Digitalisierung und Open Access im SPD-Grundsatzprogramm

Die SPD hat ein “Grundsatzprogramm für die digitale Gesellschaft” (PDF) veröffentlicht. Ab Zeile 726 heißt es:

Urheberrecht weiterentwickeln, Open Access fördern
Die Herausforderungen der Digitalisierung anzunehmen, bedeutet auch, das Urheberrecht zu modernisieren und weiterzuentwickeln. Notwendig sind ein bildungs- und forschungsfreundliches Urheberrecht und eine umfassende Open-Access-Politik. Durch ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht muss der freie Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen im Internet systematisch gefördert und ausgebaut werden, insbesondere wenn Beiträge durch öffentliche Mittel gefördert wurden. Darüber hinaus braucht es eine allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht.

Umfassende Open-Access-Politik ist reichlich schwammig, zumal nirgendwo definiert wird, was darunter verstanden wird. Zur Digitalisierung ist ab Zeile 1222 folgendes zu lesen:

Nachhaltige Digitalisierungsstrategien von Kunst und Kultur stärken
Digitalisierungsstrategien und -konzepte müssen nicht nur die Sicherung und den Erhalt des kulturellen Erbes im digitalen Zeitalter schaffen, sondern auch die Authentizität und Wirkungsmächtigkeit von Kultur und Kunst stärken. Dies gilt nicht nur für Bildwerke wie Fotografie, Malerei und Film, sondern auch für alle weiteren Bereiche wie Museen und Parks, Architektur, Konzerte und Theater, die durch entsprechende digitale Zugangsformen wie virtuelle Rundgänge und digitale Information erfahrbar werden. Das trifft besonders für Archive und Bibliotheken zu, deren Erhalt als moderne, sozial offene Räume der kulturellen Kommunikation die Digitalisierung mit einschließen muss. Wir brauchen eine Stärkung der kulturellen und medialen Bildung, um das Authentische erfahren zu können. Zugleich müssen die Kultur- und Wissenseinrichtungen darin unterstützt werden, die vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung auch nutzen zu können.

“Wir brauchen eine Stärkung” ist kein Programm, das ist eine Feststellung. Warum wird hier nicht klarer formuliert? “Angestrebt wird die Digitalisierung aller in öffentlicher Hand befindlicher Werke und ihre bedingungslose Veröffentlichung, sobald sie gemeinfrei sind.” Ja, das kostet viel Geld. Aber nur so wird eine notwendige Grundbedingung für wirkliche “Digitale Bildung” und Teilhabe geschaffen.

[via Heise.de]

Ausführliche FAQ zum Zweitveröffentlichungsrecht

Lesestoff für Repository-Betreiber: Die Schwerpunktinitiative Digitale Information der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen hat wunderbarerweise eine FAQ zum Zweitveröffentlichungsrecht veröffentlicht!

44 Fragen in der Liste, darunter spannendes Material:

18. Warum hat der Gesetzgeber die grundfinanzierte universitäre Forschung beim ZVR benachteiligt?

  • […] Die Verfassungsmäßigkeit dieser bewussten Entscheidung wird angezweifelt.

Da bleibt abzuwarten, ob sich die m.E. benachteiligten WissenschaftlerInnen aus weniger stark drittmittelgeförderten Disziplinen auf den gerichtlichen Weg machen.

Liebe Juristen, ist die Notwendigkeit einer solch umfangreichen Hilfe vor der Umsetzung durch Nicht-Juristen eigentlich mit schlechtem gesetzgeberischen Handwerk zu erklären? Mit ein paar klareren Formulierungen im Gesetz hätte man sich sicherlich große Teile der FAQ sparen können.

Vorschlag für neue Wissenschaftsschranke im Urheberrecht

Teil der Operation Frühjahrsputz 2014, in deren Verlauf angefangene und nie beendete Postings einfach so veröffentlicht werden.

Katharina de la Durantaye hat einen Vorschlag für eine neue Wissenschaftsschranke im Urheberrecht unterbreitet. Leonhard Dobusch meint auf Netzpolitik.org:

Wer sich durch Durantayes detaillierte Schilderung der geltenden Rechtslage im deutschen Wissenschaftsurheberrecht gekämpft hat und immer noch am diesbezüglichen Handlungsbedarf zweifelt, dem ist nicht mehr zu helfen. Im Unterschied zu anderen urheberrechtlichen Baustellen wie beispielsweise dem fehlenden Recht auf Remix, lässt sich im Bereich Bildung und Wissenschaft aber auf nationaler Ebene auch ein größerer Wurf umsetzen. Der neue Justizminister Heiko Maas wird sich auch daran messen lassen müssen, ob er einen entsprechenden Versuch unternimmt. Katharina de la Durantaye serviert ihm mit ihrer Analyse entsprechende Formulierungsvorschläge auf dem Silbertablett. Maas müsste eigentlich nur noch zugreifen.

Protest gegen die Diskriminierung der Hochschulwissenschaft im Urheberrecht

Die Unterzeichner dieses Aufrufs protestieren gegen die Anfang 2014 in Kraft getretene Regelung im Urheberrechtsgesetz, § 38 (4), die der Mehrheit von Autorinnen und Autoren an den Hochschulen das Zweitveröffentlichungsrecht verweigert. Die Unterzeichner fordern ein Zweitveröffentlichungsrecht für alle Autorinnen und Autoren, unabhängig von ihren Beschäftigungsverhältnissen. Die Unterzeichner fordern den Bundesjustizminister auf, rasch eine entsprechende Änderung im Urheberrechtsgesetz auf den parlamentarischen Weg zu bringen

Begründung:

Das Recht von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, ihre öffentlich geförderten Werke nach einer kommerziellen Erstveröffentlichung zweitveröffentlichen zu dürfen, ist seit Anfang 2014 im deutschen Urheberrechtsgesetz verankert. Dieses neue Recht ist eine wichtige Errungenschaft, obgleich es in manchen Details unzureichend ist. So ist z.B. die Frist mit 12 Monaten nach der Erstveröffentlichung zu lang und berücksichtigt werden nur Publikationen in Zeitschriften, nicht aber solche in Konferenz-Proceedings oder anderen Sammelbänden geschweige denn Monographien.

Keinesfalls akzeptabel ist, dass nur solche Forschungen bzw. solche Werke von diesem Recht betroffen sind, „die im Rahmen der öffentlichen Projektförderung oder an einer institutionell geförderten außeruniversitären Forschungseinrichtung durchgeführt werden“ (so in der Begründung zum Gesetz).

Insbesondere die mit Grundmitteln finanzierte Forschung an den Hochschulen bleibt damit von diesem Recht ausgeschlossen. Dieser Ausschluss wurde von der früheren Bundesregierung dadurch begründet (und vom Bundestag akzeptiert), dass bei der Drittmittel- und institutionellen Forschung „das staatliche Interesse an einer Verbreitung der Forschungsergebnisse besonders hoch“ sei (ebenfalls in der Begründung). Wir, die Unterzeichner, halten diese Begründung der Ungleichbehandlung für nicht akzeptabel und die Differenzierung deshalb für verfassungswidrig.

Die Unterzeichner dieses Aufrufs protestieren daher gegen die in § 38 (4) UrhG ersichtliche Diskriminierung der Hochschulwissenschaft. Daher fordern die Unterzeichner dieses Aufrufs die Politik (Bundesregierung und Bundestag) auf, die bestehende Regelung für das Zweitveröffentlichungsrecht in oben genanntem Sinne zu verbessern und vor allem das Recht auf alle Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auszuweiten.

Dieser Protest kann von allen unterzeichnet werden, die ein umfassendes und nicht-diskriminierendes Zweitveröffentlichungsrecht für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und einen raschen und freizügigen Zugriff zum Wissen, vor allem zu dem mit öffentlichen Mitteln finanzierten Wissen haben, einfordern.

Hier geht es zur Petition.

Neues Hochschulgesetz in Baden-Württemberg

Zwei bibliotheksrelevante Schnipsel zum neuen Landeshochschulgesetz Baden-Württembergs:

Forschungsinformationssysteme:

Das Gesetz stellt mehr Transparenz her. Der Senat erhält Auskunftsrechte darüber, was mit welchen Mitteln Dritter an der Hochschulen geforscht wird. Dabei werden die Interessen der Drittmittelgeber und Forscher gewahrt.

Open Access:

Das Gesetz stärkt Open Access, also den Gedanken, dass die Erkenntnisse wissenschaftlicher Forschung möglichst frei zugänglich sein sollten. Hochschulen sollen ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstützen, ihr Recht auf nicht kommerzielle Zweitveröffentlichung nach Ablauf einer Jahresfrist wahrnehmen zu können.

Und mal wieder diese ominöse Jahresfrist. “Möglichst frei” ist anscheinend etwas anderes als “frei”. Ist das wirklich der Stand der Diskussion? Open Access bedeutet, ich darf (je nach Fachgebiet) uralte Publikationen zweitverwerten?

[via Rhein-Neckar-Zeitung]

Open-Access in den USA, der EU und in Niedersachsen

Stefan Krempl berichtet über die aktuelle Open-Access-Initiative der US-Regierung:

Das Weiße Haus hat einen Vermerk (PDF-Datei) herausgegeben, wonach die Ergebnisse staatlich geförderter Forschung zwölf Monate nach ihrer Erstpublikation in einem wissenschaftlichen Journal online frei zugänglich gemacht werden sollen. Die Initiative von US-Präsident Barack Obama bezieht sich auch auf begleitende wissenschaftliche Daten in digitalen Formaten, solange dadurch nicht Rechte Dritte wie etwa der Schutz der Privatsphäre betroffen wäre.

Mehr dazu unter anderem bei Wisspub, wo auch auf das Zweitverwertungsrecht und die vorgeschlagene Open-Access-Verpflichtung im Horizon-2020-Programm eingegangen wird.

Und in Niedersachsen? “Erneuerung und Zusammenhalt : Nachhaltige Politik für Niedersachsen” heißt der Koalitionsvertrag der rot-grünen Koalition in Niedersachsen für die 17. Wahlperiode. Und plagiiert damit den Titel eines SPD-Regierungsprogramms von 2002. Doch sei’s drum! Wichtig ist, was drin ist. Und wie es umgesetzt wird.

Die rot-grüne Koalition wird gemeinsam mit den Hochschulen und Universitätsbibliotheken eine Open-Access-Strategie entwickeln.

Gemeint sind hoffentlich alle Hochschulbibliotheken, denn nicht nur an den Universitäten passiert einiges in Sachen Open Access. Ebenso übrigens in den Ministerien, den Landesanstalten und vielen anderen Institutionen des Landes.

Referentenentwurf zu verwaisten Werken und Zweitverwertungsrecht

Heise.de:

Ein Referentenentwurf gibt einen Blick auf die Pläne des Bundesjustizministeriums für den Umgang mit verwaisten und vergriffenen Werken. Das Ministerium will deren Nutzung erleichtern.

Rainer Kuhlen bewertet den Entwurf.

Bundesregierung will 52a retten und Open Access fördern

Plötzlich und für niemanden vorhersehbar läuft §52a des UrhG aus, der die Öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung regelt. Nun versucht die stets um den Wissenschaftsstandort besorgte schwarz-gelbe Regierung, den Paragraphen in letzter Minute zu retten. Thomas Hartmann beschreibt auf IUWIS, wie das vor sich gehen soll.

Er weist auch auf die heutige Beratung der Internet-Enquete hin, in der es auch um Open Access ging. Dazu auf Heise.de:

Die Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” des Bundestags hat ihre Empfehlungen zu “Open Access” im Wissenschaftsbereich vorgestellt, mit denen der freie Zugang zu Forschungsergebnissen im Internet verbessert werden soll. Sie rät unter anderem dazu, ein “unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht für wissenschaftliche Beiträge zu schaffen, die überwiegend mit öffentlichen Mitteln entstanden sind”. Dies erklärte das Kommissionsmitglied Reinhard Brandl am Mittwoch im Bildungsausschuss des Parlaments.

CDU für Open Access

Bei Netzpolitik heißt es:

Auch die CDU/CSU sieht ein, dass die Wissenschaft erhebliche Probleme mit dem Urheberrecht in Zeiten der Digitalisierung hat. Man plant eine Evaluation und “Überarbeitung dieser Regelungen und die Zusammenführung zu einer einheitlichen Wissenschaftsschranke”. Die CDU/CSU sieht “Anzeichen für eine marktbeherrschende Stellung von wissenschaftlichen Großverlagen”, und schlägt eine Überprüfung dieses Marktes durch das Bundeskartellamt vor. Dazu setzt man sich “für die Verankerung eines verbindlichen Zweitveröffentlichungsrechts in den Förderrichtlinien für Autoren wissenschaftlicher Beiträge im Internet ein.”

Auch eine Regelung zu verwaisten Werken soll erfolgen. Weiteres dazu und zu weiteren urheberrechtlichen Positionen der CDU im Diskussionspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Urheberrecht in der digitalen Gesellschaft.

Dritter Korb in der Diskussion

Heise berichtet über eine neue Kontroverse um Online-Publikationsrechte in der Wissenschaft.

Der Streit um den freien Zugang zu wissenschaftlicher Information gemäß dem “Open Access”-Prinzip hat sich durch die Forderung von Forschern nach einem “formatgleichen Zweitveröffentlichungsrecht” verschärft. Auf einem Fachgespräch der SPD-Bundestagsfraktion Anfang der Woche zur geplanten erneuten Novellierung des Urheberrechts kam es so zu einem Schlagabtausch zwischen Vertretern der Verleger und Wissenschaftlern.

Zum Zweitverwertungsrecht, aber auch zu anderen Aspekten des Dritten Korbs hat sich Timo Ehmann in seinem Vortrag “Das Wissenschaftsurheberrecht in der Urheberrechtsreform”auf den Open-Access-Tagen am 4. und 5. Oktober 2010 in Göttingen geäußert. Eine Aufzeichnung ist bei Youtube verfügbar.

Das Manuskript findet sich in vollständiger Länge im Jusmeum-Blog.

Weitere Äußerungen zur Kontroverse gibt es unter anderem in Archivalia und vom Schockwellenreiter.