Referentenentwurf zu verwaisten Werken und Zweitverwertungsrecht

Heise.de:

Ein Referentenentwurf gibt einen Blick auf die Pläne des Bundesjustizministeriums für den Umgang mit verwaisten und vergriffenen Werken. Das Ministerium will deren Nutzung erleichtern.

Rainer Kuhlen bewertet den Entwurf.

CDU für Open Access

Bei Netzpolitik heißt es:

Auch die CDU/CSU sieht ein, dass die Wissenschaft erhebliche Probleme mit dem Urheberrecht in Zeiten der Digitalisierung hat. Man plant eine Evaluation und “Überarbeitung dieser Regelungen und die Zusammenführung zu einer einheitlichen Wissenschaftsschranke”. Die CDU/CSU sieht “Anzeichen für eine marktbeherrschende Stellung von wissenschaftlichen Großverlagen”, und schlägt eine Überprüfung dieses Marktes durch das Bundeskartellamt vor. Dazu setzt man sich “für die Verankerung eines verbindlichen Zweitveröffentlichungsrechts in den Förderrichtlinien für Autoren wissenschaftlicher Beiträge im Internet ein.”

Auch eine Regelung zu verwaisten Werken soll erfolgen. Weiteres dazu und zu weiteren urheberrechtlichen Positionen der CDU im Diskussionspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Urheberrecht in der digitalen Gesellschaft.

Das Schutzfristenproblem im Urheberrecht

Netzpolitik.org: Die Lücke des 20. Jahrhunderts: Visualisierung des Schutzfristenproblems im Urheberrecht

Es zeigt sich, wie die Länge der urheberrechtlichen Schutzfristen Digitalisierung und Zugang zu Büchern und damit dem kulturellen Erbe behindern, weil große Mehrzahl der Werke zwar auch noch Jahrzehnten noch urheberrechtlich geschützt sind, eine Verwertung sich aber bereits nach wenigen Jahren nicht mehr lohnt. Das Diagramm veranschaulicht also sehr schön, was in der Debatte um “verwaiste Werke” als die “Lücke des 20. Jahrhunderts” bezeichnet wird.

51 Tatort-Autoren gegen "die Netzgemeinde"

“Liebe Grüne, liebe Piraten, liebe Linke, liebe Netzgemeinde!”

Dies sind die Adressaten eines offenen Briefes von 51 Tatort-Autorinnen, der gerade durch die Medien geht und schon verschiedene Antworten erhalten hat. Der offene Brief ist inhaltlich nicht ernst zu nehmen. Dort ist zum Beispiel die Rede von (anlassloser) Vorratsdatenspeicherung, die Sie [die Adressaten, Anm. d. Verf.] gerne Zensur nennen. Wer nennt die VDS Zensur? Ein kleiner Google-Test ergibt einen Treffer für die Phrase “vorratsdatenspeicherung ist zensur”, die sich inhaltlich gegen die Gleichsetzung ausspricht. Für “vorratsdatenspeicherung bedeutet zensur” finden sich gar keine Treffer.

In dem Stil geht es weiter. So wird zu den Schutzfristen im Urheberrecht behauptet, dass nirgendwo eine Argumentation versucht wird, warum gerade diese Eigentumsform überhaupt eine Einschränkung erfahren darf. Ich bin mir nicht sicher, ob man als Tatort-Autor mit den Grundlagen der Recherche vertraut sein muss. Im Trainingshandbuch Recherche steht vielleicht etwas dazu, ich kenne das Buch nicht. Daher hier ein kleiner Crashkurs für informationssuchende DrehbuchautorInnen.

Wenn Sie dies hier lesen, haben Sie es schon einmal ins Internet geschafft – sofern Sie keinen Ausdruck dieses Postings vor sich liegen haben. Herzlichen Glückwunsch!

Von hier ist es nicht weit bis zu so genannten “Suchmaschinen”. Diese Suchmaschinen suchen nicht nur, sie finden auch. Und zwar Informationen nach Ihren Vorgaben. Wenn Sie der Suchmaschine mitteilen, dass Sie gerne Webseiten zu einem bestimmten Thema hätten, geben Sie dort einfach ein paar Stichworte ein und die Suchmaschine schlägt Ihnen passende Webseiten vor.

In unserem Fall können wir es probieren mit der Frage “Warum Schutzfristen”. Gleich der erste Treffer der die auch von Ihnen erwähnten Suchmaschine Google zu dieser Anfrage ist ein Blogposting von Volker Beck (ein Grüner) zu genau diesem Thema. Und natürlich gibt es juristische Fachliteratur in vielen Bibliotheken. Und zum Beispiel die Urheberrechtsfibel (PDF) von Klaus Graf, in der er sich auf S. 142 diesem Thema widmet.

Weitere Auseinandersetzungen mit dem offenen Brief gibt es unter anderem bei Netzpolitik.org und vom CCC (sehr ausführlich).

PS: Oliver Stock schreibt im Handelsblatt:

Die Anrede ist weitschweifig, aber eindeutig: „Liebe Grüne, liebe Piraten, liebe Linke, liebe Netzgemeinde!“ lautet sie und stammt von jenen 51 Autoren, die Deutschland jeden Sonntag Abend mit der neuesten Folge der Krimiserie „Tatort“ beglücken.

Eindeutig? Wer ist denn diese Netzgemeinde?

Vorschläge für die Enquête-Kommission zum Urheberrecht

Der Telemedicus nennt mit Bezug auf die einzurichtende Enquête-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft verschiedene Themenfelder im Bereich Urheberrecht, die diskutiert werden müssten. Darunter unter anderem die Problematik der verwaisten Werke, die momentan praktisch jeder legalen Verwertung entzogen sind.

Gerade im Buchbereich gibt es viele Werke, die zwar grundsätzlich noch urheberrechtlich geschützt sind, bei denen sich der Urheber aber nicht oder nicht mehr auffinden lässt (sog. „verwaiste Werke”). Problematisch ist dies im Bereich der weiteren Erschließung für die breite Öffentlichkeit. Derartige Werke können nicht ohne weiteres neu aufgelegt werden, auch das Digitalisieren und die digitale Verbreitung sind ohne das Risiko einer Rechtsverletzung oft nicht möglich. Hier stellt sich die Frage, ob ein neues Verfahren eingeführt werden sollte, welches eine solche Nutzung grundsätzlich ermöglicht. Zu denken ist dabei etwa an eine treuhänderische Wahrnehmung von Rechten des Urhebers durch Verwertungsgesellschaften, sofern der Urheber nicht auffindbar ist. Eine solche Regelung würde zum Beispiel den Aufbau digitaler Kataloge deutlich vereinfachen.

Wünschenswert wäre in diesem Zusammenhang eine radikale Verkürzung der Schutzfristen. Würde man sie ausgehend vom Datum der Erstveröffentlichung berechnen, käme man sehr einfach um diese Problematik herum. Aber dies ist angesichts der politisch gewollten finanziellen Absicherung der Autoren-Enkel nicht in Sicht.

Zum Themenfeld Open Access heißt es:

Mehrfach wurde in der Vergangenheit gefordert, dass wissenschaftliche Veröffentlichungen frei zugänglich gemacht werden sollen („Open Access”). Begründet wird dies unter anderem damit, dass diese Werke meist bereits in ihrer Entstehung mit staatlichen Mitteln gefördert wurden. Eine darüber hinaus gehende Vergütung sei deshalb unverhältnismäßig und schade der freien Verbreitung von öffentlich finanzierten Forschungsergebnissen. Dem stehen einige Wissenschaftler skeptisch gegenüber. Open Access könne demnach nicht nur zu einer „Enteignung” der Urheber führen, sondern sei auch für die Wissenschaft nicht zwingend förderlich. Im Detail sind also noch viele Fragen offen. Eine qualifizierte und gründliche Debatte wäre demnach wünschenswert.

Ob hier urheberrechtlich reagiert werden kann oder muss, vermag ich nicht zu sagen. Open Access enteignet niemanden. Hier ist also viel mehr Aufklärung gefragt. Also aktive Opposition gegen Döpfner, Reuß & Co.

Europäische Kommission diskutiert über verwaiste Werke

Bei einem öffentlichen Hearing über “Orphan Works” der Europäischen Kommission am 26. Oktober wurde über verwaiste Werke (“Orphan Works”) debattiert. Eine Zusammenfassung gibt es im Wikimedia-Blog, inklusive folgender Bibliotheksschelte:

Bibliotheken sind erstaunlich weniger bündnisfähig aus unserer Sicht, als man gemeinhin vermuten könnte. Eine gesunde Dosis Egoismus sei jedem gegönnt. Aus meiner Sicht betreiben die Bibliotheksvertreter jedoch eine problematische Strategie bei den Orphan Works, wenn sie aktiv nur auf ihre Domäne zugeschnittene Lösungen propagieren. Der Use Case der Bibliotheken ist es, im Rahmen der Massendigitalisierung die Werke des 20. Jahrhunderts online zu stellen. Um dieses Ziel zu erreichen, schlagen sie daher bewusst Ausnahmen vor, die sich nur auf Bibliotheken als Akteure und die Online-Verfügbarmachung als Nutzungsart beziehen. Print on Demand, Book Espresso Machines, E-Book-Reader und andere Anwendungsformen sind dort (bisher?) nicht auf der Agenda.

„Der Taktiker muss wissen, was er zu tun hat, wenn es etwas zu tun gibt; der Stratege muss wissen, was er zu tun hat, wenn es nichts zu tun gibt.“ (Tartakower)

Ob man beim Umgang mit verwaisten Werken wirklich von einer Strategie der Bibliotheken im Sinne von langfristig ausgelegtem geplanten Handeln ausgehen darf?