Google und das Bibliothekswesen

Zur Zeit tobt eine heftige Debatte durch die US-amerikanische Biblioblogosphäre, ausgelöst von einem Posting von Steven M. Cohen. Kurzfassung: Google warb jahrelang um die Gunst der BibliothekarInnen und zieht sich jetzt einseitig aus dieser einst innigen Beziehung zurück. Als Beispiel wird die Googles Librarian Central genannt, das für mehr als ein Jahr pausierte und wohl nur aufgrund der aktuellen Debatte wiederbelebt wurde.

Die Problematik war auch schon während der Inetbib-Tagung Flurgespräch. Zwar zeigte Stefan Keuchel dort Präsenz, und er forderte auch alle Bibliothekare auf, mit Google zusammen zu arbeiten. Dass dies praktisch fast unmöglich ist, müsste jedem klar sein, der es einmal versucht hat. Auf Mails wird nicht reagiert, und dass die Librarian Central komatös vor sich hin dämmerte, ist ein mehr als deutliches Zeichen.

Aber ernsthaft: Hat jemand etwas anderes erwartet? Google ist kein Wohltätigkeitsverein, und wenn kein handfestes finanzielles oder strategisches Interesse mehr an einem Partner besteht, lohnt sich auch Engagement nicht mehr. Googles Mission, das Wissen der Welt verfügbar zu machen ist in diesem Sinne so zu verstehen, dass Google Bibliotheken dort anpartnert, wo sie deren Rolle (noch) nicht übernehmen können. Cohen:

But even more, I’m disappointed in librarians who actually fell for this blatant marketing scheme. Did they really think that this relationship would continue? Did they grasp the importance of what Google was/is doing? Will they fight back? Or will they fit the stereotype that librarians are passive and let yet another company walk all over them? I hope they won’t, but then again, I won’t be surprised if they do.

Inetbib 2008: Themenblock Suchmaschinen (Google)

Stefan Keuchel (Google Deutschland): „Google – mehr als nur Websuche“

  • Googlemission: die weltweiten Informationen zugänglich und nutzbar zu machen.
  • Nutzerbedürfnisse: Entertainment, Erforschen, Suchen, Zusammenarbeiten
  • Werbeveranstaltung. Google News; Maps, Earth, Docs etc.

Hendrik Speck: „Entwicklung des Suchmaschinenmarkts“
Google dominiert. Werbemodell. Preise, teuerste Suchbegriffe („school consolidation loans“). Bis jetzt könnte der Vortrag auch „Entwicklung von Googles Geschäftsmodell“ heißen.

Schönes Zitat: Google ist die digitale Litfaßsäule.

Größtes Social Network überhaupt ist Amazon mit Dutzenden von Social-Networking-Funktionen.

Panoramio“?

Auf Nachfrage kam noch ein bißchen was zu Yacy und Wikia. Es sollte auf jeden Fall Freiwilligkeit bei der Suchmaschinenwahl herrschen. Der Vortrag hätte interessanter sein können, wenn es nicht nur um Google gegangen wäre und der Referent etwas langsamer und deutlicher gesprochen hätte.

Mario Fischer: „Websites Suchmaschinen-Optimierung SEO“
Search Engine Spider Simulator: http://searchengineworld.com/cgi-bin/sim_spider.cgi

36% aller Nutzer glauben, hoch gerankte Unternehmen seien Marktführer. Putzig.

Fazit: SEO lohnt sich. Überraschung.

Der „Themenblock Suchmaschinen“ hätte besser „Themenblock Google“ geheißen.

Inetbib 2008: eUniversity & Archivierung

Friedrich Hesse von der Universität Tübingen über „Dynamik bildungsrelevanter Informationsumwelten“
Paradigmen der Lernforschung: Auswendiglernen, Operantes Konditionieren (Verhaltensselektion), Beobachtungslernen, Modelllernen, Kognitive Wende. Ulrik Neisser führt von der Lern- zur Wissenspsychologie.

Wissensressourcen: Wissen ist nicht nur im Kopf vorhanden, sondern auch extern. Ist das dann Wissen oder Information?

Eric Hilgendorf: Anforderungen virtueller Studiengänge an Bibliotheken- am Beispiel der Jurisprudenz.
Hinter dem Wortschwall von Politik und Presse zum E-Learning verbergen sich ernstzunehmende Enwicklungen, die jedoch nicht mit ökonomischen Erwägungen verquickt werden sollten. Stichwort: Personaleinsparung durch computergestützte Lehre.

-> uniwikität – Kooperation mit Aserbaidschan

Reinhard Altenhöner: „Zwischen Vision und Alltag“ Über den neuen Sammelauftrag.

Ständiger Wandel der Formate, Migration und Emulation
Aufbau einer Harvesting-Infrastruktur, um sowohl Push- als auch Pullszenarien anbieten zu können.
Aufbau eines generischen Import-Verfahrens für Objekte und Metadaten.

Spannend: Die DNB möchte sich in Zukunft an der Entwicklung von Webstandards beteiligen. Eine Ankündigung, die Erwartungen weckt.

BSB & Google:
Ziel: Ca. 1000 Exemplare pro Tag. Workflowdatenbank. Bemerkungen, warum nicht gescannt werden konnte. GoogleZEND (ZEND)

Alles in Worldcat!

Vorsichtige Schätzung: Erste Ergebnisse ca. Ende Juli/Anfang August im Netz, Zuerst muss der Workflow wirklich perfekt funktionieren.

Die BSB möchet ausdrückllich verhindern, dass urheberechtsfreies Material frei verfügbar wird. Die BSB möchte offensichtlich ihre „Marktführerschaft“ im Altbestand durch künstliche Verknappung gemeinfreier Inhalte behalten.

Inetbib 2008: Firmenvorträge

Ute Rusnak vom FIZ Karlsruhe stellt eSciDoc und KnowEsis vor.

eSciDoc: Alle Schritte des wissenschaftlichen Forschungsprozesses sollen in einem System abgebildet werden. Ideenfindung, Datensammlung, Auswertung, Ergebnisdokumentation, Publikation (institutional repository). Softwarebasis ist Fedora Repository und Lucene.

KnowEsis ist eSciDoc-Anbieter. Partner sind u.a. VZG und MPG.

Norbert Weinberger (OCLC Deutschland) berichtet über Social-Network-Services im Worldcat. Blog an die Benutzer, RSS, Widgets etc.

Neues Konzept: identitätsübersichten (Autoren und virtuelle Personen). In der Folie verlinkt er eine solche Identität.

2.0-Tools scheinen für verstärkte Nutzung zu sorgen.

Abschließend stellt er die Worldcat-API vor und verweist auf die auch hier schon erwähnte Studie Sharing, Privacy und Trust in our Networked World.

Inetbib 2008: Bibliothekar 2.0

Bibliothek 2.0: Upgrade vom Bibliothekar zum Bibliothekar 2.0

Lambert Heller referiert über den Wandel der beruflichen Erfordernisse. Beschleunigung, neue Medien, Techniken, lebenslanges Lernen.

Patrick Danowski: “Bisher sind wir Wegweiser zu guten Informationen, jetzt können wir auch Wegweiser zu guten Diensten sein.”

Tugenden der BibliothekarInnen 2.0; Neugierde, offen für Veränderungen, Neues auszuprobieren, selbst mit neuer Technik vertraut werden.

Kleine Anmerkung am Rande: Patrick betont zu Recht, dass es notwendig und sinnvoll ist, einfach mal etwas auszuprobieren, ohne gleich zu wissen, wofür etwas denn gut sein könnte. Der berufliche Alltag lässt das leider nur sehr eingeschränkt zu.

Er berichtet von einem Aprilscherz, bei dem ein US-amerikanischer Bibliotheksleiter verkündete, die Katalogisierung werde geschlossen, es gibt jetzt statt des Kataloges ein Wiki, in dem die Nutzer die bibliographischen Daten selbst eintragen. Ich hoffe, das spricht sich bei der Bertelsmann-Fraktion des deutschen Bibliothekswesens nicht herum. Der oder die eine oder andere Bibliotheksleiter könnte auf die Idee kommen, so sei doch noch ein bißchen Personal zu sparen.

Lambert Heller ruft zur Partizipation auf. Kurzform: Bloggt, Kollegen! Abonniert RSS-Feeds! Nutzt Social-Bookmarking-Dienste!

Siehe auch Edlefs neues Lernen-2.0-Blog.

Immerhin wurde um mich herum eifrig mitgeschrieben. Mal sehen, ob die Biblioblogosphäre bald explodiert, ;o)

Inetbib 2008: Motivation von Wikipedia-Autoren

Joachim Schroer versucht, die Motivation von Wikipedia-Autoren zu beschreiben. Zuerst gibt er einen groben Überblick über die Qualität von Wikipedia-Artikeln im allgemeinen (Wikipedia vs. Brockhaus, Britannica etc.).

Artikel mit vielen Autoren haben durchschnittlich eine höhere Qualität, ein Anteil von 50% anonymer Autoren ist unproblematisch.

90% der Inhalte stammen von 10% der Autoren. Vandalismus wird häufig (ca. 40% des erkannten Vandalismus?) vom ersten Leser korrigiert.

Vorstellung trust coloring demo und stabile Version.

Zur Motivation von Wikipedia-Autoren: Drei Klassen für freiwilliges Engagement (Klandermans 1997, 2004).
Norm-orientierte Motive, Kosten und Nutzen, kollektive Motive.
Vierte Klasse zeichnet sich ab: Identifikation mit der Bewegung.

Arbeitspsychologisch: Job characteristics model (Hackman & Oldman, 1974, 1980)

Über die Hälfte der befragten, stark engagierten Autoren ist in Vollzeit (43%) oder Teilzeit (10%) berufstätig.

Mit zunehmendem Engagement steigt die Zufriedenheit der Wikipedianutzer, allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt. Ein Phänomen, das bekannt ist. Frustrierte Ex-Vielautoren gibt es ja so einige.

Interessanter Vortrag. Die Motivation zum Engagement in freien WIssensgemeinschaften ist prinzipiell auch ein Thema, mit dem sich Bibliotheken beschäftigen müssen, besonders wenn es nutzergenerierte Inhalte (Katalog-Tagging, Rezensionen etc.) geht.

Inetbib 2008: Jin Tan – Second Life & Bibliotheken

Virtuelle Identität braucht zur Kommunikation die Dimension der Räumlichkeit. 2L ist digitale Face-2-Face-Kommunikation.

Spannende Diskussion pro und kontra Bibliotheken in 2L. Bücherhalle Hamburg bald in 2L vertreten. Tenor der Diskussion: Verschlechterung der Benutzbarkeit gegenüber der “konventionellen” Benutzeroberfläche. Benutzerkommentar: Ist 2L ein adäquater Schlauch für unseren Wein? Ähnlich sinnvoll wie Kohlfahrt 2.0.

Keine neuen Argumente. Pro war eigentlich nur das “Argument”, dass es innovativ ist und die Bibliotheken das deswegen auch machen müssten.

Inetbib 2008: Urheberrecht

“Spinn ich oder die anderen?” – Das Gute am neuen Urheberrecht und das Häßliche am neuen Subito-Rahmenvertrag zum Kopienversand.

Von Dr. Harald Müller, Bibliothek des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht.

Dieser Vortrag ist unmöglich in Kürze wiederzugeben. Herr Müller, dies ist ein öffentlicher Aufruf, die Folien mit Tonspur zu versehen ins Netz zu stellen!

Inetbib 2008: Webbasierte Literaturverwaltung

Von Dr. Thomas Stöber und Astrid Teichert, Universitätsbibliothek Augsburg

Typologie:
Geschlossene Systeme wie Citavi, Endnote (Einzelplatzbenutzung)
Halboffene Systeme: EndNote Web, RefWorks (begrenzte Freigaben)
Offene Systeme: Bibsonomy, Connotea (offener Benutzungskreis, Prinzipien des social bookmarking) „informationelle Gemeinschaftsbibliographien“ (Lambert Heller)

Anwendungsszenarien:

  • Freigaben mit Lesezugriff (read only)
  • Literaturlisten
  • Schriftenverzeichnisse
  • thematische Bibliographien
  • geschlossene Datensammlungen (für begrenzten Nutzerkreis)
  • aktive und passive Nutzung
  • offene Datensammlungen

Perspektiven:
Offene Wissenschaft: Ist es im Interesse von Wissenschaftlern, ihre Tätigkeit öffentlich zu machen?
Sind die offenen Dienste wirklich eine Alternative zu konventionellen Literaturverwaltungen?
Künftige Konvergenz: Endnote geht ins Netz, Citavi auch, RefWorks dagegen auch als Offlineversion.

Patrick Danowski macht noch auf scholarz.net aufmerksam?

Inetbib 2008: Block 2 – Bibliothek aktuell

RFID-Technologie in der Münchner Stadtbibliothek: Selbstverbuchung – Mediensicherung – Benutzerausweis – Aktivitäten von Dr. Eva Schubert, Münchener Stadtbibliothek.

In Stichworten:
Dank geeigneter baulicher Maßnahmen erweiterte Öffnungszeiten, gesundheitliche Entlastung der Mitarbeiter (Handscanner), Imagegewinn, mehr Diskretion (?).

Sicherheitsphilosophie: Teilweise ungesicherter Freihandbestand muss in Kauf genommen werden, Buchbeschädigungen wird unter Berücksichtigung ökonomischer Aspekte nur noch eingeschränkt verfolgt.

Die Mitarbeiter stehen nicht mehr hinter dem “Thekenbollwerk” (sic!), sondern bewegen sich frei.

Die Referentin suggeriert einen Zusammenhang zwischen einer Zunahme der Benutzung durch die Einführung von RFID. Klingt fragwürdig.

“Kunden helfen Kunden”. Es wird also eine bibliothekarische Dienstleistung an den Nutzer “outgesourced”.

Probleme:

  • Metallschicht von Datenträgern. Alte CDs mit dicker Metallschicht und neue mit großer Kapazität können nicht gesichert werden.
  • Medienkoffer
  • Unterschiedliche Reichweite der Lesegeräte
  • 2D-Gates
  • Kosten

Kein Wort zur Mitarbeiterzufriedenheit.