Eine Nachricht, die eigentlich positiv klingt, aber eigentlich eher zum Nachdenken über das US-Gesundheitswesen anregen sollte: Ein Mädchens muss sehr lange auf eine benötigte Handprothese warten, die Mutter kontaktiert die Harris County Public Library, die einen 3D-Drucker hat. Und mit Hilfe der Organisation N-Able wird tatsächlich eine funktionstüchtige Prothese gedruckt. Mehr Infos gibt’s in der Washington Post.
Schlagwort: medizin
#keepzbmed: Über 5000 Unterschriften zum Erhalt wissenschaftlicher Infrastruktur
Über die nicht nachvollziehbare Entscheidung des Senats der Leibniz-Gemeinschaft, die Förderung der ZB MED einstellen zu wollen, wurde hier (und natürlich anderswo) ausführlich berichtet. Ich habe ehrlich gesagt keine einzige Stimme finden können, die den Beschluss nicht für eine Fehlentscheidung hält.
Da der Senat der Leibniz-Gemeinschaft anscheinend nicht in der Lage ist, die Bedeutung der ZB MED zu erfassen, haben glücklicherweise viele Personen und Organisationen versucht, ihr Anliegen zu erläutern. Und es haben sich nun schon über 5000 Personen einer von Rudolf Mumenthaler initiierten Petition zum Erhalt der ZB MED angeschlossen. Ich kann nur ausdrücklich dazu aufrufen, diese Petition zu unterstützen.
ZB MED: Was meinte die Bewertungsgruppe, was will der Senat?
Irgendwo in der zu Recht aufgebrachten Berichterstattung (Entschuldigung, ich finde die Quelle leider gerade nicht!) zum empfohlenen Förder-Aus für die ZB MED habe ich gelesen, dass die Programmbereiche der ZB MED im Gutachten überwiegend positiv beurteilt würden. Hier zum Nachlesen die Beurteilung der ZB MED in Kürze in der Senatsstellungnahme (Anlage B-11, S. 48 im PDF), Hervorhebungen von mir:
ZB MED ist in fünf Programmbereiche (PB) gegliedert. Der Programmbereich 1 wird ab 2016 in zwei Programmbereiche aufgeteilt, die hier einzeln als Programmbereich 1a und Programmbereich 1b vorgestellt werden.
Im PB 1a „Bestandsentwicklung“ werden die Arbeiten im Bereich der Bestandsentwicklung als „gut“ bewertet. Die zwei neuen Abteilungen „Lizenzen“ und „Digitale Langzeitarchivierung“ befinden sich noch im Aufbau.
Im PB 1b „Open-Access-Publizieren und -Beraten“ sind die Arbeiten rund um das neue Publikationsportal PUBLISSO angesiedelt, sie werden als „sehr gut“ bewertet.
Im PB 2 „Bereitstellung von Informationsdiensten“ wird das Suchportal LIVIVO betreut. Mit Blick auf die technische Architektur wird LIVIVO als „sehr gut“ bewertet. In Bezug auf die Marktpositionierung besteht jedoch noch Klärungsbedarf.
Im Bereich der Informationskompetenz werden die Arbeiten begrüßt, die die Einführung und das Marketing von LIVIVO unterstützen (wie z. B. LIVIVO-Online-Tutorials). Weitere Maßnahmen, die keinen direkten Bezug zu LIVIVO haben, sollten in diesem Bereich jedoch nicht weiterverfolgt werden.
Im PB 3 „Volltextversorgung“ werden die Arbeiten im Bereich der Volltextversorgung als „gut“ bewertet. Auf Grund der sinkenden Auftragszahlen in der Volltextversorgung (Dokumentenlieferung) wurden Personalkapazitäten frei, die ZB MED zum weiteren Ausbau des Bereichs der Digitalen Sammlungen genutzt hat. Daran anknüpfend wird ein Bereich Themenportale (interaktive Orte, die Wissen zu bestimmten Themenbereichenbündeln) aufgebaut. Die Arbeiten im Bereich der Digitalen Sammlungen und der Themenportale sind interessant und können als Keimzelle für weiterführende Projekte dienen. Welche Rolle sie in Zukunft spielen werden, wird unter der neuen Leitung zu entscheiden sein.
Der PB 4 „Anwendungsorientierte Forschung und Innovation“ befindet sich derzeit noch im Aufbau.
Was macht der Senat daraus?
- Aus dem “gut” zu PB 1a wird: “Den erreichten Stand beurteilt der Senat als nicht hinreichend.”
- Aus dem “sehr gut” zu PB 1a und PB 2 mit noch bestehendem Klärungsbedarf wird: Die “für die Zukunftsfähigkeit der ZB MED wesentliche strategische Frage […] ist nicht hinreichend beantwortet.”
Rudolf Mumenthaler schreibt dazu in einem sehr lesenswerten Beitrag:
Es war unbestritten, dass Änderungen nötig sind, und sie wurden angegangen. Aber aus einem Traktor (mir fällt gerade kein passenderes Bild ein) macht man nicht so schnell ein Rennauto. Das hätte man dem neuen Direktor ins Pflichtenheft schreiben können, wie es die Evaluatoren gefordert haben. Was man seit der letzten Evaluation an Ressourcen aus heuiger Sicht sinnlos verbraten hat (nicht nur intern sondern auch in NRW bei der Stiftungsgründung inkl. neuem Gesetz und an der Uni bei der Ausschreibung und Beinahe-Besetzung der Professur) geht auf keine Kuhhaut. Und ich unterstelle, das die Meinungen schon lange gemacht waren. Das hätte man auch vor vier Jahren schon sagen können.
Rudolf Mumenthaler ist und war vielfach mit der ZB MED befasst, aber auch als Außenstehender kann man nur zu diesem Schluss kommen, wenn man sich das Gutachten anschaut. Die Abwicklung der ZB MED ergibt sich sachlich nicht aus diesem Bericht. Über die Motivationen des Senats der Leibniz-Gemeinschaft kann man nur mutmaßen. Die Liste der Mitglieder der Bewertungsgruppe ist öffentlich (S.64f im oben verlinkten PDF). Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Abwicklung tatsächlich in ihrem Sinne ist. Rudolf Mumenthaler schreibt dazu:
Ich sehe auch die Rolle der Expertengruppe sehr kritisch, welche die Evaluierung vorgenommen hat. Ihre Empfehlung wurde sehr einseitig zu Lasten von ZB MED ausgelegt. Ihre Aussagen dienen nun praktisch als Rechtfertigung für den Entscheid des Senats, was ich an ihrer Stelle höchst peinlich finden würde. Diesen Schuh würde ich mir als Mitglied einer Fachcommunity also nicht anziehen wollen.
Dem ist zuzustimmen. Öffentliche Stellungnahmen der Mitglieder der Bewertungsgruppe wären wünschenswert und sowohl im Interesse der Fachöffentlichkeit als auch der Sachverständigen.
Leibniz-Gemeinschaft empfiehlt Beendung der ZB-MED-Förderung
UPDATE: Pressemitteilung der ZB MED zum Vorgang.
In einer Stellungnahme (PDF) empfiehlt der Senat der Leibniz-Gemeinschaft die Beendung der Bund-Länderförderung für die ZB MED. In der Stellungnahme werden diverse Gründe für diese gravierende Maßnahme angegeben. Auf Seite 4 ist zu lesen:
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es der ZB MED in den vergangenen Jahren trotz einiger Teilerfolge nicht in dem notwendigen Maß gelungen ist, sich auf die erheblichen Veränderungen im Fachinformationswesen einzustellen. Das klassische Arbeitsfeld der ZB MED, das der Senat vor einigen Jahren noch als unverzichtbar für die bibliothekarische Versorgung in Deutschland ansah, verliert kontinuierlich an Bedeutung. Wie sich die ZB MED mit digitalen Angeboten auf dem nationalen oder internationalen Markt behaupten könnte, ist nicht geklärt.
Auf derselben Seite:
Die unbefriedigende Situation liegt auch darin begründet, dass es bisher nicht gelang, wie empfohlen die notwendige informationswissenschaftliche Kompetenz an der ZB MED strukturell zu etablieren.
Ob die geplante Informatikprofessur der richtige Weg ist, ist zumindest diskussionswürdig. Informationswissenschaftliche Kompetenz hätte ich zuerst bei Informationswissenschaftlern vermutet. Aber die gelten ein paar Rheinkilometer abwärts auch als Auslaufmodell.
Dieser Beschluss ist nichts weniger als ein bibliothekarisches Erdbeben. Setzt sich hier ein Trend fort, auf zentrale Informationsinfrastrukturen bewusst zu verzichten? Auch auf Reaktionen aus der Medizin bin ich gespannt.
Und jetzt sind viele Fragen offen, sowohl was die Situation der Mitarbeiterinnen der ZB MED angeht, als auch zur Wahrnehmung der als sinnvoll beurteilten Aufgaben der ZB MED. Eine Mail von Ulrich Korwitz an die MediBib-Liste schließt mit gedämpftem Optimismus: Es wird Alternativen zum jetzigen Status geben.
PS: Die ZB MED hatte übrigens vor drei Tagen ein neues Blog begonnen, um die begonnene Neuausrichtung zu kommunizieren…
Über Forschung mit studentischer Beteiligung
Amgad, Mohamed; Man Kin Tsui, Marco; Liptrott, Sarah J.; Shash, Emad (2015): Medical Student Research: An Integrated Mixed-Methods Systematic Review and Meta-Analysis. In: PloS one 10 (6), S. e0127470. DOI: 10.1371/journal.pone.0127470.
Aus dem Abstract:
Medical student participation in research is associated with improved short- and long- term scientific productivity, more informed career choices and improved knowledge about-, interest in- and attitudes towards research. Financial worries, gender, having a higher degree (MSc or PhD) before matriculation and perceived competitiveness of the residency of choice are among the factors that affect the engagement of medical students in research and/or their scientific productivity. Intercalated BSc degrees, mandatory graduation theses and curricular research components may help in standardizing research education during medical school.
Medizinstudierende fordern Open Access
Im Medinfo-Blog wird auf eine Pressemitteilung der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd) verwiesen, in der Open Access gefordert wird. Aus dem dazugehörigen Positionspapier:
Insbesondere die rasant voranschreitende medizinische Forschung profitiert von einem schnellen und problemlosen Zugang zu aktuellen Studien. In der medizinischen Ausbildung kann dank Open Access auf einen größeren Pool an Wissen zurückgegriffen und so Unterrichtsinhalte angepasst werden. Im klinischen Alltag können Leitlinien durch mehr zugängliche Informationen untermauert oder angepasst werden.
Die bvmd fordert weiterhin, dass der Dialog zwischen Akteuren, wie Bibliotheken, Daten- und Rechenzentren gepflegt wird und regelmäßig über Open Access informiert wird.
Links:
"OA options for a society journal"
Teil der Operation Frühjahrsputz 2013, in deren Verlauf angefangene und nie beendete Postings einfach so veröffentlicht werden.
Does your society want to embrace Open Access but not know where to start? Maybe this will help.
Die stets lesenswerte Heather Piwowar war Teil einer Open-Access-Arbeitsgruppe der American Medical Informatics Association (AMIA), die Open-Access-Optionen für das gesellschaftseigene Journal (JAMIA) prüfen sollte. In Ihrem Blogposting “OA options for a society journal” macht sie die Überlegungen, Optionen und Entscheidungswege der Arbeitsgruppe transparent, in der Hoffnung, dass dies anderen Arbeitsgruppen Arbeit ersparen möge.
Nicht reproduzierbare Krebsforschung
Den Versuch, psychologische Studien zu reproduzieren, hatten wir hier kürzlich schon einmal. Nun wurde in der Nature eine Studie veröffentlicht, in der 53 landmark studies aus der Onkologie und Hämatologie untersucht werden. Ergebnis:
It was acknowledged from the outset that some of the data might not hold up, because papers were deliberately selected that described something completely new, such as fresh approaches to targeting cancers or alternative clinical uses for existing therapeutics. Nevertheless, scientific findings were confirmed in only 6 (11%) cases. Even knowing the limitations of preclinical research, this was a shocking result.
“Shocking” trifft es ganz gut.
Begley, C. Glenn; Ellis, Lee M. (2012): Drug development: Raise standards for preclinical cancer research. In: Nature 483 (7391), S. 531–533.
Henry Bourne: "US biomedical research enterprise" ist in Schieflage
Henry Bourne beschreibt in einem Aufsehen erregenden Artikel “The writing on the wall”, wie die biomedizinische Forschung in den USA trotz sich stetig vergrößernder Fördertöpfe stagniert. Abstract:
The biomedical research enterprise in the US has become unsustainable and urgent action is needed to address a variety of problems, including a lack of innovation, an over-reliance on soft money for faculty salaries, the use of graduate students as a source of cheap labour, and a ‘holding tank’ full of talented postdocs with limited career opportunities.
Viele seiner Beobachtungen lassen sich auch auf hiesige Verhältnisse übertragen.
Open Access als Bedingung für Jack Andrackas Erfolg
Spiegel.de berichtet über Jack Andracka, einen 16jährigen Nachwuchswissenschaftler, und den von ihm entwickelten Test auf Bauchspeicheldrüsenkrebs. Nicht erwähnt wird, dass Andrackas Erfolg nur durch Open Access möglich war. Aus dem Vancouver Explorer:
Andraka says that over the course of a few months, he generally purchases roughly 30 articles at $40 a piece for an average of 10 pages. $1,200 is no small sum for a high school student without a regular income – and parents supporting their children – and in a faltering economy, it’s an impossibility for many bright youth.
Im Artikel sind einige schöne Zitate, ebenso im FigShare-Blog:
“This was the [paywall to the] article I smuggled into class the day my teacher was explaining antibodies and how they worked. I was not able to access very many more articles directly. I was 14 and didn’t drive and it seemed impossible to go to a University and request access to journals”.
Andracka hat auch eine Open-Access-Petition erstellt.