Neues aus der OpenGLAM-Szene

Im OpenGLAM-Bereich (Galleries, Libraries, Archives, Museums) wird zur Zeit wie wild diskutiert und publiziert. Da man mit dem Rezipieren kaum noch hinterher kommt, möchte ich hier nur schnell die drei lesenswertesten Veröffentlichungen aus der letzten Zeit aufführen.

Zuerst wäre da die Bestandsaufnahme zur Kulturgutdigitalisierung in Deutschland zu nennen, der man schon jetzt viele, viele Zitierungen prophezeien kann. Ein Auszug aus dem Abstract:

[Es] erfolgt zunächst eine Erhebung des Status Quo: einerseits zur bisherigen Digitalisierung in den Gedächtnisinstitutionen und den (fehlenden) Kennzahlen, andererseits zu den Förderaktivitäten und dem politischen Diskurs auf Bundes- und Länderebene. Anschließend werden konkrete Handlungsvorschläge aus fachwissenschaftlicher und institutioneller Perspektive zu Umfängen und Herangehensweise gemacht. Aus fachwissenschaftlicher Sicht gehen die Handlungsvorschläge von den zu erforschenden Medientypen aus, daher werden zunächst konkrete Anforderungen an text- und bildbasierte Digitalisate sowie audio-visuellen Medien formuliert, aber auch Anforderungsklassen für eine medienunabhängige, allgemeine Digitalisierung abstrahiert. Da die Zweige der Gedächtnisinstitutionen – Bibliotheken, Archive sowie Museen – ganz eigene Voraussetzungen mitbringen, was die Objekte selbst, aber auch den Stand ihrer Erschließung und Digitalisierung angeht, werden diese jeweils getrennt betrachtet. Ergänzt wird dieser Teil um einige Use Cases, die beispielhaft das Potential solch einer programmatischen Digitalisierung und damit einhergehend der Erschließung von Kulturgut herausstellen.

Klaffki; Lisa; Schmunk; Stefan; Säcker; Thomas (2018): Stand der Kulturgutdigitalisierung in Deutschland. Eine Analyse und Handlungsvorschläge des DARIAH-DE Stakeholdergremiums Wissenschaftliche Sammlungen (DARIAH-DE working papers, 26). Online verfügbar unter http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:7-dariah-2018-1-3.

Kaum zu Ende gelesen, wird man auf Twitter auf das Impulsreferat von Ellen Euler zum Projekt Museum 4.0 aufmerksam. Die dazugehörigen Folien sind auf Zenodo veröffentlicht.Damit nicht genug: Hubertus Kohle veröffentlichte gerade gestern seine OA-Monographie “Museen digital : eine Gedächtnisinstitution sucht den Anschluss an die Zukunft”, das nun erst einmal gelesen werden möchte.

Insbesondere Museen im angelsächsischen Bereich verstehen immer besser, dass sie sich in einer medial modernen Form präsentieren müssen, wenn sie auch ein jüngeres Publikum für sich einnehmen wollen. Internet, soziale Medien, Virtual und Augmented Reality, Open Culture: das sind Schlagworte, die auch im Museumskontext immer mehr Bedeutung erlangen. In diesem Buch werden Kunstmuseen vorgestellt, die sich dem Digitalen auf besonders kreative Weise nähern und damit sowohl ihrem Bildungs- als auch ihrem Unterhaltungsauftrag gerecht zu werden versuchen.

Kohle, Hubertus (2018): Museen digital. Eine Gedächtnisinstitution sucht den Anschluss an die Zukunft. Heidelberg: Heidelberg University Publishing. DOI: https://doi.org//10.17885/heiup.365.515

Bundesrat stimmt UrhWissG zu: Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft

Der Bundesrat stimmt dem Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft weitgehend zu (vgl. Beschlussdrucksache BR 312/17(B), PDF). An einigen Stellen, besonders bezüglich der Veröffentlichung von Abbildungen musealer Objekte, fordert der Bundesrat eine weitergehende Offenheit:

Bislang dürfen Museen ihre kulturellen Schätze, die noch dem urheberrechtlichen Schutz unterliegen, nur sehr eingeschränkt im Internet zeigen. Erlaubt ist dies nach Unionsrecht – und ihm folgend nach § 58 Absatz 1 UrhG – bislang nur, soweit und solange dies der Förderung aktueller Ausstellungen dient.
§ 60f Absatz 1 in Verbindung mit § 60e Absatz 1 UrhG-E enthält die grundsätzliche Erlaubnis für Museen, Werke aus ihrem Bestand oder ihrer Ausstellung für Zwecke der Zugänglichmachung zu vervielfältigen. Die anschließende öffentliche Zugänglichmachung kann nach § 60f Absatz 1 in Verbindung mit § 60e Absatz 4 UrhG-E indes weiterhin nur museumsintern erfolgen oder – ent-sprechend dem fortgeltenden § 58 Absatz 1 UrhG – ausschließlich zur Förde-rung aktueller Ausstellungen.

§ 60f Absatz 1 in Verbindung mit § 60e Absatz 3 UrhG-E sieht für die Museen vor, dass diese lediglich körperliche Vervielfältigungsstücke in Zusammenhang mit öffentlichen Ausstellungen oder zur Dokumentation ihrer Bestände verbreiten können. Zu begrüßen ist zwar durchaus, dass ein zeitlicher Zusammenhang mit der Ausstellung anders als in § 58 Absatz 2 UrhG nicht mehr zwingend erforderlich ist.

Diese gesetzliche Erlaubnis muss aber auf die öffentliche Zugänglichmachung der elektronischen Vervielfältigungen der geschützten musealen Ausstellungs-und Bestandswerke ausgeweitet werden, damit insbesondere Museen ihren kulturellen Auftrag in zeitgemäßer Weise erfüllen können:
Museen sollten zum einen auch beendete Ausstellungen weiterhin im Rahmen ihres Online-Angebots dokumentieren können. Zum anderen sollten auch Bestände, die nicht Gegenstand einer Ausstellung waren, auf Grundlage einer gesetzlichen Erlaubnis im Internet gezeigt werden dürfen. Eine gesetzliche Erlaubnis würde es gerade auch kleinen Museen erlauben, ohne bürokratischen Aufwand zur Verbreitung kulturellen Wissens beizutragen.

In diesem Zusammenhang müssen die Interessen und Rechte der Künstlerinnen und Künstler entsprechend berücksichtigt werden.

Der letzte Satz birgt Sprengstoff, denn was eine “entsprechende Berücksichtigung” bedeutet, ist interpretationsfähig.

Eine eingehende Exegese durch Irights, Netzpolitik, Wisspub, das Aktionsbündnis Urheberrecht und andere übliche Verdächtige steht vermutlich bevor.

 

Wissenschaftliche Sammlungen im Netz

Teil der Operation Frühjahrsputz 2016, in deren Verlauf angefangene und nie beendete Postings einfach so veröffentlicht werden.

Im Tagesspiegel:

Ein neues Online-Portal gibt erstmals einen Überblick über die knapp 900 Sammlungen in den Archiven der Universitäten in Deutschland. So sollen die alten Präparate auch neuen Nutzungen zugänglich gemacht werden.

Siehe auch:

Digitalisierung und Open Access im SPD-Grundsatzprogramm

Die SPD hat ein “Grundsatzprogramm für die digitale Gesellschaft” (PDF) veröffentlicht. Ab Zeile 726 heißt es:

Urheberrecht weiterentwickeln, Open Access fördern
Die Herausforderungen der Digitalisierung anzunehmen, bedeutet auch, das Urheberrecht zu modernisieren und weiterzuentwickeln. Notwendig sind ein bildungs- und forschungsfreundliches Urheberrecht und eine umfassende Open-Access-Politik. Durch ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht muss der freie Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen im Internet systematisch gefördert und ausgebaut werden, insbesondere wenn Beiträge durch öffentliche Mittel gefördert wurden. Darüber hinaus braucht es eine allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht.

Umfassende Open-Access-Politik ist reichlich schwammig, zumal nirgendwo definiert wird, was darunter verstanden wird. Zur Digitalisierung ist ab Zeile 1222 folgendes zu lesen:

Nachhaltige Digitalisierungsstrategien von Kunst und Kultur stärken
Digitalisierungsstrategien und -konzepte müssen nicht nur die Sicherung und den Erhalt des kulturellen Erbes im digitalen Zeitalter schaffen, sondern auch die Authentizität und Wirkungsmächtigkeit von Kultur und Kunst stärken. Dies gilt nicht nur für Bildwerke wie Fotografie, Malerei und Film, sondern auch für alle weiteren Bereiche wie Museen und Parks, Architektur, Konzerte und Theater, die durch entsprechende digitale Zugangsformen wie virtuelle Rundgänge und digitale Information erfahrbar werden. Das trifft besonders für Archive und Bibliotheken zu, deren Erhalt als moderne, sozial offene Räume der kulturellen Kommunikation die Digitalisierung mit einschließen muss. Wir brauchen eine Stärkung der kulturellen und medialen Bildung, um das Authentische erfahren zu können. Zugleich müssen die Kultur- und Wissenseinrichtungen darin unterstützt werden, die vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung auch nutzen zu können.

“Wir brauchen eine Stärkung” ist kein Programm, das ist eine Feststellung. Warum wird hier nicht klarer formuliert? “Angestrebt wird die Digitalisierung aller in öffentlicher Hand befindlicher Werke und ihre bedingungslose Veröffentlichung, sobald sie gemeinfrei sind.” Ja, das kostet viel Geld. Aber nur so wird eine notwendige Grundbedingung für wirkliche “Digitale Bildung” und Teilhabe geschaffen.

[via Heise.de]

Zoosphere: Datenaggregator mit CC0-Insekten-Bildern

Zoosphere ist ein Portal, in dem Sequenzen digitalisierter Insektenpräparate aus dem Bestand des durch das Museums für Naturkunde Berlin unter CC0-Lizenz(!) veröffentlicht werden, zum Beispiel von Chrysis comparata, einer recht hübschen Wespe.

Chrysis Comparata
Chrysis Comparata, CC0

Die Seiten zu den einzelnen Digitalisaten sind nette Beispiele für die Aggegration von Fremddaten in Kombination mit eigenen Daten und Medien. So sind dort zum Beispiel Daten zu den Vorkommen der Insekten aus der mir bislang unbekannten Global Biodiversity Information Facility eingebunden. Vereinzelt sind auch “References” zu finden, zum Beispiel bei der Goldschildfliege (Phasia aurigera).

Die Ziele des Zoosphere-Projekts:

  • An international repository and web hub for high resolution image sequences of biological specimen
  • Delivering content to various end user devices, such as dekstop computers, mobile devices and web browsers in general
  • Create a tool for scientists, especially taxonomists, to speed up and improve their research
  • Prevent physical object transfer via regular mail
  • Reduce travel costs and efforts related to local object inspection
  • Digital preservation of biological collection objects, which are subject to natural decay
  • Increasing the visibility and accesibility of biological collection objects
  • Making objects available to both: general public and scientists

Das Projekt befindet sich nach Eigenangabe noch in einer sehr frühen Phase. Was jetzt zu sehen ist, ist jedoch schon recht vielversprechend. Besonders die CC0-Lizenzierung muss positiv hervorgehoben werden, wo andere Museen doch lieber auf nervige Wasserzeichen und mit sachlichen Gründen nicht zu erklärenden Nutzungseinschränkungen arbeiten.

Mankos wie die nicht funktionierende(?) Favoritenfunktion werden sicherlich noch behoben. Von diesem Projekt wird man jedoch sicherlich noch mehr hören, hoffentlich auch in Form einer Kooperation mit Wikimedia/Wikidata und einer daraus resultierenden Bot-generierten Anlage von Artikeln zu bisher in der deutschsprachigen Wikipedia fehlenden Insekten.

Rijksmuseum profitiert von Public-Domain-Politik

In der Studie “Democratising the Rijksmuseum : Why did the Rijksmuseum make available their highest quality material without restrictions, and what are the results?” (PDF) beschreibt Joris Pekel (Europeana), was die Vorteile der Public-Domain-Politik aus Sicht des Rijksmuseums sind.

This case study of the Rijksmuseum shows that an institution can benefit greatly by making its digitised collection openly available to the public and in applying the correct rights label to their material. It also shows that these decisions are not made overnight. The Rijksmuseum had to carefully discuss the different steps that have led to making all of the high resolution images available for everyone. They have made sure that they only publish material that is 100% out of copyright and communicate this extensively to the public. What greatly benefited the museum is that other people started making new creative works with the material and therefore promoting the museum on a larger scale than they had ever been able to do themselves.
Releasing the material has resulted in an incredible amount of goodwill from the public and creative industries. Combined with the enormous exposure, reputational benefits and the ability to enter more cost-effective sponsor programs greatly outweighed the reduced images sales for the museum. Employees of the Rijksmuseum concluded during the interview that they are extremely satisfied with the result of their move towards opening up their collection to the public. The process has been exciting and to some extent a bit frightening for them, but when asked if they would do it again they replied: ’Yes, but a lot faster’

Hervorhebungen von mir.

Im Text werden auch natürlich vorhandene und ernstzunehmende Hürden angesprochen.

Zarwell, Lisa-Marie: "Die Bedeutung von Nachlässen in Bibliotheken …"

Zarwell, Lisa-Marie: “Die Bedeutung von Nachlässen in Bibliotheken – dargestellt am Nachlass Robert Michel und Ella Bergmann-Michel in der Bibliothek im Sprengel Museum Hannover”

Abstract:

Schriftliche Nachlässe werden in deutschen Bibliotheken in einer langen Tradition gesammelt und verwaltet. In der vorliegenden Bachelorarbeit werden die Besonderheit von schriftlichen Nachlässen und die Entwicklung der Nachlassbearbeitung erläutert.
Zunächst werden zur Einführung in die Thematik Begriffsdefinitionen, die Bedeutung sowie die Entwicklungen in der Bearbeitung von Nachlässen dargelegt. An die Einführungen werden die Frage nach der Zuständigkeit zur Übernahme eines Nachlasses und der damit zusammenhängende Kompetenzstreitfall angeknüpft.
Im Folgenden wird die Erwerbung thematisiert. Dazu werden die verschiedenen Erwerbungsarten vorgestellt und die möglichen rechtlichen Probleme in der Erwerbung aufgezeigt. Die Bearbeitung von Nachlässen wird anhand von Kassation, Ordnung, Erschließung und Maßnahmen zur Bestandserhaltung dargestellt. Die Thematik der schriftlichen Nachlässe wird mit Aspekten und Fragen der Nutzung abgeschlossen.
Der theoretischen Abhandlung folgt die Dokumentation der Ordnung und Erschließung der Fotografien-Sammlung aus dem Nachlass von Robert Michel und Ella Bergmann-Michel, die mit der Vorstellung des Künstlerpaares und dessen Nachlass beginnt. Danach folgt die Erläuterung der praktischen Aufgabe im Hinblick auf Zielsetzung, Ausgangssituation, Vorbereitung und Durchführung. Abgeschlossen wird die Dokumentation mit Empfehlungen für die zukünftige Bearbeitung der Fotografien und des gesamten Nachlasses.

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Eckhardt, Anna: "Museen und Bibliotheken – ihr Kooperationspotential in der kulturellen Bildungslandschaft …"

Eckhardt, Anna: “Museen und Bibliotheken – ihr Kooperationspotential in der kulturellen Bildungslandschaft im Kontext einer öffentlichkeitswirksamen Marketingstrategie”

Abstract:

Im Rahmen der aktuellen Bildungsdebatte profilieren sich in zunehmendem Maße Museen und Bibliotheken als Akteure der kulturellen Bildung. Durch ihre ausdifferenzierten Angebote agieren sie dabei sowohl auf den formellen und außerschulischen Bildungs- wie auch unterhaltenden Freizeitmärkten, jeweils sowohl auf politischer sowie wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Makro-, Meso- und Mikroebene. Dabei bietet sich insbesondere den vielen Museen, die über eine eigene Museumsbibliothek verfügen, eine signifikant potenzierte Möglichkeit, im Rahmen einer professionellen Öffentlichkeitsarbeit durch die Konzeptionierung ihrer Bibliothek zu einem Informations- und Kommunikationszentrum und deren Positionierung in der Produkt- und Kommunikationspolitik der Marketingstrategie des Museums, ihren (potentiellen) heterogenen Zielgruppen erweiterte und additive Angebote und dadurch neuartige Zugänge zu offerieren sowie die Einrichtung dadurch im Stadtraum öffentlichkeitswirksam neu zu verorten, indem eine derart strukturell und programmatisch revisionierte und professionell geführte Museumsbibliothek der Gesellschaft weitere Lern- wie auch Kommunikationsräume im Sinne eines Kulturzentrums eröffnet. Eine solch autonome und allseits anerkannte Museumsbibliothek, die als zentrale Abteilung des Museums eng mit den anderen Handlungsbereichen der Einrichtung, insbesondere jedoch der Museumspädagogik und der Kommunikationsabteilung zusammenarbeitet, bietet dem Museum des Weiteren durch ihre hybride Scharnierfunktion als museale wie auch bibliothekarische Einrichtung eine ideale Möglichkeit, sich als Ort der kulturellen Bildung innerhalb der (kulturellen) Bildungslandschaft der Region mit weiteren Anbietern dieser Ressorts, vor allem jedoch Bibliotheken und Schulen, kooperativ und öffentlichkeitswirksam zu vernetzen.

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