Rudolf Mumenthalers Herausforderungen für Bibliotheken Q2/2015

Rudolf Mumenthaler hat sich in einem einer Reihe von Blogpostings mit 14 aktuellen Herausforderungen für Bibliotheken auseinandergesetzt. Jeder Punkt ist für sich eine Diskussion wert, ob Kollaboration, Linked Open Data oder Internet der Dinge.

Eine Herausforderung fehlt mir allerdings, obwohl sie nicht neu scheint. Denn Open Access klingt zwar alles andere als aufregend, ist aber durch aktuelle politische Entwicklungen in diversen (primär nicht von der CDU/CSU federführend regierten) Bundesländern (Baden-Württemberg, Berlin, Schleswig-Holstein (PDF), in weiteren Bundesländern tut sich ebenfalls etwas) so stark auf der Agenda, dass viele Bibliotheken dies tatsächlich als eine der aktuell größten Herausforderungen sehen werden. Und zwar so sehr, dass ein eigener Punkt jenseits von Open Content angebracht wäre.

Forschungsinformationssysteme wären ein weiterer Punkt, über den man in den nächsten 2-3 Jahren sicherlich viel hören wird.

Politische Erdrütsche gen Open Access

Teil der Operation Frühjahrsputz 2014, in deren Verlauf angefangene und nie beendete Postings einfach so veröffentlicht werden.

Das Open Access im Koalitionsvertrag der Großen Koalition steht, wurde hier schon erwähnt. Auch der niedersächsische Koalitionsvertrag enthält solch eine Passage.

Doch während die niedersächsische Landesregierung zum Thema Open Access bislang stumm blieb, passiert in anderen Bundesländern so einiges. Uli Herb weist auf Telepolis auf die Bemühungen Baden-Württembergs hin:

Der Neuentwurf des Landeshochschulgesetzes des Landes Baden-Württemberg will Wissenschaftler dazu verpflichten, sich das Recht auf nichtkommerzielle Zweitveröffentlichung wissenschaftlicher Publikationen vorzubehalten.

Schleswig-Holsteins Hochschulen forcieren Open Access

Deutschlandfunk.de:

Schleswig-Holstein will alle öffentlich finanzierte Forschung unentgeltlich ins Internet stellen. Das zuständige Wissenschaftsministerium und die Hochschulen erarbeiten dafür Open-Access-Richtlinien. Sie berühren unter anderem finanzielle, technische und urheberrechtliche Aspekte des digitalen Publizierens.

Passend dazu sei auf die verschrobene Position des DHV im Falle der Open-Access-Strategie Baden-Württembergs verwiesen, die Wissenschaftsfreiheit durch Wegsperren von wissenschaftlichen Publikationen hinter Bezahlschranken fördern möchte. Das dort verlinkte Börsenvereinspapier ist übrigens lesenswert und es wäre sehr lustig, wenn nicht zu befürchten wäre, dass die Politik es ernst nehmen könnte. Spitzenzitat: Bestehender Markt für wissenschaftliche Publikationen funktioniert.

Neues Hochschulgesetz in Baden-Württemberg

Zwei bibliotheksrelevante Schnipsel zum neuen Landeshochschulgesetz Baden-Württembergs:

Forschungsinformationssysteme:

Das Gesetz stellt mehr Transparenz her. Der Senat erhält Auskunftsrechte darüber, was mit welchen Mitteln Dritter an der Hochschulen geforscht wird. Dabei werden die Interessen der Drittmittelgeber und Forscher gewahrt.

Open Access:

Das Gesetz stärkt Open Access, also den Gedanken, dass die Erkenntnisse wissenschaftlicher Forschung möglichst frei zugänglich sein sollten. Hochschulen sollen ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstützen, ihr Recht auf nicht kommerzielle Zweitveröffentlichung nach Ablauf einer Jahresfrist wahrnehmen zu können.

Und mal wieder diese ominöse Jahresfrist. “Möglichst frei” ist anscheinend etwas anderes als “frei”. Ist das wirklich der Stand der Diskussion? Open Access bedeutet, ich darf (je nach Fachgebiet) uralte Publikationen zweitverwerten?

[via Rhein-Neckar-Zeitung]

Open Data in Baden-Württemberg

Im Koalitionsvertrag der Grün-Roten Koalition in Baden-Württemberg (PDF) sind zwei erfreuliche Abschnitte zu finden. Der Erste beschäftigt sich mit “Leistungsfähiger Informationsinfrastruktur und Open Access” (S. 14):

Der Zugang zu Datenbanken und E-Journals sowie die Nachhaltigkeit und Nachnutzung wissenschaftlicher Daten wird neben der Geräteausstattung ein immer wichtigerer Faktor für Forschungsund Innovationsprozesse. Wir werden deshalb verstärkt in die Informationsversorgung investieren.

Gleichzeitig wollen wir größtmögliche Transparenz und allgemeine Zugänglichkeit zu wissenschaftlichen Daten herstellen. Dazu werden wir gemeinsam mit den Hochschulen und Universitätsbibliotheken des Landes eine Open-Access-Strategie entwickeln. Dabei prüfen wir, wie das Prinzip umgesetzt werden kann, alle öffentlich geförderten und alle durch das Land beauftragten Forschungsergebnisse kostenfrei der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Möglichkeit der Hochschulen zur Forschung im Auftrag Dritter darf dadurch nicht beeinträchtigt werden.

Weiterhin wird erhöhte Transparenz bei militärisch relevanter Forschung gefordert.

Der Zweite Abschnitt beschäftigt sich mit “Transparenz des Regierungshandelns im Netz” (S. 79):

Wir stehen für eine offene Gesellschaft und eine transparente Verwaltung. Die bisherigen Aktivitäten Baden-Württembergs im Bereich e-Government und digitaler Demokratie werden wir ausbauen. Dabei werden wir insbesondere auch auf die Barrierefreiheit aller öffentlichen Angebote achten, und darauf, dass Teilhabe am öffentlichen Leben auch ohne Netzzugang möglich bleibt. Zu den großen Chancen digitaler Netze gehört die Möglichkeit, die Grundlagen des Regierungshandelns transparent und zugänglich zu machen.

In einem umfassenden Informationsfreiheitsgesetz werden wir gesetzliche Regelungen treffen, damit Bürgerinnen und Bürger unter Beachtung des Datenschutzes grundsätzlich freien Zugang zu den bei den öffentlichen Verwaltungen vorhandenen Informationen haben. Wir werden unser Regierungshandeln daran orientieren, die zugrunde liegenden Daten und Dokumente weitestmöglich öffentlich zugänglich zu machen. Hier orientieren wir uns am Grundsatz „Open Data“.

Drei Bibliotheken in Baden-Württemberg (Konstanz, Mannheim, Tübingen) gehen in dieser Hinsicht mit gutem Beispiel voran. Sie haben ihre Katalogdaten unter CC0 veröffentlicht. Die UB Mannheim bietet Linked Open Data (zum SPARQL-Endpoint) wie kürzlich schon hier erwähnt.

Studierende fordern mehr Geld für Bibliotheken

Zukünftige Steuerzahler (sogenannte High Potentials) plädieren für den sinnvollen Umgang mit Steuergeldern. Sie wollen, dass es u.a. in Bibliotheken investiert wird.

Den Rotstift ausgerechnet bei den Bibliotheken oder Tutorien anzusetzen, ist für Maisch eher kontraproduktiv. “Da läuft doch schon jetzt alles auf Sparflamme.” Auch im Internet-Zeitalter seien beileibe noch nicht alle Fachbücher im Netz.

Mehr darüber bei Heise.

Auch Landesregierung Baden-Württemberg gegen ungesunde Lesewuth!

Wie man dem Newsletter der Württembergischen Landesbibliothek entnehmen kann, wird dort ab dem 9. Mai eine Jahresbenutzungsgebühr von 30 Euro erhoben.

bitte beachten Sie, dass nach der Verkündigung im Gesetzblatt Baden-Württemberg, voraussichtlich mit Wirkung zum 9. Mai 2009, eine novellierte Bibliotheksgebührenverordnung in Kraft treten wird.
Neu ist die Einführung einer Benutzungsgebühr für die Landesbibliotheken (§ 2 n.F).

30 Euro! Vermutlich möchte die Landesregierung der Schweinegrippe ungesunden Lesewuth entschlossen entgegentreten.

Sehr geehrter Ministerpräsident Günther Oettinger: können Sie mir sagen, wo der Sinn dieser Maßnahme liegt? Als Volkswirt sollten Sie eigentlich wissen, dass man an dieser Stelle nicht unbedingt kürzen sollte. Betriebswirtschaftlich sind Benutzungsgebühren übrigens auch nicht immer ein Erfolgsmodell, wie unter anderem das Beispiel Schaffhausen belegt.

Notiz zum Stellenwert des Themas Bibliotheken in Baden-Württemberg: Von dort kam zu meiner Umfrage zu Landesbibliotheksgesetzen außer einer nichtssagenden Antwort der FDP keine Reaktion.

[via Netbib]