Arbeiten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags bald zugänglich?

Arbeitet der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages für uns alle? Ist die aus Steuergeld finanzierte Arbeit transparent? Oder bleibt der Dienst eine geschlossene Abteilung, nur nutzbar für die Abgeordneten des Bundestages? Darüber entscheidet morgen Deutschlands höchstes Verwaltungsgericht in Leipzig.

Das schrieb gestern das Correctiv. Heute wurde nun entschieden, und zwar im Sinne der Informationsfreiheit:

Der Deutsche Bundestag ist, soweit es um Gutachten und sonstige Zuarbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geht, eine informationspflichtige Behörde”, begründet das Gericht die Entscheidung. An dieser rechtlichen Einordnung ändere sich nichts dadurch, dass die Abgeordneten diese Unterlagen für ihre parlamentarischen Tätigkeiten nutzen, auf die das Informationsfreiheitsgesetz keine Anwendung findet. “Das Urheberrecht steht weder der Einsicht in diese Unterlagen noch der Anfertigung einer Kopie entgegen”, heißt es in der Mitteilung des Gerichts.

Und nun möge der Bundestag den logischen nächsten Schritt gehen und sämtliche Gutachten und Analysen des Wissenschaftlichen Dienstes bitte online für alle stellen. Es muss ja nicht sein, dass jetzt jeder Bürger nach jedem Gutachten einzeln fragen muss.

Natürlich bleiben Guttenberg & Co im Regal

Im Tagesspiegel schreibt Amory Burchard über den Umgang von Bibliotheken mit plagiierten Dissertationen. Im Artikel “Guttenberg & Co. bleiben im Regal” beschreibt sie die großen Mühen der Universitäten, die betrügerischen Promotionen aufzuspüren. Dann:

Doch bis in die Bibliotheken reicht die Selbstreinigung der Wissenschaft nicht. Während die betroffenen Wissenschaftsverlage beanstandete Titel umgehend aus dem Programm nehmen, bleiben die plagiierten Werke in den Regalen. Sie werden nicht einmal durchgehend und transparent als Plagiate gekennzeichnet, wie Andreas Degkwitz, Direktor der Universitätsbibliothek der HU, auf Anfrage eingesteht. Im Fall Guttenberg wird nur gewarnt, wer die Dissertation über den Online-Katalog sucht. Als Anmerkung steht dort in zwei klein gedruckten Zeilen: „Entzug des Doktorgrades am 23. Februar 2011 durch die Promotionskommission der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth.“

Beschrieben wird weiterhin, dass es DBV-Position sei, beanstandete Bücher nicht aus dem Verkehr zu ziehen, […] auch […] wenn Autoren dies selber wünschen.

Natürlich! Burchard suggeriert, ein Bibliothekswesen sei wünschenswert, das erhebliche Eingriffe in die Schreibung der Wissenschaftsgeschichte vornimmt. Wenn die Dissertation Guttenbergs wissenschaftlich nicht mehr wahrgenommen wird, ist es jedoch selbstverständlich nicht Aufgabe der Bibliotheken, dies zu gewährleisten. Die Zeiten, in denen BibliothekarInnen bestimmen, was ihren Nutzern zuträglich ist, sind hoffentlich weitgehend vorbei.

Würden wir Bibliothekswesen versuchen, Werke, die nicht nach wissenschaftlichen Standards entstanden sind, aus dem Bestand zu entfernen, hätte dies mindestens zwei fatale Konsequenzen.

Zuerst würden wir, wie oben beschrieben, die Wissenschaftsgeschichte (und in vielen aktuellen Fällen auch die Erforschung der politischen Geschichte) erschweren oder sogar unmöglich machen. Darüber hinaus würden wir suggerieren, dass alle in Bibliotheken verfügbar gemachten Werke nach allen Regeln der Wissenschaft korrekt sind. Können wir das gewährleisten? Ein lachhafter Gedanke.

Ungarns Präsident Pal Schmitt tritt wegen plagiierter Dissertation zurück

Das Guttenberg-Phänomen wird internationaler. Aus dem Tagesspiegel.de:

Der ungarische Präsident Pal Schmitt ist zurück getreten. Grund ist seine Dissertation, die er in weiten Teilen von anderen Autoren abgeschrieben hat.

Ein bißchen Hintergrund (und weitere Quellen) findet man in Wikipedia.

Passend dazu gibt Christiane Schulzki-Haddouti im Hyperland-Blog einen Rückblick auf ein Jahr Plagiatsjagd: “Ein Jahr Vroniplag: Die Doktorjäger sind weiter auf Jagd”:

Ein Jahr nach Vroniplag hat sich die Wahrnehmung von Plagiaten im Wissenschaftsbereich stark verändert. 21 Doktorarbeiten listet die “kollaborative Plagiatsdokumentation” mittlerweile auf. Sechs Autoren wurde die Doktorwürde inzwischen aberkannt, unter anderem den Europapolitikern Silvana Koch-Mehrin und Jorgo Chatzimarkakis. Nur ein Verfahren scheiterte bislang – gegen eine Dissertation eines CDU-Bundestagsabgeordneten an der FernUniversität Hagen. Hier sah der Promotionsausschuss in den “anonym erhobenen Vorwürfen” keinen ausreichenden Anlass, aktiv zu werden.

Nachahmungen aus anderen Ländern gebe es bislang nicht.

Freiheitskämpfer Guttenberg

KT zu Guttenberg wurde von Neelie Kroes engagiert als “Berater in der Frage […], wie Internetnutzer, Blogger und Cyberaktivisten in autoritär regierten Ländern auf Dauer unterstützt werden können” (Pressemitteilung). Die Süddeutsche empört sich in die falsche Richtung:

Ausgerechnet der Ex-Minister, der das Internet für seine Texträuberei missbraucht, der von Onlineaktivisten widerlegt und verspottet wurde, soll nun die Freiheitskämpfer im Netz beflügeln.

Die Zeit argumentiert ähnlich.

Ob er das Internet für seinen Betrug nutzte, weiß ich nicht. Er hätte es auf jeden Fall auch offline machen können. Wichtiger ist ein anderer Punkt. Guttenberg ist ausgewiesener Befürworter von Zensurinfrastrukturen.

Mit welcher Glaubwürdigkeit will er nun gegen Infrastrukturen argumentieren, die er selbst schaffen wollte? Dazu Markus Beckedahl:

Ich beschäftige mich intensiv mit diesem Thema und bisher ist mir Karl Theodor zu Guttenberg zu diesem Thema nicht einmal positiv aufgefallen. Wenn er sich bisher zum Thema Internet geäussert hat, ging es wahlweise um einen Ausbau von Überwachungsmaßnahmen oder zur Einführung von Netzsperren. Sowohl Maßnahmen wie die Vorratsdatenspeicherung als auch Netzsperren werden in repressiven Regimen zur Einschränkung von Meinungsfreiheit genutzt – u.a. exportiert von deutschen Unternehmen, weil das Wirtschaftsministerium keine Exportkontrolle für Überwachungstechnologien einführen will, dessen Minister zu Guttenberg vor nicht allzulanger Zeit war.

PS: Kommt es mir nur so vor, oder hat Guttenberg auch seine Comebackstrategie kopiert? Er macht den Özdemir in Zeitraffer.

  1. Skandal.
  2. Rücktritt.
  3. Arbeit für einen “Think tank” in den USA.
  4. Posten auf EU-Ebene
  5. Rückkehr in die dt. Politik.

Cem Özdemir hat nur vergessen, seine Schuld zu konsequent zu leugnen und der eigenen Partei vor den Kopf zu stoßen. Und er hat sich ein paar Jahre Zeit gelassen. Nicht nur ein paar Wochen.

PPS: In der FTD sind ein paar schöne Tweets zum Thema gesammelt.

Akademischer Schwindel auch in Italien?

Ok, das Fragezeichen in der Überschrift muss man eigentlich nicht setzen. In Italiens akademischer Landschaft wird mit Sicherheit genauso betrogen wie in allen anderen Ländern auch. Nun allerdings ist ein Fall in die Schlagzeilen geraten, dessen Brisanz Vergleiche mit Guttenberg aufkommen lässt. Daniela Santanchè ist Staatssekretärin der Berlusconi-Regierung. Und angeblich soll sie ihren Master-Abschluss an der Bocconi School of Management erfunden haben. Mehr Infos gibt’s unter anderem bei Tagesschau.de.

[Via Forschungsmafia]

Guttenberg darf bleiben

Guttenberg selbst wurde nach massivem öffentlichen Druck aus dem Dienst entfernt. Das von ihm zusammengeklaubte und -geraubte Werk kann jedoch in Bibliotheksregalen stehen bleiben. Jedenfalls kommt Eric Steinhauer zu folgendem Fazit:

Was folgt daraus für die Praxis? Die geschädigten Urheber müssen den Anspruch aus § 98 UrhG gegen jede einzelne Bibliothek geltend machen. Vorher besteht grundsätzlich keine Handlungspflicht. Im Interesse der Bestandsschonung sollte Guttenbergs Arbeit gleichwohl rarifiziert bzw. auf eine Präsenznutzung beschränkt werden. In jedem Fall aber ist von einer Aussonderung der Arbeit abzusehen.

Für zukünftige forschende Generationen muss der Zugang zu der Arbeit auf jeden Fall erhalten bleiben. Schließlich haben nicht viele Dissertationen eine so große Wirkung erzielen können. Guttenberg darf also bleiben. Nicht im Amt, aber im Bibliotheksregal.

Offener Brief von Doktoranden an die Bundeskanzlerin

Der wissenschaftliche Nachwuchs wehrt sich gegen die Bagatellisierung der ministeriellen Betrügereien:

als Doktorandinnen und Doktoranden verfolgen wir die gegenwärtige Diskussion um die Plagiatsvorwürfe gegen den Bundesminister der Verteidigung, Herrn Karl-Theodor zu Guttenberg, mit großer Erschütterung und noch größerem Unverständnis. Wir haben den Eindruck, dass Sie mit aller Macht versuchen, einen Minister zu halten, der trotz massiver Gegenbeweise immer noch die Behauptung aufrecht erhält, er habe in seiner Doktorarbeit nicht bewusst getäuscht.

Zum Weiterlesen und Unterzeichnen geht es hier zum offenen Brief von Doktoranden an die Bundeskanzlerin.

Uni Bayreuth gibt Grundsätze des wissenschaftlichen Arbeitens auf

Wissenschaftliche Bankrotterklärung der Uni Bayreuth:

Die Frage eines möglichen Täuschungsvorsatzes konnte die Kommission letztlich dahinstehen lassen. Für die Kommission war entscheidend, dass unabdingbare wissenschaftliche Standards objektiv nicht eingehalten worden sind. Im Fall ihrer Verletzung ermächtigt Artikel 48 Verwaltungsverfahrensgesetz zur Rücknahme des Doktorgrades, ohne dass ein Täuschungsvorsatz nachgewiesen werden muss.

Was erhoffen sich die Verantwortlichen der Uni Bayreuth von diesem Vorgehen? Sie werfen den guten Ruf ihres Hauses in die Mülltonne, stoßen allen nicht-täuschenden Wissenschaftlern mit Anlauf vor den Kopf und machen sich und die deutsche Wissenschaft insgesamt national und international lächerlich.

Rechtswissenschaftlicher Fachschaftsrat der Uni Bayreuth gibt Zitiertipps

Die Fachschaft der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Uni Bayreuth klärt in der jüngsten Ausgabe der Fachschaftszeitung Para-Graph (Ausgabe 05 / Februar 2011 (PDF), S. 2) über die Hauptfehler bei der Erstellung von Hausarbeiten auf. Ein Punkt: Zitieren und Literaturverzeichnis.

Wissenschaftliches Arbeiten will gelernt sein. Eine der wichtigsten Maximen: Ohne Belege keine Hausarbeit! Denn wir Juristen untermauern unsere Argumente gerne mit den Namen anderer, die schon vor uns den Weg der Weisheit gegangen sind und eine bestimmte Ansicht in einem Meinungsstreit vertreten haben.

Die Autorin Janina Krenk ist den Weg der Weisheit offensichtlich schon weiter gegangen als manch Bundesminister. Ich bin bestimmt nicht der einzige, der die nächste Ausgabe des Para-Graph mit Spannung erwartet, um die Reaktion der Bayreuther Jurastudierenden zu erfahren. Die Bayreuter Juristenausbildung ist durch die Plagiatsaffäre sicherlich nicht im Ansehen gestiegen. Dazu in der FR:

Längst macht das hässliche Wort „Buyreuth“ die Runde.

Nur der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch auf den Zwischenbericht im Guttenplag-Wiki hingewiesen.

Norbert Lammert über zu Guttenberg

Norbert Lammert über Ansehen und Anstand in der WDR-Mediathek (zumindest bis zur Depublizierung) ab ca. 4:30:

“Die Presseerklärung, die Karl-Theodor zu Guttenberg am vergangenen Freitag gegeben hat, war jedenfalls kein überzeugender Beitrag zur Problembewältigung”, sagte Lammert am Dienstag im WDR-Fernsehen. “Ich kann mir seinen Auftritt (…) nur so erklären, dass ihm zum damaligen Zeitpunkt das Ausmaß der Schlampigkeit nicht klar war, mit der die Arbeit verfasst und eingereicht worden ist.”

Zitiert nach Handelsblatt. Was anderes ist dies, als der recht direkte Vorwurf, dass Guttenberg seine Arbeit nicht selbst verfasst hat?