Petition zur Rettung der Stralsunder Archivbibliothek

In der Frankfurter Rundschau und beim NDR wird inzwischen über die Stralsunder Missachtung von Kulturgut berichtet. Einen Überblick über die Vorgänge hatte ich hier schon einmal gegeben, aktuelle Informationen gibt es in Archivalia.

Eine der wesentlichen Neuerungen des Falls ist wohl die Petition “Rettet die Stralsunder Archivbibliothek”, die von Philipp Maass am 7. November ins Leben gerufen wurde. Da ich bislang keine Äußerungen des verantwortlichen Oberbürgermeisters Alexander Badrow (CDU) finden konnte, möchte ich mitlesende StralsunderInnen auffordern, sich zusätzlich zur Petitionsmitzeichnung doch direkt an ihn um Auskunft zu wenden.

Auf der “Aktuelles”-Seite des Stadtarchivs ist übrigens seit 15. Dezember 2011 nichts Neues zu verzeichnen. Abgesehen von einem Schimmelbefall und einem veritablen Skandal ist ja auch seither kaum etwas Ungewöhnliches passiert.

PS: Daß Stralsunder Kulturgut zerfällt, ist auch nichts Neues. Erinnert sei an die Einbäume von Stralsund. Vermutlich darf die MV-CDU demnächst wieder eine Pressemitteilung wie vor drei Jahren herausgeben, in der von einer “unglückliche[n] Verkettung von Fehlentscheidungen in der Vergangenheit” gefaselt wird. Weiter: “Eine Vorverurteilung Einzelner oder von Landesbehörden ist der nun unbedingt notwendigen Untersuchung nicht sachdienlich.” Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen, wird dort offenbar auch als eher hinderlich empfunden.

Ausverkauf der Stralsunder Gymnasialbibliothek

Falk Eisermann machte in einem Archivalia-Kommentar darauf aufmerksam, dass bei einer “Veräußerung eines Teilbestandes der ehemaligen Gymnasialbibliothek” Stralsunds Hinweise auf den schlechten Zusatnd des Bücherbestands gegeben hätte. Der verlinkte Artikel “Bücherschätze im Bürgermeister-Büro” aus der Ostsee-Zeitung ist leider online nicht (mehr) zugänglich.

In der Folge hat Klaus Graf Kontakt mit der Stadt Stralsund aufgenommen und folgende Antwort des Pressesprechers erhalten:

Bestätigen können wir Ihnen deshalb, dass ein Antiquar die bisher im Stadtarchiv Stralsund befindliche Gymnasialbibliothek angekauft hat. Darüber hinaus können wir jedoch keine weiteren Informationen geben, da es sich hierbei um schutzwürdige Interessen handelt. Deshalb wurde dem Verkauf durch ein Gremium der Bürgerschaft im nichtöffentlichen Teil der entsprechenden Sitzung zugestimmt.

Stadtarchiv Stralsund (CC-BY-SA, von DarkOne)
Stadtarchiv Stralsund (CC-BY-SA, von DarkOne)

Als schutzwürdig werden hier die Interessen der am Ausverkauf Beteiligten benannt, und nicht etwa das Interesse der Allgemeinheit an Kulturgut. Eric W. Steinhauer dazu, ebenfalls in einem Archivalia-Kommentar:

Ob die Unveräußerlichkeit von Archivgut in Archivgesetz auch für kommunale Archive in MV gilt, ist nach dem Gesetzeswortlaut eher fraglich. Darauf kommt es aber nicht an, weil sich aus der Satzung des Archivs eindeutig ein Veräußerungsverbot ergibt. Der Rat hätte vorher die Satzung ändern müssen, was in einer ÖFFENTLICHEN Ratssitzung zu beraten wäre. Allein das ist schon eine relevante Hürde. Ich stimme Herrn Graf im Ergebnis zu, dass der Verkauf der Bibliothek rechtswidrig war und damit ein Fall für die Kommunalaufsicht ist.

Harald Müller sekundiert (laut Archivalia) in Inetbib, dort konnte ich die Mail jedoch nicht finden:

Ich teile die rechtliche Einschätzung von Herrn Steinhauer: hier ist § 134 BGB anwendbar.

Der genannte Paragraph ist schlicht betitelt mit “Gesetzliches Verbot” und lautet ebenso schlicht:Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

In Inetbib wird der Vorgang in diesem Thread diskutiert. Die Blogpostings zu diesem Fall kann man recht gut über Plan3t.info recherchieren.

Ach ja: Stralsunds Bürgermeister, Alexander Badrow von der CDU, schreibt auf seiner Homepage:

Stralsund hat ein außergewöhnlich breites Kulturangebot. Dies gilt es zu erhalten und weiter zu entwickeln.

Es ist Badrow sehr wichtig, von den Nöten seiner Mitbürger zu erfahren: Stralsund kann nur vorankommen, wenn Ihre Meinung gehört wird. Deshalb können Sie sich hier direkt an Dr. Alexander Badrow wenden. Hier geht’s zu Herrn Badrow. Dass Stralsund sich zwar überall “Hansestadt” nennt, nun aber eine Bibliothek aus eben dieser Zeit verscherbelt, passt schließlich nicht so gut zusammen.

Valmadonna Trust Library zu verkaufen

Die Valmadonna Trust Library ist eine bedeutende Kollektion hebräischer Schriften. Sothebys hat anlässlich des bevorstehenden Verkaufs einen hübsche Videoführung durch den Bestand veröffentlicht.

Laut Wikipedia enthält die Sammlung unter anderem:

* A well-preserved set of the Babylonian Talmud (1519-23) designed by a panel of scholars and codifying many aspects of how the Talmud is laid out, printed in Venice by Daniel Bomberg; this was acquired by Lunzer from the collection of Westminster Abbey in exchange for a 900-year-old copy of the Abbey’s original Charter, and supporting endowments, fulfilling a 25 year dream.[2], [1]

* A Hebrew Bible from England (known as the Codex Valmadonna I), handwritten in 1189 and looted the next year during the destruction of the Jewish community of York, which is the only known surviving Hebrew text from England dated prior to the expulsion of the Jews in 1290 under King Edward I.[1] ,[2]

* A Franco-German Pentateuch, probably written in the tenth or eleventh century

* A 12th-century scroll of the Pentateuch from the Samaritans, written in the Samaritan alphabet.[1]

* The first Mikraot Gedolot

* The earliest dated illustrated Haggadah of Pesach known to exist, printed in Prague in 1526.[1]

* A Pentateuch from 1547 Constantinople, containing Spanish and Greek translations written using Hebrew script.[1]

* One of the first illustrated Hebrew books: A 1492 Mishna with commentary by Maimonides

* The first book printed in Lisbon, 1489, Nahmanides’ commentary on the Pentateuch.

* A 19th-century copy of A Thousand and One Nights from Calcutta, in Arabic spelled out in Hebrew script.[1]

* An illustrated guide for shechita from early twentieth century Pakistan, with Hebrew and Marathi on facing pages.[1]

* A copy of every Hebrew book published in Cremona during the ten year period such printing was allowed, ending in the 1560s.[1]

* The first book ever printed in Turkey, a 1493 copy of the Arba’ah Turim.[1]

* The first book ever printed in Africa, a Hebrew book about prayer from 1516 Fez.[1]

* The first scientific work printed in Portugal, by Abraham Zacuto in 1496.[1]

* An 1848 copy of the Communist Manifesto in German, one of 11 surviving copies of the first edition’s February 1848 second printing in London.[3]

* A Book of Psalms with part of its Radak commentary crossed out by a Christian censor.

* A 1666 Dutch newspaper with a front page headline and article describing Sabbatai Zevi

* A Venice Sukka decoration from 1783

Leider lässt sich das Video nicht einbinden, daher muss man sich bei Interesse schon auf die Webseite des Auktionshauses begeben.