedenheit der Wikipedianutzer, allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt. Ein Phänomen, das bekannt ist. Frustrierte Ex-Vielautoren gibt es ja so einige.

Interessanter Vortrag. Die Motivation zum Engagement in freien WIssensgemeinschaften ist prinzipiell auch ein Thema, mit dem sich Bibliotheken beschäftigen müssen, besonders wenn es nutzergenerierte Inhalte (Katalog-Tagging, Rezensionen etc.) geht.